Jch wolte nicht um wie viel, daß von dem Herrn Prof. Philippi dieser vortrefliche Handgrif nicht er- funden wäre. Hätte ich von ihm nicht gelernet, wie man Feuer aus den Augen der Zuhörer fassen müste, was könte ich wohl machen? Aber so bin ich aller meiner Sorge entlediget. Jch fas- se das Feuer aus dero Augen, und spreche:
Säh' also Jhre Huld mich ietzt aufsschärfste an, So könnt wohl Dero Glut auch in mir Glut erwecken. Wie oft wird das entzündt, das selbst nicht brennen kan, So kan ihr Feuer auch ietzt meinen Geist anstecken.11)
Ob also gleich Ehrfurcht und Ohnmacht mir billig ein Stillschweigen auflegen solten, so lasse ich doch den Muth nicht sincken; sondern da Dero, aus un- verdienter Gütigkeit, auf mich unverwandt gerich- tete Augen, hoch wehrteste Anwesende! mir be- fehlen, daß ich in meiner Rede noch nicht aufhören, sondern fortfahren solle; Zumahl in den Gesetzen un- serer Versammlung versehen, daß wir bey dergleichen Begebenheiten lieber das Hertz, als die Kunst, das Wort führen lassen wollen: So gehorche denn, und sehe zugleich in voraus, daß, wo ich reden soll, als es mir wahrhaftig ums Hertze ist, ich eher einen An- fang, als Ende meiner auszudrückenden Bewegun- gen, werde antreffen können12). Wie vermögte ich
auch
11) S. das Heldengedicht p. 5.
12) S. die sechs deutschen Reden p. 21. sq.
(o)
Jch wolte nicht um wie viel, daß von dem Herrn Prof. Philippi dieſer vortrefliche Handgrif nicht er- funden waͤre. Haͤtte ich von ihm nicht gelernet, wie man Feuer aus den Augen der Zuhoͤrer faſſen muͤſte, was koͤnte ich wohl machen? Aber ſo bin ich aller meiner Sorge entlediget. Jch faſ- ſe das Feuer aus dero Augen, und ſpreche:
Saͤh’ alſo Jhre Huld mich ietzt aufsſchaͤrfſte an, So koͤnnt wohl Dero Glut auch in mir Glut erwecken. Wie oft wird das entzuͤndt, das ſelbſt nicht brennen kan, So kan ihr Feuer auch ietzt meinen Geiſt anſtecken.11)
Ob alſo gleich Ehrfurcht und Ohnmacht mir billig ein Stillſchweigen auflegen ſolten, ſo laſſe ich doch den Muth nicht ſincken; ſondern da Dero, aus un- verdienter Guͤtigkeit, auf mich unverwandt gerich- tete Augen, hoch wehrteſte Anweſende! mir be- fehlen, daß ich in meiner Rede noch nicht aufhoͤren, ſondern fortfahren ſolle; Zumahl in den Geſetzen un- ſerer Verſammlung verſehen, daß wir bey dergleichen Begebenheiten lieber das Hertz, als die Kunſt, das Wort fuͤhren laſſen wollen: So gehorche denn, und ſehe zugleich in voraus, daß, wo ich reden ſoll, als es mir wahrhaftig ums Hertze iſt, ich eher einen An- fang, als Ende meiner auszudruͤckenden Bewegun- gen, werde antreffen koͤnnen12). Wie vermoͤgte ich
auch
11) S. das Heldengedicht p. 5.
12) S. die ſechs deutſchen Reden p. 21. ſq.
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(o)
Jch wolte nicht um wie viel, daß von dem Herrn
Prof. Philippi dieſer vortrefliche Handgrif nicht er-
funden waͤre. Haͤtte ich von ihm nicht gelernet,
wie man Feuer aus den Augen der Zuhoͤrer
faſſen muͤſte, was koͤnte ich wohl machen? Aber
ſo bin ich aller meiner Sorge entlediget. Jch faſ-
ſe das Feuer aus dero Augen, und ſpreche:
Saͤh’ alſo Jhre Huld mich ietzt aufsſchaͤrfſte an,
So koͤnnt wohl Dero Glut auch in mir
Glut erwecken.
Wie oft wird das entzuͤndt, das ſelbſt
nicht brennen kan,
So kan ihr Feuer auch ietzt meinen Geiſt
anſtecken. 11)
Ob alſo gleich Ehrfurcht und Ohnmacht mir billig
ein Stillſchweigen auflegen ſolten, ſo laſſe ich doch
den Muth nicht ſincken; ſondern da Dero, aus un-
verdienter Guͤtigkeit, auf mich unverwandt gerich-
tete Augen, hoch wehrteſte Anweſende! mir be-
fehlen, daß ich in meiner Rede noch nicht aufhoͤren,
ſondern fortfahren ſolle; Zumahl in den Geſetzen un-
ſerer Verſammlung verſehen, daß wir bey dergleichen
Begebenheiten lieber das Hertz, als die Kunſt, das
Wort fuͤhren laſſen wollen: So gehorche denn, und
ſehe zugleich in voraus, daß, wo ich reden ſoll, als
es mir wahrhaftig ums Hertze iſt, ich eher einen An-
fang, als Ende meiner auszudruͤckenden Bewegun-
gen, werde antreffen koͤnnen 12). Wie vermoͤgte ich
auch
11) S. das Heldengedicht p. 5.
12) S. die ſechs deutſchen Reden p. 21. ſq.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/236>, abgerufen am 23.11.2024.
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