Lischnewska, Maria: Die deutsche Frauenstimmrechtsbewegung zwischen Krieg und Frieden. Berlin, 1915.brauchen, müßte ein Ausschuß von weiblichen Politikern, Dieser Ausschuß wäre natürlich überflüssig, wenn die Forde- Nun ist gewiß richtig, daß schon das aktive Wahlrecht der Zu diesem Zwecke scheint mir ein besonderes Frauen- Damit wäre nach zwei Seiten hin Großes erreicht. Zunächst brauchen, müßte ein Ausschuß von weiblichen Politikern, Dieser Ausschuß wäre natürlich überflüssig, wenn die Forde- Nun ist gewiß richtig, daß schon das aktive Wahlrecht der Zu diesem Zwecke scheint mir ein besonderes Frauen- Damit wäre nach zwei Seiten hin Großes erreicht. Zunächst <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0048" n="48"/><hi rendition="#g">brauchen</hi>, müßte ein <hi rendition="#g">Ausschuß</hi> von weiblichen Politikern,<lb/> Juristinnen und sozial arbeitenden Frauen eingesetzt werden.</p><lb/> <p>Dieser Ausschuß wäre natürlich überflüssig, wenn die Forde-<lb/> rung einfach hieße: „Ausdehnung des heutigen kommunalen Wahl-<lb/> rechtes auf die Frauen‟. Die Aufgabe dieses Ausschusses aber<lb/> müßte es meiner Ansicht nach sein, zu prüfen, ob den Jnteressen<lb/> der Frau auf <hi rendition="#g">diesem</hi> Wege wirklich <hi rendition="#g">am besten</hi> gedient ist, und<lb/> hier sollten die wenigen bereits in den Parteien der Männer ge-<lb/> schulten Frauen das Wort erhalten. Die Sache liegt nämlich so:<lb/> wenn das Wahlrecht der Männer einfach auf die Frauen übertragen<lb/> wird, so müssen männliche Stadtverordnete, und zwar: Zentrums-<lb/> leute, Liberale, Sozialdemokraten <hi rendition="#g">Platz machen</hi>. Nur <hi rendition="#g">an<lb/> ihrer Stelle</hi> kann die Frau einrücken. Wer nun weiß, wie<lb/> bei den Stadtverordnetenwahlen um <hi rendition="#g">jeden Mann</hi> gerungen<lb/> wird, um diese oder jene der Partei schädliche Konstellation zu ver-<lb/> meiden, der wird sehr zweifelhaft dieser Form der Rechts-<lb/> entwicklung der Frau gegenüberstehen. Zehn Jahre können wir<lb/> arbeiten, um 3 oder 4 Frauen selbst in <hi rendition="#g">großen</hi> Städten in die<lb/> Stadtverordneten-Versammlung zu bringen. Es ist doch aber jedes<lb/> Wahlrecht nicht Selbstzweck, sondern <hi rendition="#g">Mittel</hi> zur Erreichung<lb/> eines Kulturzweckes. <hi rendition="#g">Wie können wir unsere Kultur-<lb/> zwecke am besten erreichen?</hi> Das ist die große Frage.</p><lb/> <p>Nun ist gewiß richtig, daß schon das aktive Wahlrecht der<lb/> Frau Fortschritte bringen müßte, denn <hi rendition="#g">die Frauen als<lb/> Wähler</hi> würden den Männern eine stärkere Vertretung ihrer<lb/> Jnteressen aufnötigen. Jmmer und überall aber muß es das<lb/> Streben der Frau sein, die Vertretung ihrer Jnteressen <hi rendition="#g">selbst</hi> in<lb/> die Hand zu nehmen und die überkommene Vormundschaft abzu-<lb/> werfen. Weiter ist zu bedenken, daß, je <hi rendition="#g">direkter</hi> und <hi rendition="#g">selbst-<lb/> ständiger</hi> der Fraueneinfluß auf die Entwicklung der Stadt ist,<lb/> um so sicherer werden wir <hi rendition="#g">unsere Kulturideale</hi> ver-<lb/> wirklichen.