Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
ren, sparen Sie diese edle Feuchtigkeit noch einen
Augenblick. Jch rathe es Jhnen: Denn wenn
Sie sich jetzo müde weinen, was wollen Sie denn
thun, wenn ich Jhnen den Herrn Prof. Philip-
pi in der beweglichsten Stellung zeige, wie Er, zum
Beschluß seiner Gedächtniß-Rede, auf der Erden
liegend, mit gebogenen Knien, ausgebreiteten Ar-
men, und kindlich zu GOTT erhabenen Augen, so
kräftig betet, daß seine Zuhörer alle vor Freuden,
wie die Kinder, weinen müssen27)? Jch verden-
cke es Jhnen nicht, Meine Herren, wenn Jhnen
bey einem so unvermutheten Anblick die Augen über-
gehen. Ein so ausserordentliches Bezeigen eines
Redners, von dem man gantz was anders, als aus
der Offenbahrung Johannis entlehnte Seufzer ver-
muthet hätte, verdienet die heissesten Zähren. Der
Herr Prof. Philippi ist der erste, der sich die Frey-
heit genommen, eine weltliche Rede auf eine so prie-
sterliche und erbauliche Art zu schliessen. Er verdie-
net dahero, daß man seine GOttes-Furcht lobet,
und seinen Heldenmuth bewundert. Die Welt,
Meine Herren, liegt so gar im Argen, daß ihr al-
les, was den geringsten Schein der Gottseeligkeit
hat, lächerlich und thörigt vorkömmt. Man kan
also nicht anders, als über die heilige Hertzhaftigkeit
des Herrn Philippi erstaunen, der sich nicht gescheuet
hat, durch seine andächtige Gebärden der bösen
Welt zu trotzen. Er hat wohl vorher gesehen, daß
sein Verfahren, ausser der gottseligen Versammlung,
in welcher Er seine Rede gehalten hat, wenig Bey-

fall
27) S. die sechs deutschen Reden p. 44. 45.

(o)
ren, ſparen Sie dieſe edle Feuchtigkeit noch einen
Augenblick. Jch rathe es Jhnen: Denn wenn
Sie ſich jetzo muͤde weinen, was wollen Sie denn
thun, wenn ich Jhnen den Herrn Prof. Philip-
pi in der beweglichſten Stellung zeige, wie Er, zum
Beſchluß ſeiner Gedaͤchtniß-Rede, auf der Erden
liegend, mit gebogenen Knien, ausgebreiteten Ar-
men, und kindlich zu GOTT erhabenen Augen, ſo
kraͤftig betet, daß ſeine Zuhoͤrer alle vor Freuden,
wie die Kinder, weinen muͤſſen27)? Jch verden-
cke es Jhnen nicht, Meine Herren, wenn Jhnen
bey einem ſo unvermutheten Anblick die Augen uͤber-
gehen. Ein ſo auſſerordentliches Bezeigen eines
Redners, von dem man gantz was anders, als aus
der Offenbahrung Johannis entlehnte Seufzer ver-
muthet haͤtte, verdienet die heiſſeſten Zaͤhren. Der
Herr Prof. Philippi iſt der erſte, der ſich die Frey-
heit genommen, eine weltliche Rede auf eine ſo prie-
ſterliche und erbauliche Art zu ſchlieſſen. Er verdie-
net dahero, daß man ſeine GOttes-Furcht lobet,
und ſeinen Heldenmuth bewundert. Die Welt,
Meine Herren, liegt ſo gar im Argen, daß ihr al-
les, was den geringſten Schein der Gottſeeligkeit
hat, laͤcherlich und thoͤrigt vorkoͤmmt. Man kan
alſo nicht anders, als uͤber die heilige Hertzhaftigkeit
des Herrn Philippi erſtaunen, der ſich nicht geſcheuet
hat, durch ſeine andaͤchtige Gebaͤrden der boͤſen
Welt zu trotzen. Er hat wohl vorher geſehen, daß
ſein Verfahren, auſſer der gottſeligen Verſammlung,
in welcher Er ſeine Rede gehalten hat, wenig Bey-

