Lischnewska, Maria: Die deutsche Frauenstimmrechtsbewegung zwischen Krieg und Frieden. Berlin, 1915.Kämpfe nahmen ihren Anfang. Selbstverständlich waren auch Da nun in Rheinland und Westfalen, wie auch in Schlesien, Kämpfe nahmen ihren Anfang. Selbstverständlich waren auch Da nun in Rheinland und Westfalen, wie auch in Schlesien, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0025" n="25"/> Kämpfe nahmen ihren Anfang. Selbstverständlich waren auch<lb/> Frauen an der Spitze der Ortsvereine, die den Standpunkt der<lb/> Satzungen teilten. Jhnen kamen die Führerinnen nun zu Hilfe und<lb/> erklärten – vor allem Frau<persName ref="http://d-nb.info/gnd/118668838">Cauer</persName> – jeden Widerspruch gegen das<lb/> Grundrecht des deutschen Volkes für ein Verbrechen an der Nation.<lb/> Unter solchem Beistand schlug man die Opposition nieder, und die<lb/> Führerin kam erschöpft nach Berlin zurück und sagte: „Jch habe die<lb/> Ortsgruppe beruhigt. Sie sind wieder fest.‟ Nur leider dauerte<lb/> die Freude nicht lange, in vier Wochen brannte die Ortsgruppe<lb/> wieder lichterloh. Welche Zähigkeit die Frauen in solchen Rechts-<lb/> kämpfen beweisen, ist kaum zu glauben. Jn einer nordischen Hafen-<lb/> stadt tobte der Kampf jahrelang. Jede Partei verfaßte eine Denk-<lb/> schrift, Flugblätter, und Nächte lang dauerten die Auseinander-<lb/> setzungen. Um 2 Uhr in der Nacht gab die ermattete 1. Vorsitzende<lb/> die Leitung an ihre Stellvertreterin, und – der Kampf ging weiter.<lb/> Die Ehemänner spielten in dem allen auch eine Rolle. Sie waren<lb/> doch nicht alle im Linksliberalismus organisiert. Rechts- und Links-<lb/> liberale bekämpften sich am Orte, und nun wurde die Frau plötzlich<lb/> und ahnungslos zum Gegner ihres Mannes. Am härtesten erging<lb/> es den nationalliberalen Frauen. Sie hatten sich innerlich längst<lb/> entschieden oder waren tatsächlich politisch organisiert. Nun sollten<lb/> sie sich Montag in ihrer Parteiorganisation gegen das Reichstags-<lb/> wahlrecht für Preußen erklären, und Dienstag wurden sie im<lb/> Frauenstimmrechtsverein durch eine Resolution <hi rendition="#g">für</hi> diese Wahl-<lb/> reform festgelegt. Die große Gewissenhaftigkeit des politischen Neu-<lb/> lings kam hinzu und bereitete den Frauen innere Qualen.</p><lb/> <p>Da nun in Rheinland und Westfalen, wie auch in Schlesien,<lb/> die Kämpfe und der Widerspruch besonders scharf waren, kam es<lb/> hier zu <hi rendition="#g">Neugründungen</hi>, vollzogen von Frauen, die ihren<lb/> Ueberzeugungen gemäß die Politik des preußischen Landesvereins<lb/> nicht mitmachen konnten und doch entschlossen waren,<hi rendition="#g">für das<lb/> Frauenstimmrecht</hi> zu kämpfen. So entstand 1908 der<lb/> Frauenstimmrechtsverband für Ostdeutschland, 1909 der Frauen-<lb/> stimmrechtsverband für Westdeutschland, dem der „Norddeutsche‟<lb/> und der „Mitteldeutsche Verband für Frauenstimmrecht‟ (1914)<lb/> folgten. Diese Verbände sind heute in der <hi rendition="#g">„Deutschen Vereini-<lb/> gung für Frauenstimmrecht‟</hi> zusammengeschlossen. Jhre<lb/> Satzungen sind streng neutral, sie umfassen Frauen sehr ver-<lb/> schiedener Parteirichtung und haben sich sowohl agitatorisch als auch<lb/> praktisch – bei Unterstützung der Krankenkassenwahlen und der<lb/> Wahlen der Frauen zur Angestelltenversicherung – in immer<lb/>   </p> </div> </body> </text> </TEI> [25/0025]
Kämpfe nahmen ihren Anfang. Selbstverständlich waren auch
Frauen an der Spitze der Ortsvereine, die den Standpunkt der
Satzungen teilten. Jhnen kamen die Führerinnen nun zu Hilfe und
erklärten – vor allem FrauCauer – jeden Widerspruch gegen das
Grundrecht des deutschen Volkes für ein Verbrechen an der Nation.
Unter solchem Beistand schlug man die Opposition nieder, und die
Führerin kam erschöpft nach Berlin zurück und sagte: „Jch habe die
Ortsgruppe beruhigt. Sie sind wieder fest.‟ Nur leider dauerte
die Freude nicht lange, in vier Wochen brannte die Ortsgruppe
wieder lichterloh. Welche Zähigkeit die Frauen in solchen Rechts-
kämpfen beweisen, ist kaum zu glauben. Jn einer nordischen Hafen-
stadt tobte der Kampf jahrelang. Jede Partei verfaßte eine Denk-
schrift, Flugblätter, und Nächte lang dauerten die Auseinander-
setzungen. Um 2 Uhr in der Nacht gab die ermattete 1. Vorsitzende
die Leitung an ihre Stellvertreterin, und – der Kampf ging weiter.
Die Ehemänner spielten in dem allen auch eine Rolle. Sie waren
doch nicht alle im Linksliberalismus organisiert. Rechts- und Links-
liberale bekämpften sich am Orte, und nun wurde die Frau plötzlich
und ahnungslos zum Gegner ihres Mannes. Am härtesten erging
es den nationalliberalen Frauen. Sie hatten sich innerlich längst
entschieden oder waren tatsächlich politisch organisiert. Nun sollten
sie sich Montag in ihrer Parteiorganisation gegen das Reichstags-
wahlrecht für Preußen erklären, und Dienstag wurden sie im
Frauenstimmrechtsverein durch eine Resolution für diese Wahl-
reform festgelegt. Die große Gewissenhaftigkeit des politischen Neu-
lings kam hinzu und bereitete den Frauen innere Qualen.
Da nun in Rheinland und Westfalen, wie auch in Schlesien,
die Kämpfe und der Widerspruch besonders scharf waren, kam es
hier zu Neugründungen, vollzogen von Frauen, die ihren
Ueberzeugungen gemäß die Politik des preußischen Landesvereins
nicht mitmachen konnten und doch entschlossen waren,für das
Frauenstimmrecht zu kämpfen. So entstand 1908 der
Frauenstimmrechtsverband für Ostdeutschland, 1909 der Frauen-
stimmrechtsverband für Westdeutschland, dem der „Norddeutsche‟
und der „Mitteldeutsche Verband für Frauenstimmrecht‟ (1914)
folgten. Diese Verbände sind heute in der „Deutschen Vereini-
gung für Frauenstimmrecht‟ zusammengeschlossen. Jhre
Satzungen sind streng neutral, sie umfassen Frauen sehr ver-
schiedener Parteirichtung und haben sich sowohl agitatorisch als auch
praktisch – bei Unterstützung der Krankenkassenwahlen und der
Wahlen der Frauen zur Angestelltenversicherung – in immer
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(2015-05-11T12:53:44Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
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