Stille bewundern können. So bald er sein Büchlein ans Licht giebt, muß er es ihm auch gefallen lassen, daß man es lieset, und nach be- finden davon urtheilet. Die Obrigkeit kan ihn wieder die Urtheile seiner Leser nicht schützen, noch ihnen eine Freyheit nehmen, die sie, wie die Juristen reden, titulo oneroso besitzen. Wann ich ein Buch kaufe, so erkaufe ich zu- gleich das Recht, davon zu sagen, was ich will. Jch kan es loben, wenn es mir gefällt, und es aufs unbarmhertzigste richten, wenn es mir ab- geschmackt scheinet.
Un Auteur a genoux dans une humble preface Au lecteur qu' il ennuie a beau deman- der grace II ne gagnera rien sur ce juge irrite Qui lui fait son proces de pleine auto- rite. Boileau idid.
Es schickt sich nicht von diesem Gericht anVon die- sem Urtheil kan nicht an die O- brigkeit appelliret werden. die Obrigkeit zu appelliren. Eine kluge Obrigkeit nimmt eine solche Appellation nicht an; Sie erkennet keine Processe, sondern verweiset den thörigten Appellanten ad judi- cem a quo. Die Gelehrten müssen ihre Hän- del, die sie mit einander haben, unter sich aus- machen. Die Obrigkeit mischet sich nicht darinn; es sey dann, daß es, wenn es zwischen ihnen von Worten zu Schlägen kömmt, nö- thig sey, Frieden zu gebieten. So lan-
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Stille bewundern koͤnnen. So bald er ſein Buͤchlein ans Licht giebt, muß er es ihm auch gefallen laſſen, daß man es lieſet, und nach be- finden davon urtheilet. Die Obrigkeit kan ihn wieder die Urtheile ſeiner Leſer nicht ſchuͤtzen, noch ihnen eine Freyheit nehmen, die ſie, wie die Juriſten reden, titulo oneroſo beſitzen. Wann ich ein Buch kaufe, ſo erkaufe ich zu- gleich das Recht, davon zu ſagen, was ich will. Jch kan es loben, wenn es mir gefaͤllt, und es aufs unbarmhertzigſte richten, wenn es mir ab- geſchmackt ſcheinet.
Un Auteur à genoux dans une humble preface Au lecteur qu’ il ennuïe a beau deman- der grace II ne gagnera rien ſur ce juge irrité Qui lui fait ſon procés de pleine auto- rité. Boileau idid.
Es ſchickt ſich nicht von dieſem Gericht anVon die- ſem Urtheil kan nicht an die O- brigkeit appelliret werden. die Obrigkeit zu appelliren. Eine kluge Obrigkeit nimmt eine ſolche Appellation nicht an; Sie erkennet keine Proceſſe, ſondern verweiſet den thoͤrigten Appellanten ad judi- cem à quo. Die Gelehrten muͤſſen ihre Haͤn- del, die ſie mit einander haben, unter ſich aus- machen. Die Obrigkeit miſchet ſich nicht darinn; es ſey dann, daß es, wenn es zwiſchen ihnen von Worten zu Schlaͤgen koͤmmt, noͤ- thig ſey, Frieden zu gebieten. So lan-
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(o)
Stille bewundern koͤnnen. So bald er ſein
Buͤchlein ans Licht giebt, muß er es ihm auch
gefallen laſſen, daß man es lieſet, und nach be-
finden davon urtheilet. Die Obrigkeit kan
ihn wieder die Urtheile ſeiner Leſer nicht ſchuͤtzen,
noch ihnen eine Freyheit nehmen, die ſie, wie
die Juriſten reden, titulo oneroſo beſitzen.
Wann ich ein Buch kaufe, ſo erkaufe ich zu-
gleich das Recht, davon zu ſagen, was ich will.
Jch kan es loben, wenn es mir gefaͤllt, und es
aufs unbarmhertzigſte richten, wenn es mir ab-
geſchmackt ſcheinet.
Un Auteur à genoux dans une humble
preface
Au lecteur qu’ il ennuïe a beau deman-
der grace
II ne gagnera rien ſur ce juge irrité
Qui lui fait ſon procés de pleine auto-
rité.
Boileau idid.
Es ſchickt ſich nicht von dieſem Gericht an
die Obrigkeit zu appelliren. Eine kluge
Obrigkeit nimmt eine ſolche Appellation
nicht an; Sie erkennet keine Proceſſe, ſondern
verweiſet den thoͤrigten Appellanten ad judi-
cem à quo. Die Gelehrten muͤſſen ihre Haͤn-
del, die ſie mit einander haben, unter ſich aus-
machen. Die Obrigkeit miſchet ſich nicht
darinn; es ſey dann, daß es, wenn es zwiſchen
ihnen von Worten zu Schlaͤgen koͤmmt, noͤ-
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Von die-
ſem Urtheil
kan nicht
an die O-
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appelliret
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/349>, abgerufen am 22.11.2024.
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