fall
27) S. die ſechs deutſchen Reden p. 44. 45.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0256" n="164"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
ren, &#x017F;paren Sie die&#x017F;e edle Feuchtigkeit noch einen<lb/>
Augenblick. Jch rathe es Jhnen: Denn wenn<lb/>
Sie &#x017F;ich jetzo mu&#x0364;de weinen, was wollen Sie denn<lb/>
thun, wenn ich Jhnen den Herrn Prof. Philip-<lb/>
pi in der beweglich&#x017F;ten Stellung zeige, wie Er, zum<lb/>
Be&#x017F;chluß &#x017F;einer Geda&#x0364;chtniß-Rede, auf der Erden<lb/>
liegend, mit gebogenen Knien, ausgebreiteten Ar-<lb/>
men, und kindlich zu GOTT erhabenen Augen, &#x017F;o<lb/>
kra&#x0364;ftig betet, daß &#x017F;eine Zuho&#x0364;rer alle vor Freuden,<lb/>
wie die Kinder, weinen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<note place="foot" n="27)">S. die &#x017F;echs deut&#x017F;chen Reden <hi rendition="#aq">p.</hi> 44. 45.</note>? Jch verden-<lb/>
cke es Jhnen nicht, Meine Herren, wenn Jhnen<lb/>
bey einem &#x017F;o unvermutheten Anblick die Augen u&#x0364;ber-<lb/>
gehen. Ein &#x017F;o au&#x017F;&#x017F;erordentliches Bezeigen eines<lb/>
Redners, von dem man gantz was anders, als aus<lb/>
der Offenbahrung Johannis entlehnte Seufzer ver-<lb/>
muthet ha&#x0364;tte, verdienet die hei&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten Za&#x0364;hren. Der<lb/>
Herr Prof. Philippi i&#x017F;t der er&#x017F;te, der &#x017F;ich die Frey-<lb/>
heit genommen, eine weltliche Rede auf eine &#x017F;o prie-<lb/>
&#x017F;terliche und erbauliche Art zu &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en. Er verdie-<lb/>
net dahero, daß man &#x017F;eine GOttes-Furcht lobet,<lb/>
und &#x017F;einen Heldenmuth bewundert. Die Welt,<lb/>
Meine Herren, liegt &#x017F;o gar im Argen, daß ihr al-<lb/>
les, was den gering&#x017F;ten Schein der Gott&#x017F;eeligkeit<lb/>
hat, la&#x0364;cherlich und tho&#x0364;rigt vorko&#x0364;mmt. Man kan<lb/>
al&#x017F;o nicht anders, als u&#x0364;ber die heilige Hertzhaftigkeit<lb/>
des Herrn Philippi er&#x017F;taunen, der &#x017F;ich nicht ge&#x017F;cheuet<lb/>
hat, durch &#x017F;eine anda&#x0364;chtige Geba&#x0364;rden der bo&#x0364;&#x017F;en<lb/>
Welt zu trotzen. Er hat wohl vorher ge&#x017F;ehen, daß<lb/>
&#x017F;ein Verfahren, au&#x017F;&#x017F;er der gott&#x017F;eligen Ver&#x017F;ammlung,<lb/>
in welcher Er &#x017F;eine Rede gehalten hat, wenig Bey-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fall</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0256] (o) ren, ſparen Sie dieſe edle Feuchtigkeit noch einen Augenblick. Jch rathe es Jhnen: Denn wenn Sie ſich jetzo muͤde weinen, was wollen Sie denn thun, wenn ich Jhnen den Herrn Prof. Philip- pi in der beweglichſten Stellung zeige, wie Er, zum Beſchluß ſeiner Gedaͤchtniß-Rede, auf der Erden liegend, mit gebogenen Knien, ausgebreiteten Ar- men, und kindlich zu GOTT erhabenen Augen, ſo kraͤftig betet, daß ſeine Zuhoͤrer alle vor Freuden, wie die Kinder, weinen muͤſſen 27)? Jch verden- cke es Jhnen nicht, Meine Herren, wenn Jhnen bey einem ſo unvermutheten Anblick die Augen uͤber- gehen. Ein ſo auſſerordentliches Bezeigen eines Redners, von dem man gantz was anders, als aus der Offenbahrung Johannis entlehnte Seufzer ver- muthet haͤtte, verdienet die heiſſeſten Zaͤhren. Der Herr Prof. Philippi iſt der erſte, der ſich die Frey- heit genommen, eine weltliche Rede auf eine ſo prie- ſterliche und erbauliche Art zu ſchlieſſen. Er verdie- net dahero, daß man ſeine GOttes-Furcht lobet, und ſeinen Heldenmuth bewundert. Die Welt, Meine Herren, liegt ſo gar im Argen, daß ihr al- les, was den geringſten Schein der Gottſeeligkeit hat, laͤcherlich und thoͤrigt vorkoͤmmt. Man kan alſo nicht anders, als uͤber die heilige Hertzhaftigkeit des Herrn Philippi erſtaunen, der ſich nicht geſcheuet hat, durch ſeine andaͤchtige Gebaͤrden der boͤſen Welt zu trotzen. Er hat wohl vorher geſehen, daß ſein Verfahren, auſſer der gottſeligen Verſammlung, in welcher Er ſeine Rede gehalten hat, wenig Bey- fall 27) S. die ſechs deutſchen Reden p. 44. 45.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/256
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/256>, abgerufen am 18.12.2024.