nicht straf- bar, kan man spot- ten.Ehebruchs und anderer Verbrechen zu beschul- digen, so erlaubt ist es, ihm solche Fehler bey- zumessen, die nicht bestrafet werden, und sei- nen ehrlichen Nahmen nicht beschmitzen. Jch kan also von einem Menschen sagen, daß er hochmüthig, geitzig, argwöhnisch, eigensin- nig, lecker in Essen und Trincken, furchtsam, verwegen, ein Verschwender, ein Müssig- gänger und Säufer sey, ohne daß er mich darum verklagen könnte. Jch habe dieses gleichfals nicht zu besorgen, wenn ich über sei- ne Auführung in Gesellschaften spotte. Wer will mir z. E. wehren, über einen geschosse- nen Seladon zu lachen, der mit seiner Clarimenea l' Hombrespielet, und alle- mahl, wann er die Charten giebt, seine Schöne mit verschmachtenden Augen ansiehet, und die Charten, die sie haben soll, aufs zärtlichste küsset? Eine wunderli- che Tracht, ein närrischer Gang, eine ungereim- te und verdrießliche Art zu complimentiren und dergleichen Fehler geben mir gleiches Recht, und überhaupt alle Schwachheiten, die ich je- tzo genennet habe, samt noch vielen andern, die mir nicht beyfallen, können ohne Verletzung des ehrlichen Nahmens derer, die zu ihrem Un- glück damit behaftet sind, lächerlich gemacht werden. Diese Fehler und Gebrechen sind es e- ben, an welchen ein Spötter seine Kunst bewei- sen kan; Daher sie dann auch Cicero materiem ridiculorum nennet. Er thut es an demjenigen Ort, da er untersuchet, wie weit es einem Red-
ner
(o)
nicht ſtraf- bar, kan man ſpot- ten.Ehebruchs und anderer Verbrechen zu beſchul- digen, ſo erlaubt iſt es, ihm ſolche Fehler bey- zumeſſen, die nicht beſtrafet werden, und ſei- nen ehrlichen Nahmen nicht beſchmitzen. Jch kan alſo von einem Menſchen ſagen, daß er hochmuͤthig, geitzig, argwoͤhniſch, eigenſin- nig, lecker in Eſſen und Trincken, furchtſam, verwegen, ein Verſchwender, ein Muͤſſig- gaͤnger und Saͤufer ſey, ohne daß er mich darum verklagen koͤnnte. Jch habe dieſes gleichfals nicht zu beſorgen, wenn ich uͤber ſei- ne Aufuͤhrung in Geſellſchaften ſpotte. Wer will mir z. E. wehren, uͤber einen geſchoſſe- nen Seladon zu lachen, der mit ſeiner Clarimeneà l’ Hombreſpielet, und alle- mahl, wann er die Charten giebt, ſeine Schoͤne mit verſchmachtenden Augen anſiehet, und die Charten, die ſie haben ſoll, aufs zaͤrtlichſte kuͤſſet? Eine wunderli- che Tracht, ein naͤrriſcher Gang, eine ungereim- te und verdrießliche Art zu complimentiren und dergleichen Fehler geben mir gleiches Recht, und uͤberhaupt alle Schwachheiten, die ich je- tzo genennet habe, ſamt noch vielen andern, die mir nicht beyfallen, koͤnnen ohne Verletzung des ehrlichen Nahmens derer, die zu ihrem Un- gluͤck damit behaftet ſind, laͤcherlich gemacht werden. Dieſe Fehler und Gebrechen ſind es e- ben, an welchen ein Spoͤtter ſeine Kunſt bewei- ſen kan; Daher ſie dann auch Cicero materiem ridiculorum nennet. Er thut es an demjenigen Ort, da er unterſuchet, wie weit es einem Red-
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Ehebruchs und anderer Verbrechen zu beſchul-
digen, ſo erlaubt iſt es, ihm ſolche Fehler bey-
zumeſſen, die nicht beſtrafet werden, und ſei-
nen ehrlichen Nahmen nicht beſchmitzen. Jch
kan alſo von einem Menſchen ſagen, daß er
hochmuͤthig, geitzig, argwoͤhniſch, eigenſin-
nig, lecker in Eſſen und Trincken, furchtſam,
verwegen, ein Verſchwender, ein Muͤſſig-
gaͤnger und Saͤufer ſey, ohne daß er mich
darum verklagen koͤnnte. Jch habe dieſes
gleichfals nicht zu beſorgen, wenn ich uͤber ſei-
ne Aufuͤhrung in Geſellſchaften ſpotte. Wer
will mir z. E. wehren, uͤber einen geſchoſſe-
nen Seladon zu lachen, der mit ſeiner
Clarimene à l’ Hombre ſpielet, und alle-
mahl, wann er die Charten giebt, ſeine
Schoͤne mit verſchmachtenden Augen
anſiehet, und die Charten, die ſie haben
ſoll, aufs zaͤrtlichſte kuͤſſet? Eine wunderli-
che Tracht, ein naͤrriſcher Gang, eine ungereim-
te und verdrießliche Art zu complimentiren und
dergleichen Fehler geben mir gleiches Recht,
und uͤberhaupt alle Schwachheiten, die ich je-
tzo genennet habe, ſamt noch vielen andern, die
mir nicht beyfallen, koͤnnen ohne Verletzung
des ehrlichen Nahmens derer, die zu ihrem Un-
gluͤck damit behaftet ſind, laͤcherlich gemacht
werden. Dieſe Fehler und Gebrechen ſind es e-
ben, an welchen ein Spoͤtter ſeine Kunſt bewei-
ſen kan; Daher ſie dann auch Cicero materiem
ridiculorum nennet. Er thut es an demjenigen
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/342>, abgerufen am 31.10.2024.
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