</p><lb/> <p>Zu diesem Zwecke scheint mir ein <hi rendition="#g">besonderes Frauen-<lb/> wahlgesetz</hi> unerläßlich. Jch denke mir dieses Gesetz aufgebaut<lb/> auf der Bestimmung, daß die Stadtverordnetensitze in einem ganz<lb/> bestimmten mäßigen Prozentsatz <hi rendition="#g">vermehrt</hi> werden müssen.<lb/> Diese neu geschaffenen Sitze dürfen <hi rendition="#g">nur</hi> von <hi rendition="#g">Frauen</hi> besetzt<lb/> werden. <hi rendition="#g">Nur</hi> die <hi rendition="#g">Frauen</hi> üben das <hi rendition="#g">Wahlrecht</hi> für diese<lb/> Sitze <hi rendition="#g">aus</hi>.</p><lb/> <p>Damit wäre nach zwei Seiten hin Großes erreicht. Zunächst<lb/> bliebe das Frauenwahlrecht nicht auf Jahrzehnte hin ein nur<lb/>   </p> </div> </body> </text> </TEI> [48/0048]
brauchen, müßte ein Ausschuß von weiblichen Politikern,
Juristinnen und sozial arbeitenden Frauen eingesetzt werden.
Dieser Ausschuß wäre natürlich überflüssig, wenn die Forde-
rung einfach hieße: „Ausdehnung des heutigen kommunalen Wahl-
rechtes auf die Frauen‟. Die Aufgabe dieses Ausschusses aber
müßte es meiner Ansicht nach sein, zu prüfen, ob den Jnteressen
der Frau auf diesem Wege wirklich am besten gedient ist, und
hier sollten die wenigen bereits in den Parteien der Männer ge-
schulten Frauen das Wort erhalten. Die Sache liegt nämlich so:
wenn das Wahlrecht der Männer einfach auf die Frauen übertragen
wird, so müssen männliche Stadtverordnete, und zwar: Zentrums-
leute, Liberale, Sozialdemokraten Platz machen. Nur an
ihrer Stelle kann die Frau einrücken. Wer nun weiß, wie
bei den Stadtverordnetenwahlen um jeden Mann gerungen
wird, um diese oder jene der Partei schädliche Konstellation zu ver-
meiden, der wird sehr zweifelhaft dieser Form der Rechts-
entwicklung der Frau gegenüberstehen. Zehn Jahre können wir
arbeiten, um 3 oder 4 Frauen selbst in großen Städten in die
Stadtverordneten-Versammlung zu bringen. Es ist doch aber jedes
Wahlrecht nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur Erreichung
eines Kulturzweckes. Wie können wir unsere Kultur-
zwecke am besten erreichen? Das ist die große Frage.
Nun ist gewiß richtig, daß schon das aktive Wahlrecht der
Frau Fortschritte bringen müßte, denn die Frauen als
Wähler würden den Männern eine stärkere Vertretung ihrer
Jnteressen aufnötigen. Jmmer und überall aber muß es das
Streben der Frau sein, die Vertretung ihrer Jnteressen selbst in
die Hand zu nehmen und die überkommene Vormundschaft abzu-
werfen. Weiter ist zu bedenken, daß, je direkter und selbst-
ständiger der Fraueneinfluß auf die Entwicklung der Stadt ist,
um so sicherer werden wir unsere Kulturideale ver-
wirklichen.
Zu diesem Zwecke scheint mir ein besonderes Frauen-
wahlgesetz unerläßlich. Jch denke mir dieses Gesetz aufgebaut
auf der Bestimmung, daß die Stadtverordnetensitze in einem ganz
bestimmten mäßigen Prozentsatz vermehrt werden müssen.
Diese neu geschaffenen Sitze dürfen nur von Frauen besetzt
werden. Nur die Frauen üben das Wahlrecht für diese
Sitze aus.
Damit wäre nach zwei Seiten hin Großes erreicht. Zunächst
bliebe das Frauenwahlrecht nicht auf Jahrzehnte hin ein nur
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(2015-05-11T12:53:44Z)
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