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Lischnewska, Maria: Die deutsche Frauenstimmrechtsbewegung zwischen Krieg und Frieden. Berlin, 1915.

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Nun hatte bereits vor dieser Generalversammlung Frau
Nägeli, Hessischer Landesverein, aus Erbarmen über den ewigen
Hader in Preußen sich in den Kampf gemischt und Rückkehr zu
strenger Neutralität gefordert. Sie war es auch, die der immer
wachsenden Opposition den Namen "Reformpartei" gab. Anderer-
seits waren ebenfalls schon vor dieser Generalversammlung
einzelne preußische Stimmrechtlerinnen zu der Ueberzeugung ge-
kommen, daß man den vergiftenden Hader und die fortschreitende
Zerreißung dadurch mildern könne, daß die Frauen aller Partei-
richtungen in einem großen, ganz Deutschland umfassenden neu-
tralen Bunde zusammengefaßt würden. Sie hofften, daß ge-
meinsame Tagungen der beiden
nun vorhandenen Ver-
bände allmählich ein Gemeinsamkeitsbewußtsein aller
deutschen Stimmrechtlerinnen schaffen würden. Darum brachten
M. Lischnewska, Dr. Schirmacher, Schieker, Drenkhahn 1911 in
Hamburg folgenden Antrag ein:

Kompromiß-Antrag
zu den Abänderungs-Anträgen zu § 3.

Die Generalversammlung lehnt alle
Abänderungsanträge zu § 3 ab.
Sie wählt
eine Kommission von fünf Personen, die innerhalb dreier
Monate auf folgender Grundlage Vorschläge für einen
Bund deutscher Frauenstimmrechts-Ver-
bände
zu machen hat: Aufnahmefähig sind alle Ver-
bände, deren Hauptzweck die Erlangung des Frauen-
stimmrechts ist. Die Form dieser Forderung
bleibt jedem Verbande überlassen.
Der
Bund vertritt Deutschland im Weltbund für Frauen-
stimmrecht.

Der Antrag war als Dringlichkeitsantrag gestellt, da voraus-
zusehen war, daß nicht die geringste Beruhigung der Kämpfe ein-
treten werde. Er fand Zustimmung und scharfen Widerspruch.
Endlich wurde er als Material dem Vorstande übergeben, damit er
ihn in der nächsten Beiratssitzung zur Beratung stelle. Bedeutungs-
voll war, daß Vorstandsmitglieder der "Deutschen Vereinigung"
bei dieser Beratung anwesend waren und ihre Bereitwilligkeit zu
einem organisatorischen Zusammengehen aussprachen.

Auf dieser Tagung - Oktober 1911 - legten Dr. Augspurg
und Lyda Gustava Heymann ihr Amt im Vorstand nieder, trotzdem

Nun hatte bereits vor dieser Generalversammlung Frau
Nägeli, Hessischer Landesverein, aus Erbarmen über den ewigen
Hader in Preußen sich in den Kampf gemischt und Rückkehr zu
strenger Neutralität gefordert. Sie war es auch, die der immer
wachsenden Opposition den Namen „Reformpartei‟ gab. Anderer-
seits waren ebenfalls schon vor dieser Generalversammlung
einzelne preußische Stimmrechtlerinnen zu der Ueberzeugung ge-
kommen, daß man den vergiftenden Hader und die fortschreitende
Zerreißung dadurch mildern könne, daß die Frauen aller Partei-
richtungen in einem großen, ganz Deutschland umfassenden neu-
tralen Bunde zusammengefaßt würden. Sie hofften, daß ge-
meinsame Tagungen der beiden
nun vorhandenen Ver-
bände allmählich ein Gemeinsamkeitsbewußtsein aller
deutschen Stimmrechtlerinnen schaffen würden. Darum brachten
M. Lischnewska, Dr. Schirmacher, Schieker, Drenkhahn 1911 in
Hamburg folgenden Antrag ein:

Kompromiß-Antrag
zu den Abänderungs-Anträgen zu § 3.

