Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
tigkeit zu beobachten, von dem sagt man, daß
er nicht grund böse ist. Dieses Urtheil würcket
nur den untersten Grad der Ehre, der in nichts,
als einem Mangel der Schande bestehet, und
eigentlich der ehrliche Nahme genennet
werden kan. Wer aber weiter gehet, und
nicht nur die Regeln der Gerechtigkeit beob-
achtet, und sich vor Thaten hütet, die äusserst
böse sind, sondern noch darüber auch die Re-
geln des Wohlstandes und der innerlichen Tu-
gend nicht überschreitet, und durch tugend-
hafte, und löbliche Verrichtungen andern ei-
nen vortheilhaften Begrif von sich beybrin-
get, der erlanget dasjenige Lob, welches die
eigentliche Ehre ausmachet.

Wodurch
sie ver-
schertzet
werde?

Den ehrlichen Nahmen verliehrt man durch
äusserst böse, und wieder die Gerechtigkeit lauf-
fende Thaten, mit einem Worte, durch straf-
bare Verbrechen. Dasjenige Lob hergegen
worinn die eigentliche Ehre bestehet, wird durch
Laster, die nicht bestrafet werden, und durch
allerhand menschliche Fehler und Schwach-
heiten verschertzet. Wer demnach einen an-
dern strafbarer Verbrechen beschuldiget, oder
ihm solche Titel beyleget, die überhaupt einen
grundbösen und unehrlichen Menschen aus-
drücken, der greift dessen ehrlichen Nahmen an.

Ob man ei-
nen an sei-
nem ehrli-
chen Nah-
men an-
greifen
dürfe, und

Die Frage ist: Ob dieses erlaubt sey? Man
muß darauf mit Unterscheid antworten. Da
dem gemeinen Wesen daran gelegen, daß das
Böse nicht ungestraft bleibe, so ist es nicht ver-
boten, einen, der ein Verbrechen begangen

hat,

(o)
tigkeit zu beobachten, von dem ſagt man, daß
er nicht grund boͤſe iſt. Dieſes Urtheil wuͤrcket
nur den unterſten Grad der Ehre, der in nichts,
als einem Mangel der Schande beſtehet, und
eigentlich der ehrliche Nahme genennet
werden kan. Wer aber weiter gehet, und
nicht nur die Regeln der Gerechtigkeit beob-
achtet, und ſich vor Thaten huͤtet, die aͤuſſerſt
boͤſe ſind, ſondern noch daruͤber auch die Re-
geln des Wohlſtandes und der innerlichen Tu-
gend nicht uͤberſchreitet, und durch tugend-
hafte, und loͤbliche Verrichtungen andern ei-
nen vortheilhaften Begrif von ſich beybrin-
get, der erlanget dasjenige Lob, welches die
eigentliche Ehre ausmachet.

Wodurch
ſie ver-
ſchertzet
werde?

Den ehrlichen Nahmen verliehrt man durch
aͤuſſerſt boͤſe, und wieder die Gerechtigkeit lauf-
fende Thaten, mit einem Worte, durch ſtraf-
bare Verbrechen. Dasjenige Lob hergegen
worinn die eigentliche Ehre beſtehet, wird durch
Laſter, die nicht beſtrafet werden, und durch
allerhand menſchliche Fehler und Schwach-
heiten verſchertzet. Wer demnach einen an-
dern ſtrafbarer Verbrechen beſchuldiget, oder
ihm ſolche Titel beyleget, die uͤberhaupt einen
grundboͤſen und unehrlichen Menſchen aus-
druͤcken, der greift deſſen ehrlichen Nahmen an.

Ob man ei-
nen an ſei-
nem ehrli-
chen Nah-
men an-
greifen
duͤrfe, und

Die Frage iſt: Ob dieſes erlaubt ſey? Man
muß darauf mit Unterſcheid antworten. Da
dem gemeinen Weſen daran gelegen, daß das
Boͤſe nicht ungeſtraft bleibe, ſo iſt es nicht ver-
boten, einen, der ein Verbrechen begangen

