O was sehe ich da vor eine vermischte Schaar bey- derley Geschlechts, die sich einer handfesten Bered- samkeit rühmen! Jch sehe eine grosse Anzahl, die, an statt der Worte, mit zornigen Gebärden und gela- denem Gewehr alle Welt schweigen machen. Jch sehe eine Menge von Gerichts-Dienern, die eu- re Leibwachten sind, so daß mir fast bange wird, mich unter so strengen Aufsehern zu befinden, die sich nach dem Winde derer, die ich um, wider, vor mir und zur Seiten sehe, genau richten. Aber wie artig siehet nicht erst die Wafen-Rüstung derje- nigen, die ihr in eurer Gesellschaft erzürnte Weibes- Bilder nennet. Sie sehen in Wahrheit so fürch- terlich aus, daß ich grossen Fleiß tragen werde, ih- ren Zorn mit keinem Worte gegen mich zu erregen.
Jndem ich aber meine Augen auf die Decke eu- res Saals richte, entdecke ein besonderes Kunst- Stück, das ich billig, ob es gleich meinen Augen gros- se Gewalt thut, so starr über mich zu sehen, in nähern Augenschein nehme. Jch bemercke daselbst, daß ihr eure Gesetze sehr hoch gehalten wissen wollet, weil ihr sie an einem so erhabenen Ort gestellet. Mit eurer gütigen Erlaubniß muß ich sie mir doch al- sobald in meine Schreib-Tafel einzeichnen, damit unterdessen meine durch beständige Abwechselung der lincken und rechten Hand abgemüdeten Arme et- was ausruhen, und der Hut, der durch sein oft- mahliges in die Luft heben so viel Luft in sich ge- zogen, mir nicht zu schwer werde. Daher ich ihn nun nach den Gesetzen eurer Gesellschaft gantz erbar unter dem Arm nehme, mit dem Vorbehalt, daß ihr daran ein Wahr-Zeichen abnehmen könnet, daß
ich
(o)
O was ſehe ich da voꝛ eine vermiſchte Schaar bey- derley Geſchlechts, die ſich einer handfeſten Bered- ſamkeit ruͤhmen! Jch ſehe eine groſſe Anzahl, die, an ſtatt der Worte, mit zornigen Gebaͤrden und gela- denem Gewehr alle Welt ſchweigen machen. Jch ſehe eine Menge von Gerichts-Dienern, die eu- re Leibwachten ſind, ſo daß mir faſt bange wird, mich unter ſo ſtrengen Aufſehern zu befinden, die ſich nach dem Winde derer, die ich um, wider, vor mir und zur Seiten ſehe, genau richten. Aber wie artig ſiehet nicht erſt die Wafen-Ruͤſtung derje- nigen, die ihr in eurer Geſellſchaft erzuͤrnte Weibes- Bilder nennet. Sie ſehen in Wahrheit ſo fuͤrch- terlich aus, daß ich groſſen Fleiß tragen werde, ih- ren Zorn mit keinem Worte gegen mich zu erregen.
Jndem ich aber meine Augen auf die Decke eu- res Saals richte, entdecke ein beſonderes Kunſt- Stuͤck, das ich billig, ob es gleich meinen Augen groſ- ſe Gewalt thut, ſo ſtarr uͤber mich zu ſehen, in naͤhern Augenſchein nehme. Jch bemercke daſelbſt, daß ihr eure Geſetze ſehr hoch gehalten wiſſen wollet, weil ihr ſie an einem ſo erhabenen Ort geſtellet. Mit eurer guͤtigen Erlaubniß muß ich ſie mir doch al- ſobald in meine Schreib-Tafel einzeichnen, damit unterdeſſen meine durch beſtaͤndige Abwechſelung der lincken und rechten Hand abgemuͤdeten Arme et- was ausruhen, und der Hut, der durch ſein oft- mahliges in die Luft heben ſo viel Luft in ſich ge- zogen, mir nicht zu ſchwer werde. Daher ich ihn nun nach den Geſetzen eurer Geſellſchaft gantz erbar unter dem Arm nehme, mit dem Vorbehalt, daß ihr daran ein Wahr-Zeichen abnehmen koͤnnet, daß
ich
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O was ſehe ich da voꝛ eine vermiſchte Schaar bey-
derley Geſchlechts, die ſich einer handfeſten Bered-
ſamkeit ruͤhmen! Jch ſehe eine groſſe Anzahl, die,
an ſtatt der Worte, mit zornigen Gebaͤrden und gela-
denem Gewehr alle Welt ſchweigen machen. Jch
ſehe eine Menge von Gerichts-Dienern, die eu-
re Leibwachten ſind, ſo daß mir faſt bange wird,
mich unter ſo ſtrengen Aufſehern zu befinden, die ſich
nach dem Winde derer, die ich um, wider, vor
mir und zur Seiten ſehe, genau richten. Aber wie
artig ſiehet nicht erſt die Wafen-Ruͤſtung derje-
nigen, die ihr in eurer Geſellſchaft erzuͤrnte Weibes-
Bilder nennet. Sie ſehen in Wahrheit ſo fuͤrch-
terlich aus, daß ich groſſen Fleiß tragen werde, ih-
ren Zorn mit keinem Worte gegen mich zu erregen.
Jndem ich aber meine Augen auf die Decke eu-
res Saals richte, entdecke ein beſonderes Kunſt-
Stuͤck, das ich billig, ob es gleich meinen Augen groſ-
ſe Gewalt thut, ſo ſtarr uͤber mich zu ſehen, in
naͤhern Augenſchein nehme. Jch bemercke daſelbſt,
daß ihr eure Geſetze ſehr hoch gehalten wiſſen wollet,
weil ihr ſie an einem ſo erhabenen Ort geſtellet.
Mit eurer guͤtigen Erlaubniß muß ich ſie mir doch al-
ſobald in meine Schreib-Tafel einzeichnen, damit
unterdeſſen meine durch beſtaͤndige Abwechſelung
der lincken und rechten Hand abgemuͤdeten Arme et-
was ausruhen, und der Hut, der durch ſein oft-
mahliges in die Luft heben ſo viel Luft in ſich ge-
zogen, mir nicht zu ſchwer werde. Daher ich ihn nun
nach den Geſetzen eurer Geſellſchaft gantz erbar unter
dem Arm nehme, mit dem Vorbehalt, daß ihr
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ich
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/439>, abgerufen am 22.11.2024.
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