Die Generalversammlung lehnt alle
Abänderungsanträge zu § 3 ab.
Sie wählt
eine Kommission von fünf Personen, die innerhalb dreier
Monate auf folgender Grundlage Vorschläge für einen
Bund deutscher Frauenstimmrechts-Ver-
bände
zu machen hat: Aufnahmefähig sind alle Ver-
bände, deren Hauptzweck die Erlangung des Frauen-
stimmrechts ist. Die Form dieser Forderung
bleibt jedem Verbande überlassen.
Der
Bund vertritt Deutschland im Weltbund für Frauen-
stimmrecht.

Der Antrag war als Dringlichkeitsantrag gestellt, da voraus-
zusehen war, daß nicht die geringste Beruhigung der Kämpfe ein-
treten werde. Er fand Zustimmung und scharfen Widerspruch.
Endlich wurde er als Material dem Vorstande übergeben, damit er
ihn in der nächsten Beiratssitzung zur Beratung stelle. Bedeutungs-
voll war, daß Vorstandsmitglieder der „Deutschen Vereinigung‟
bei dieser Beratung anwesend waren und ihre Bereitwilligkeit zu
einem organisatorischen Zusammengehen aussprachen.

Auf dieser Tagung – Oktober 1911 – legten Dr. Augspurg
und Lyda Gustava Heymann ihr Amt im Vorstand nieder, trotzdem

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[27/0027] Nun hatte bereits vor dieser Generalversammlung Frau Nägeli, Hessischer Landesverein, aus Erbarmen über den ewigen Hader in Preußen sich in den Kampf gemischt und Rückkehr zu strenger Neutralität gefordert. Sie war es auch, die der immer wachsenden Opposition den Namen „Reformpartei‟ gab. Anderer- seits waren ebenfalls schon vor dieser Generalversammlung einzelne preußische Stimmrechtlerinnen zu der Ueberzeugung ge- kommen, daß man den vergiftenden Hader und die fortschreitende Zerreißung dadurch mildern könne, daß die Frauen aller Partei- richtungen in einem großen, ganz Deutschland umfassenden neu- tralen Bunde zusammengefaßt würden. Sie hofften, daß ge- meinsame Tagungen der beiden nun vorhandenen Ver- bände allmählich ein Gemeinsamkeitsbewußtsein aller deutschen Stimmrechtlerinnen schaffen würden. Darum brachten M. Lischnewska, Dr. Schirmacher, Schieker, Drenkhahn 1911 in Hamburg folgenden Antrag ein: Kompromiß-Antrag zu den Abänderungs-Anträgen zu § 3. Die Generalversammlung lehnt alle Abänderungsanträge zu § 3 ab. Sie wählt eine Kommission von fünf Personen, die innerhalb dreier Monate auf folgender Grundlage Vorschläge für einen Bund deutscher Frauenstimmrechts-Ver- bände zu machen hat: Aufnahmefähig sind alle Ver- bände, deren Hauptzweck die Erlangung des Frauen- stimmrechts ist. Die Form dieser Forderung bleibt jedem Verbande überlassen. Der Bund vertritt Deutschland im Weltbund für Frauen- stimmrecht. Der Antrag war als Dringlichkeitsantrag gestellt, da voraus- zusehen war, daß nicht die geringste Beruhigung der Kämpfe ein- treten werde. Er fand Zustimmung und scharfen Widerspruch. Endlich wurde er als Material dem Vorstande übergeben, damit er ihn in der nächsten Beiratssitzung zur Beratung stelle. Bedeutungs- voll war, daß Vorstandsmitglieder der „Deutschen Vereinigung‟ bei dieser Beratung anwesend waren und ihre Bereitwilligkeit zu einem organisatorischen Zusammengehen aussprachen. Auf dieser Tagung – Oktober 1911 – legten Dr. Augspurg und Lyda Gustava Heymann ihr Amt im Vorstand nieder, trotzdem  

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Zitationshilfe: Lischnewska, Maria: Die deutsche Frauenstimmrechtsbewegung zwischen Krieg und Frieden. Berlin, 1915, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lischnewska_frauenstimmrechtsbewegung_1915/27>, abgerufen am 27.04.2024.