Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
"Sind sie nun auch so gesinnet, so müssen wir
"ihnen sagen, daß sie sich nicht der rechten
"Mittel bedienen, uns ihnen gleich zu machen.
"Mit ihren Klagen, Seufzen und Schelten
"richten sie nichts aus. Dadurch reitzen sie
"uns nur zum Lachen, denn es stehet ihnen gar
"zu artig. Versuchen sie es aber einmal, und
"fangen an zu spotten und zu lachen: Jch
"bin ihnen gut davor, daß uns gleich die Au-
"gen übergehen werden. Wenn sie alsdann
"sehen, daß uns das Weinen eben so übel an-
"stehet, als ihnen das Lachen, so hofen wir,
"daß sie in sich gehen und begreifen werden,
"daß sie etwas ungereimtes von uns verlanget
"haben, und daß es besser sey, wenn ein jeder so
"bleibt, als ihn GOtt erschafen hat, und keiner
"den andern meistert.

Eine Saty-
re ist ein
kräftig
Mittel die
Thoren
einzutrei-
ben und ei-
gentlich
nichts als
eine deduc-
tio ad absur-
dum.

So werden die Spötter unstreitig reden.
Jch aber sage nur kürtzlich, daß eine Satyre zu
Bestreitung der Jrrthümer und Thorheiten
eben so geschickt ist, als eine ernsthafte Schrift,
und daß es folglich auf eines ieden Gutbefin-
den ankomme, ob er sich einer ernsthaften, oder
satyrischen Schreib-Art bedienen wolle.
Wenn ich einen überführen will, daß er geir-
ret hat, so kan ich entweder gewisse Grund-
Wahrheiten voraussetzen, und ihm zeigen, daß
seine Lehre, oder sein Verfahren mit selbigen
streitet, und wenn ich dieses thue, so rede oder
schreibe ich ernsthaft: Oder ich kan mich stellen,
als wenn ich die Lehre, die ich wiederlegen, und das
Verfahren, das ich tadeln will, billige, und Fol-

gen

(o)
„Sind ſie nun auch ſo geſinnet, ſo muͤſſen wir
„ihnen ſagen, daß ſie ſich nicht der rechten
„Mittel bedienen, uns ihnen gleich zu machen.
„Mit ihren Klagen, Seufzen und Schelten
„richten ſie nichts aus. Dadurch reitzen ſie
„uns nur zum Lachen, denn es ſtehet ihnen gar
„zu artig. Verſuchen ſie es aber einmal, und
„fangen an zu ſpotten und zu lachen: Jch
„bin ihnen gut davor, daß uns gleich die Au-
„gen uͤbergehen werden. Wenn ſie alsdann
„ſehen, daß uns das Weinen eben ſo uͤbel an-
„ſtehet, als ihnen das Lachen, ſo hofen wir,
„daß ſie in ſich gehen und begreifen werden,
„daß ſie etwas ungereimtes von uns verlanget
„haben, und daß es beſſer ſey, wenn ein jeder ſo
„bleibt, als ihn GOtt erſchafen hat, und keiner
„den andern meiſtert.

Eine Saty-
re iſt ein
kraͤftig
Mittel die
Thoren
einzutrei-
ben und ei-
gentlich
nichts als
eine deduc-
tio ad abſur-
dum.

So werden die Spoͤtter unſtreitig reden.
Jch aber ſage nur kuͤrtzlich, daß eine Satyre zu
Beſtreitung der Jrrthuͤmer und Thorheiten
eben ſo geſchickt iſt, als eine ernſthafte Schrift,
und daß es folglich auf eines ieden Gutbefin-
den ankomme, ob er ſich einer ernſthaften, oder
ſatyriſchen Schreib-Art bedienen wolle.
Wenn ich einen uͤberfuͤhren will, daß er geir-
ret hat, ſo kan ich entweder gewiſſe Grund-
Wahrheiten vorausſetzen, und ihm zeigen, daß
ſeine Lehre, oder ſein Verfahren mit ſelbigen
ſtreitet, und wenn ich dieſes thue, ſo rede oder
ſchreibe ich ernſthaft: Oder ich kan mich ſtellen,
als weñ ich die Lehꝛe, die ich wiedeꝛlegen, und das
Verfahren, das ich tadeln will, billige, und Fol-

