Lindemann, Anna: Die Frauenstimmrechtsbewegung in Deutschland. Leipzig und Berlin, 1913.Anfänge der Bewegung Die Frauenstimmrechtsbewegung in Deutschland. Spät, viel später als die Frauen anderer uns nah verwandter Na- Anfänge der Bewegung Die Frauenstimmrechtsbewegung in Deutschland. Spät, viel später als die Frauen anderer uns nah verwandter Na- <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0002" n="159"/> <fw place="top" type="header">Anfänge der Bewegung</fw><lb/> <head> <hi rendition="#c">Die Frauenstimmrechtsbewegung in Deutschland.</hi> </head><lb/> <byline> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#smaller">Von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/136742823">Anna Lindemann</persName></hi> </hi> </byline><lb/> <p>Spät, viel später als die Frauen anderer uns nah verwandter Na-<lb/> tionen, haben sich die deutschen Frauen eine Organisation geschaffen zur<lb/> Erringung ihrer politischen Gleichberechtigung. Wohl hatte das Feuer<lb/> der 48er Jahre auch die Frauen nicht unberührt gelassen, wohl hatten<lb/> einige hervorragende unter ihnen mit klarem Blick schon damals die<lb/> gleichberechtigte Teilnahme der Frau am öffentlichen Leben ihres Volkes<lb/> als Vorbedingung einer gedeihlichen Entwickelung erkannt. Aber jahr-<lb/> zehntelang hätte es scheinen können, als sei das Wort von Luise Otto-<lb/> Peters: „Die politische Mitarbeit der Frauen ist nicht nur ein Recht,<lb/> sie ist eine Pflicht“ nur ein glänzendes Meteor gewesen, das ohne zu<lb/> zünden in der Nacht verschwunden war. Die immer wachsende Schar<lb/> von Frauen, in deren Herzen jene Überzeugung weiterlebte, in denen sie<lb/> durch die Arbeit für bessere Bildung, für wirtschaftliche und soziale<lb/> Hebung ihres Geschlechtes täglich neue Nahrung erhielt, stand in keiner<lb/> äußeren Verbindung miteinander. Einzeln oder in kleinen Gruppen<lb/> kämpften sie für ihre Jdee. Die Macht der Verhältnisse, besonders das<lb/> Vereinsrecht der beiden größten Bundesstaaten, schien eine Entwickelung<lb/> der deutschen Frauenbewegung in dieser Richtung unmöglich zu machen.<lb/> Einzelne bedeutende, auch nach außen hin wirksame Äußerungen hervor-<lb/> ragender Frauen wie Hedwig Dohms 1876 erschienene Schrift „Natur<lb/> und Recht der Frau“ vermochten anscheinend nichts gegen jene feindlichen<lb/> Mächte. Die junge Zeitschrift der Gräfin Guillaume-Schack „Die Staats-<lb/> bürgerin“ wurde 1886 wegen eines Artikels, der die politische Gleich-<lb/> berechtigung der Frauen forderte, polizeilich unterdrückt. Jnnerlich aber<lb/> wuchs die Überzeugung der Frauen an Kraft und Ausdehnung. An den<lb/> Debatten über den Entwurf zu einem Bürgerlichen Gesetzbuche erstarkte<lb/> sie. Schon im Januar 1893 wurde im Verein Frauenwohl-Berlin in<lb/> einem Vortrage „Die Geschichte des Frauenstimmrechts“ behandelt. Am<lb/> 2. Dezember 1894 berief die Frau, deren Pionierarbeit auch auf diesem<lb/> Gebiete die deutschen Frauen so viel zu verdanken haben, Minna Cauer,<lb/> in Berlin die erste von bürgerlichen Frauen berufene öffentliche Volks-<lb/> versammlung ein, in der Lily v. Gyzicki sprach über „Die Bürgerpflicht<lb/> der Frau“. So schwere Kämpfe die an jenem Sonntagmorgen unter Bei-<lb/> fallsstürmen den Konzerthaussaal an der Leipzigerstraße überfüllen-<lb/> den Publikums von einer jungen begeisterten Rednerin erhobene For-<lb/> derung der vollen staatsbürgerlichen Gleichberechtigung der Frau ihr<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [159/0002]
Anfänge der Bewegung
Die Frauenstimmrechtsbewegung in Deutschland.
Von Anna Lindemann
Spät, viel später als die Frauen anderer uns nah verwandter Na-
tionen, haben sich die deutschen Frauen eine Organisation geschaffen zur
Erringung ihrer politischen Gleichberechtigung. Wohl hatte das Feuer
der 48er Jahre auch die Frauen nicht unberührt gelassen, wohl hatten
einige hervorragende unter ihnen mit klarem Blick schon damals die
gleichberechtigte Teilnahme der Frau am öffentlichen Leben ihres Volkes
als Vorbedingung einer gedeihlichen Entwickelung erkannt. Aber jahr-
zehntelang hätte es scheinen können, als sei das Wort von Luise Otto-
Peters: „Die politische Mitarbeit der Frauen ist nicht nur ein Recht,
sie ist eine Pflicht“ nur ein glänzendes Meteor gewesen, das ohne zu
zünden in der Nacht verschwunden war. Die immer wachsende Schar
von Frauen, in deren Herzen jene Überzeugung weiterlebte, in denen sie
durch die Arbeit für bessere Bildung, für wirtschaftliche und soziale
Hebung ihres Geschlechtes täglich neue Nahrung erhielt, stand in keiner
äußeren Verbindung miteinander. Einzeln oder in kleinen Gruppen
kämpften sie für ihre Jdee. Die Macht der Verhältnisse, besonders das
Vereinsrecht der beiden größten Bundesstaaten, schien eine Entwickelung
der deutschen Frauenbewegung in dieser Richtung unmöglich zu machen.
Einzelne bedeutende, auch nach außen hin wirksame Äußerungen hervor-
ragender Frauen wie Hedwig Dohms 1876 erschienene Schrift „Natur
und Recht der Frau“ vermochten anscheinend nichts gegen jene feindlichen
Mächte. Die junge Zeitschrift der Gräfin Guillaume-Schack „Die Staats-
bürgerin“ wurde 1886 wegen eines Artikels, der die politische Gleich-
berechtigung der Frauen forderte, polizeilich unterdrückt. Jnnerlich aber
wuchs die Überzeugung der Frauen an Kraft und Ausdehnung. An den
Debatten über den Entwurf zu einem Bürgerlichen Gesetzbuche erstarkte
sie. Schon im Januar 1893 wurde im Verein Frauenwohl-Berlin in
einem Vortrage „Die Geschichte des Frauenstimmrechts“ behandelt. Am
2. Dezember 1894 berief die Frau, deren Pionierarbeit auch auf diesem
Gebiete die deutschen Frauen so viel zu verdanken haben, Minna Cauer,
in Berlin die erste von bürgerlichen Frauen berufene öffentliche Volks-
versammlung ein, in der Lily v. Gyzicki sprach über „Die Bürgerpflicht
der Frau“. So schwere Kämpfe die an jenem Sonntagmorgen unter Bei-
fallsstürmen den Konzerthaussaal an der Leipzigerstraße überfüllen-
den Publikums von einer jungen begeisterten Rednerin erhobene For-
derung der vollen staatsbürgerlichen Gleichberechtigung der Frau ihr
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(2016-01-26T16:17:50Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
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