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Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889.

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Besonders auf die getrennte Wirkung der Schwungfedern
hindeutend ist auch noch ihr Breiterwerden nach der Spitze
zu anzusehen (siehe Punkt c Fig. 74). Dieses hat offenbar nur
bessere Flächenausnützung bei vollkommen freier Drehung
zum Zweck bei diesen radial stehenden Federn.

Was zur Ausführung dieser einzelnen Federdrehungen
den Vögeln an Sehnen und Muskeln fehlt, und was das Fester-
und Loserlassen der Häute, in denen der Federkiel steckt, an
Drehung nicht hervorzubringen vermag, wird möglicherweise
dadurch ersetzt, dass jede Schwungfeder nach vorn eine schmale,
nach hinten aber eine breite Fahne hat. Die Natur macht
nichts ohne besondere Absicht. Die Konstruktion dieser

[Abbildung]
[Abbildung] Fig. 77.


Aufschlag

[Abbildung]
[Abbildung] Fig. 78.


Niederschlag

[Abbildung]

Querschnitt durch einen Schwungfeder-Mechanismus.

Schwungfedern deutet offenbar auf ihre Verwendung hin, nach
welcher sie als die Auflösung eines grösseren, breiten, ge-
schlossenen Flügels in mehrere einzelne schmale, leichter dreh-
bare Flügel anzusehen sind, welche sich aber nicht überdecken
dürfen, damit die hinteren breiteren Fahnen, wenn nicht durch
willkürliche Muskelkraft, so doch durch den auf der breiten
hinteren Fahne ruhenden Luftdruck beim Niederschlag nach
oben durchschlagen können. Es ist dies ein Hauptmerkmal
der Schwungfedereinrichtung bei allen grösseren Raub- und
Sumpfvögeln, welches auch wohl schwerlich anders gedeutet
werden kann.


Wir können dieses Thema nun nicht verlassen, ohne noch
einmal auf einen Vogel zurückzukommen, welcher gleichsam
zum Fliegevorbilde für den Menschen geschaffen zu sein

10*

Besonders auf die getrennte Wirkung der Schwungfedern
hindeutend ist auch noch ihr Breiterwerden nach der Spitze
zu anzusehen (siehe Punkt c Fig. 74). Dieses hat offenbar nur
bessere Flächenausnützung bei vollkommen freier Drehung
zum Zweck bei diesen radial stehenden Federn.

Was zur Ausführung dieser einzelnen Federdrehungen
den Vögeln an Sehnen und Muskeln fehlt, und was das Fester-
und Loserlassen der Häute, in denen der Federkiel steckt, an
Drehung nicht hervorzubringen vermag, wird möglicherweise
dadurch ersetzt, daſs jede Schwungfeder nach vorn eine schmale,
nach hinten aber eine breite Fahne hat. Die Natur macht
nichts ohne besondere Absicht. Die Konstruktion dieser

[Abbildung]
[Abbildung] Fig. 77.


Aufschlag

[Abbildung]
[Abbildung] Fig. 78.


Niederschlag

[Abbildung]

Querschnitt durch einen Schwungfeder-Mechanismus.

Schwungfedern deutet offenbar auf ihre Verwendung hin, nach
welcher sie als die Auflösung eines gröſseren, breiten, ge-
schlossenen Flügels in mehrere einzelne schmale, leichter dreh-
bare Flügel anzusehen sind, welche sich aber nicht überdecken
dürfen, damit die hinteren breiteren Fahnen, wenn nicht durch
willkürliche Muskelkraft, so doch durch den auf der breiten
hinteren Fahne ruhenden Luftdruck beim Niederschlag nach
oben durchschlagen können. Es ist dies ein Hauptmerkmal
der Schwungfedereinrichtung bei allen gröſseren Raub- und
Sumpfvögeln, welches auch wohl schwerlich anders gedeutet
werden kann.


Wir können dieses Thema nun nicht verlassen, ohne noch
einmal auf einen Vogel zurückzukommen, welcher gleichsam
zum Fliegevorbilde für den Menschen geschaffen zu sein

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[147/0163] Besonders auf die getrennte Wirkung der Schwungfedern hindeutend ist auch noch ihr Breiterwerden nach der Spitze zu anzusehen (siehe Punkt c Fig. 74). Dieses hat offenbar nur bessere Flächenausnützung bei vollkommen freier Drehung zum Zweck bei diesen radial stehenden Federn. Was zur Ausführung dieser einzelnen Federdrehungen den Vögeln an Sehnen und Muskeln fehlt, und was das Fester- und Loserlassen der Häute, in denen der Federkiel steckt, an Drehung nicht hervorzubringen vermag, wird möglicherweise dadurch ersetzt, daſs jede Schwungfeder nach vorn eine schmale, nach hinten aber eine breite Fahne hat. Die Natur macht nichts ohne besondere Absicht. Die Konstruktion dieser [Abbildung] [Abbildung Fig. 77. Aufschlag] [Abbildung] [Abbildung Fig. 78. Niederschlag] [Abbildung Querschnitt durch einen Schwungfeder-Mechanismus.] Schwungfedern deutet offenbar auf ihre Verwendung hin, nach welcher sie als die Auflösung eines gröſseren, breiten, ge- schlossenen Flügels in mehrere einzelne schmale, leichter dreh- bare Flügel anzusehen sind, welche sich aber nicht überdecken dürfen, damit die hinteren breiteren Fahnen, wenn nicht durch willkürliche Muskelkraft, so doch durch den auf der breiten hinteren Fahne ruhenden Luftdruck beim Niederschlag nach oben durchschlagen können. Es ist dies ein Hauptmerkmal der Schwungfedereinrichtung bei allen gröſseren Raub- und Sumpfvögeln, welches auch wohl schwerlich anders gedeutet werden kann. Wir können dieses Thema nun nicht verlassen, ohne noch einmal auf einen Vogel zurückzukommen, welcher gleichsam zum Fliegevorbilde für den Menschen geschaffen zu sein 10*

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Zitationshilfe: Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lilienthal_vogelflug_1889/163>, abgerufen am 25.11.2024.