gen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0368" n="276"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
&#x201E;Sind &#x017F;ie nun auch &#x017F;o ge&#x017F;innet, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir<lb/>
&#x201E;ihnen &#x017F;agen, daß &#x017F;ie &#x017F;ich nicht der rechten<lb/>
&#x201E;Mittel bedienen, uns ihnen gleich zu machen.<lb/>
&#x201E;Mit ihren Klagen, Seufzen und Schelten<lb/>
&#x201E;richten &#x017F;ie nichts aus. Dadurch reitzen &#x017F;ie<lb/>
&#x201E;uns nur zum Lachen, denn es &#x017F;tehet ihnen gar<lb/>
&#x201E;zu artig. Ver&#x017F;uchen &#x017F;ie es aber einmal, und<lb/>
&#x201E;fangen an zu &#x017F;potten und zu lachen: Jch<lb/>
&#x201E;bin ihnen gut davor, daß uns gleich die Au-<lb/>
&#x201E;gen u&#x0364;bergehen werden. Wenn &#x017F;ie alsdann<lb/>
&#x201E;&#x017F;ehen, daß uns das Weinen eben &#x017F;o u&#x0364;bel an-<lb/>
&#x201E;&#x017F;tehet, als ihnen das Lachen, &#x017F;o hofen wir,<lb/>
&#x201E;daß &#x017F;ie in &#x017F;ich gehen und begreifen werden,<lb/>
&#x201E;daß &#x017F;ie etwas ungereimtes von uns verlanget<lb/>
&#x201E;haben, und daß es be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ey, wenn ein jeder &#x017F;o<lb/>
&#x201E;bleibt, als ihn GOtt er&#x017F;chafen hat, und keiner<lb/>
&#x201E;den andern mei&#x017F;tert.</p><lb/>
        <note place="left">Eine Saty-<lb/>
re i&#x017F;t ein<lb/>
kra&#x0364;ftig<lb/>
Mittel die<lb/>
Thoren<lb/>
einzutrei-<lb/>
ben und ei-<lb/>
gentlich<lb/>
nichts als<lb/>
eine <hi rendition="#aq">deduc-<lb/>
tio ad ab&#x017F;ur-<lb/>
dum.</hi></note>
        <p>So werden die Spo&#x0364;tter un&#x017F;treitig reden.<lb/>
Jch aber &#x017F;age nur ku&#x0364;rtzlich, daß eine Satyre zu<lb/>
Be&#x017F;treitung der Jrrthu&#x0364;mer und Thorheiten<lb/>
eben &#x017F;o ge&#x017F;chickt i&#x017F;t, als eine ern&#x017F;thafte Schrift,<lb/>
und daß es folglich auf eines ieden Gutbefin-<lb/>
den ankomme, ob er &#x017F;ich einer ern&#x017F;thaften, oder<lb/>
&#x017F;atyri&#x017F;chen Schreib-Art bedienen wolle.<lb/>
Wenn ich einen u&#x0364;berfu&#x0364;hren will, daß er geir-<lb/>
ret hat, &#x017F;o kan ich entweder gewi&#x017F;&#x017F;e Grund-<lb/>
Wahrheiten voraus&#x017F;etzen, und ihm zeigen, daß<lb/>
&#x017F;eine Lehre, oder &#x017F;ein Verfahren mit &#x017F;elbigen<lb/>
&#x017F;treitet, und wenn ich die&#x017F;es thue, &#x017F;o rede oder<lb/>
&#x017F;chreibe ich ern&#x017F;thaft: Oder ich kan mich &#x017F;tellen,<lb/>
als weñ ich die Leh&#xA75B;e, die ich wiede&#xA75B;legen, und das<lb/>
Verfahren, das ich tadeln will, billige, und Fol-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0368] (o) „Sind ſie nun auch ſo geſinnet, ſo muͤſſen wir „ihnen ſagen, daß ſie ſich nicht der rechten „Mittel bedienen, uns ihnen gleich zu machen. „Mit ihren Klagen, Seufzen und Schelten „richten ſie nichts aus. Dadurch reitzen ſie „uns nur zum Lachen, denn es ſtehet ihnen gar „zu artig. Verſuchen ſie es aber einmal, und „fangen an zu ſpotten und zu lachen: Jch „bin ihnen gut davor, daß uns gleich die Au- „gen uͤbergehen werden. Wenn ſie alsdann „ſehen, daß uns das Weinen eben ſo uͤbel an- „ſtehet, als ihnen das Lachen, ſo hofen wir, „daß ſie in ſich gehen und begreifen werden, „daß ſie etwas ungereimtes von uns verlanget „haben, und daß es beſſer ſey, wenn ein jeder ſo „bleibt, als ihn GOtt erſchafen hat, und keiner „den andern meiſtert. So werden die Spoͤtter unſtreitig reden. Jch aber ſage nur kuͤrtzlich, daß eine Satyre zu Beſtreitung der Jrrthuͤmer und Thorheiten eben ſo geſchickt iſt, als eine ernſthafte Schrift, und daß es folglich auf eines ieden Gutbefin- den ankomme, ob er ſich einer ernſthaften, oder ſatyriſchen Schreib-Art bedienen wolle. Wenn ich einen uͤberfuͤhren will, daß er geir- ret hat, ſo kan ich entweder gewiſſe Grund- Wahrheiten vorausſetzen, und ihm zeigen, daß ſeine Lehre, oder ſein Verfahren mit ſelbigen ſtreitet, und wenn ich dieſes thue, ſo rede oder ſchreibe ich ernſthaft: Oder ich kan mich ſtellen, als weñ ich die Lehꝛe, die ich wiedeꝛlegen, und das Verfahren, das ich tadeln will, billige, und Fol- gen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/368
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/368>, abgerufen am 21.11.2024.