hat,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0338" n="246"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
tigkeit zu beobachten, von dem &#x017F;agt man, daß<lb/>
er nicht grund bo&#x0364;&#x017F;e i&#x017F;t. Die&#x017F;es Urtheil wu&#x0364;rcket<lb/>
nur den unter&#x017F;ten Grad der Ehre, der in nichts,<lb/>
als einem Mangel der Schande be&#x017F;tehet, und<lb/>
eigentlich der <hi rendition="#fr">ehrliche Nahme</hi> genennet<lb/>
werden kan. Wer aber weiter gehet, und<lb/>
nicht nur die Regeln der Gerechtigkeit beob-<lb/>
achtet, und &#x017F;ich vor Thaten hu&#x0364;tet, die a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;t<lb/>
bo&#x0364;&#x017F;e &#x017F;ind, &#x017F;ondern noch daru&#x0364;ber auch die Re-<lb/>
geln des Wohl&#x017F;tandes und der innerlichen Tu-<lb/>
gend nicht u&#x0364;ber&#x017F;chreitet, und durch tugend-<lb/>
hafte, und lo&#x0364;bliche Verrichtungen andern ei-<lb/>
nen vortheilhaften Begrif von &#x017F;ich beybrin-<lb/>
get, der erlanget dasjenige Lob, welches die<lb/>
eigentliche <hi rendition="#fr">Ehre</hi> ausmachet.</p><lb/>
        <note place="left">Wodurch<lb/>
&#x017F;ie ver-<lb/>
&#x017F;chertzet<lb/>
werde?</note>
        <p>Den ehrlichen Nahmen verliehrt man durch<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;t bo&#x0364;&#x017F;e, und wieder die Gerechtigkeit lauf-<lb/>
fende Thaten, mit einem Worte, durch &#x017F;traf-<lb/>
bare Verbrechen. Dasjenige Lob hergegen<lb/>
worinn die eigentliche Ehre be&#x017F;tehet, wird durch<lb/>
La&#x017F;ter, die nicht be&#x017F;trafet werden, und durch<lb/>
allerhand men&#x017F;chliche Fehler und Schwach-<lb/>
heiten ver&#x017F;chertzet. Wer demnach einen an-<lb/>
dern &#x017F;trafbarer Verbrechen be&#x017F;chuldiget, oder<lb/>
ihm &#x017F;olche Titel beyleget, die u&#x0364;berhaupt einen<lb/>
grundbo&#x0364;&#x017F;en und unehrlichen Men&#x017F;chen aus-<lb/>
dru&#x0364;cken, der greift de&#x017F;&#x017F;en ehrlichen Nahmen an.</p><lb/>
        <note place="left">Ob man ei-<lb/>
nen an &#x017F;ei-<lb/>
nem ehrli-<lb/>
chen Nah-<lb/>
men an-<lb/>
greifen<lb/>
du&#x0364;rfe, und</note>
        <p>Die Frage i&#x017F;t: Ob die&#x017F;es erlaubt &#x017F;ey? Man<lb/>
muß darauf mit Unter&#x017F;cheid antworten. Da<lb/>
dem gemeinen We&#x017F;en daran gelegen, daß das<lb/>
Bo&#x0364;&#x017F;e nicht unge&#x017F;traft bleibe, &#x017F;o i&#x017F;t es nicht ver-<lb/>
boten, einen, der ein Verbrechen begangen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hat,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0338] (o) tigkeit zu beobachten, von dem ſagt man, daß er nicht grund boͤſe iſt. Dieſes Urtheil wuͤrcket nur den unterſten Grad der Ehre, der in nichts, als einem Mangel der Schande beſtehet, und eigentlich der ehrliche Nahme genennet werden kan. Wer aber weiter gehet, und nicht nur die Regeln der Gerechtigkeit beob- achtet, und ſich vor Thaten huͤtet, die aͤuſſerſt boͤſe ſind, ſondern noch daruͤber auch die Re- geln des Wohlſtandes und der innerlichen Tu- gend nicht uͤberſchreitet, und durch tugend- hafte, und loͤbliche Verrichtungen andern ei- nen vortheilhaften Begrif von ſich beybrin- get, der erlanget dasjenige Lob, welches die eigentliche Ehre ausmachet. Den ehrlichen Nahmen verliehrt man durch aͤuſſerſt boͤſe, und wieder die Gerechtigkeit lauf- fende Thaten, mit einem Worte, durch ſtraf- bare Verbrechen. Dasjenige Lob hergegen worinn die eigentliche Ehre beſtehet, wird durch Laſter, die nicht beſtrafet werden, und durch allerhand menſchliche Fehler und Schwach- heiten verſchertzet. Wer demnach einen an- dern ſtrafbarer Verbrechen beſchuldiget, oder ihm ſolche Titel beyleget, die uͤberhaupt einen grundboͤſen und unehrlichen Menſchen aus- druͤcken, der greift deſſen ehrlichen Nahmen an. Die Frage iſt: Ob dieſes erlaubt ſey? Man muß darauf mit Unterſcheid antworten. Da dem gemeinen Weſen daran gelegen, daß das Boͤſe nicht ungeſtraft bleibe, ſo iſt es nicht ver- boten, einen, der ein Verbrechen begangen hat,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/338
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/338>, abgerufen am 01.11.2024.