Mißfallen darüber an den Tag legen, diesem Unwesen zu steuren nicht vermögend sind; ja noch dazu, wegen der Mäßigkeit im Wissen, der wir uns befleißigen, vor einfältige, ungelehrte Leute gehalten, und als elen- de und armselige Scribenten, wie man uns gar ver- ächtlich nennet, fast von jederman ausgezischet wer- den. O tempora! o mores! Man gehet mit uns um, daß es zu bejammern ist, und ich selbst habe es mehr als einmahl erfahren, daß alle Bemühung, den Beyfall unserer leckern Gelehrten zu erhalten, vergeb- lich sey.
Ob man mir demnach gleich rahten wollen, der hie- sigen Königlichen Societät der Wissenschafften von meinen Entdeckungen Nachricht zu geben, und meine Gedancken über die gefrorne Fenster-Scheibe dem Urtheil derselben zu unterwerffen: So habe ich doch Bedencken getragen, diesem Raht zu folgen. Was kan ich von einer Gesellschafft hoffen, deren Glieder mit allen Gelehrten meiner Art fast in offenbarem Kriege leben, und vor unsern herrlichen Schrifften ei- nen fast unüberwindlichen Eckel bezeugen?
Ein Gelehrter, der einen Brief, als derjenige ist, den ich die Ehre habe an Sie zu schreiben, an eine ge- lehrte Gesellschafft richtet, erwecket bey dem Leser den Verdacht, daß er einen Platz in derselben suche, und wenn er dieser Ehre nicht gewürdiget wird, ein allge- meines Gelächter. Jch mag nicht, daß man mich aus- lache: und daß mich unsere Societät der Wissen- schafften, meiner gefrornen Fenster-Scheibe wegen, in die Zahl ihrer Glieder aufnehmen werde, kan ich oh- ne Thorheit nicht hoffen.
Jch begehre es auch nicht. Denn wer will mir gut
davor
(o)
Mißfallen daruͤber an den Tag legen, dieſem Unweſen zu ſteuren nicht vermoͤgend ſind; ja noch dazu, wegen der Maͤßigkeit im Wiſſen, der wir uns befleißigen, vor einfaͤltige, ungelehrte Leute gehalten, und als elen- de und armſelige Scribenten, wie man uns gar ver- aͤchtlich nennet, faſt von jederman ausgeziſchet wer- den. O tempora! o mores! Man gehet mit uns um, daß es zu bejammern iſt, und ich ſelbſt habe es mehr als einmahl erfahren, daß alle Bemuͤhung, den Beyfall unſerer leckern Gelehrten zu erhalten, vergeb- lich ſey.
Ob man mir demnach gleich rahten wollen, der hie- ſigen Koͤniglichen Societaͤt der Wiſſenſchafften von meinen Entdeckungen Nachricht zu geben, und meine Gedancken uͤber die gefrorne Fenſter-Scheibe dem Urtheil derſelben zu unterwerffen: So habe ich doch Bedencken getragen, dieſem Raht zu folgen. Was kan ich von einer Geſellſchafft hoffen, deren Glieder mit allen Gelehrten meiner Art faſt in offenbarem Kriege leben, und vor unſern herrlichen Schrifften ei- nen faſt unuͤberwindlichen Eckel bezeugen?
Ein Gelehrter, der einen Brief, als derjenige iſt, den ich die Ehre habe an Sie zu ſchreiben, an eine ge- lehrte Geſellſchafft richtet, erwecket bey dem Leſer den Verdacht, daß er einen Platz in derſelben ſuche, und wenn er dieſer Ehre nicht gewuͤrdiget wird, ein allge- meines Gelaͤchter. Jch mag nicht, daß man mich aus- lache: und daß mich unſere Societaͤt der Wiſſen- ſchafften, meiner gefrornen Fenſter-Scheibe wegen, in die Zahl ihrer Glieder aufnehmen werde, kan ich oh- ne Thorheit nicht hoffen.
Jch begehre es auch nicht. Denn wer will mir gut
davor
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(o)
Mißfallen daruͤber an den Tag legen, dieſem Unweſen
zu ſteuren nicht vermoͤgend ſind; ja noch dazu, wegen
der Maͤßigkeit im Wiſſen, der wir uns befleißigen,
vor einfaͤltige, ungelehrte Leute gehalten, und als elen-
de und armſelige Scribenten, wie man uns gar ver-
aͤchtlich nennet, faſt von jederman ausgeziſchet wer-
den. O tempora! o mores! Man gehet mit uns
um, daß es zu bejammern iſt, und ich ſelbſt habe es
mehr als einmahl erfahren, daß alle Bemuͤhung, den
Beyfall unſerer leckern Gelehrten zu erhalten, vergeb-
lich ſey.
Ob man mir demnach gleich rahten wollen, der hie-
ſigen Koͤniglichen Societaͤt der Wiſſenſchafften von
meinen Entdeckungen Nachricht zu geben, und meine
Gedancken uͤber die gefrorne Fenſter-Scheibe dem
Urtheil derſelben zu unterwerffen: So habe ich doch
Bedencken getragen, dieſem Raht zu folgen. Was
kan ich von einer Geſellſchafft hoffen, deren Glieder
mit allen Gelehrten meiner Art faſt in offenbarem
Kriege leben, und vor unſern herrlichen Schrifften ei-
nen faſt unuͤberwindlichen Eckel bezeugen?
Ein Gelehrter, der einen Brief, als derjenige iſt,
den ich die Ehre habe an Sie zu ſchreiben, an eine ge-
lehrte Geſellſchafft richtet, erwecket bey dem Leſer den
Verdacht, daß er einen Platz in derſelben ſuche, und
wenn er dieſer Ehre nicht gewuͤrdiget wird, ein allge-
meines Gelaͤchter. Jch mag nicht, daß man mich aus-
lache: und daß mich unſere Societaͤt der Wiſſen-
ſchafften, meiner gefrornen Fenſter-Scheibe wegen,
in die Zahl ihrer Glieder aufnehmen werde, kan ich oh-
ne Thorheit nicht hoffen.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/168>, abgerufen am 24.11.2024.
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