Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite
(o)
diatis, ne experiamini quidem. Non decet; non
datum est, non potestis.
(8)

Dieser Rath ist so böse nicht, und wenn wir uns
entschliessen könnten, demselben zu folgen, so würden
wir vieler Verdrießlichkeiten überhoben seyn. Allein
es ist Schade, daß er von unsern Feinden herrühret.
Sollen wir, unsern Verfolgern zu gefallen, eine Sa-
che verschwören, ohne welche wir nicht seyn würden,
was wir seyn müssen, wenn wir der Gemächlichkeiten
und der Vortheile theilhaftig seyn wollen, die mit dem
Caracter eines kleinen Geistes unauflößlich verknü-
pfet sind? Dieses wird nimmer geschehen. Wir
sind kleine Geister, und also nicht einmahl fähig, un-
sere Mängel zu erkennen. Alle gute Rathschläge
halten wir vor Verführung, und ein edler Eigen-
sinn, der uns angebohren ist, und welchen wir mit
dem Nahmen der Standhaftigkeit belegen, treibt uns
an, allezeit auf unserm Kopf zu bestehen, und unsern
Feinden nicht einen Finger breit nachzugeben. Wir
spotten also, und werden immer spotten, ob wir
gleich nicht dazu geschickt sind. Wer nicht lachen
will, der kan es bleiben lassen. Es wird uns dieses um
so viel lieber seyn, je mercklicher unsere Spöttereyen
dadurch von den Spöttereyen der grossen Geister,
mit welchen wir, Gewissens halber, nicht die gering-
ste Aehnlichkeit haben können, unterschieden werden.
Und können wirs dann nicht machen wie du, theurer
Philippi, es in deinem Mathematischen Ver-
such
wider Wolfen gemacht hast, und alleine über
unsere Einfälle lachen, daß uns der Bauch schüt-
tert? Laß es seyn, daß wir manchmahl keine Ursache

darzu
(8) Cicero de Nat. Deor. Lib. I.
(o)
diatis, ne experiamini quidem. Non decet; non
datum eſt, non poteſtis.
(8)

Dieſer Rath iſt ſo boͤſe nicht, und wenn wir uns
entſchlieſſen koͤnnten, demſelben zu folgen, ſo wuͤrden
wir vieler Verdrießlichkeiten uͤberhoben ſeyn. Allein
es iſt Schade, daß er von unſern Feinden herruͤhret.
Sollen wir, unſern Verfolgern zu gefallen, eine Sa-
che verſchwoͤren, ohne welche wir nicht ſeyn wuͤrden,
was wir ſeyn muͤſſen, wenn wir der Gemaͤchlichkeiten
und der Vortheile theilhaftig ſeyn wollen, die mit dem
Caracter eines kleinen Geiſtes unaufloͤßlich verknuͤ-
pfet ſind? Dieſes wird nimmer geſchehen. Wir
ſind kleine Geiſter, und alſo nicht einmahl faͤhig, un-
ſere Maͤngel zu erkennen. Alle gute Rathſchlaͤge
halten wir vor Verfuͤhrung, und ein edler Eigen-
ſinn, der uns angebohren iſt, und welchen wir mit
dem Nahmen der Standhaftigkeit belegen, treibt uns
an, allezeit auf unſerm Kopf zu beſtehen, und unſern
Feinden nicht einen Finger breit nachzugeben. Wir
ſpotten alſo, und werden immer ſpotten, ob wir
gleich nicht dazu geſchickt ſind. Wer nicht lachen
will, der kan es bleiben laſſen. Es wird uns dieſes um
ſo viel lieber ſeyn, je mercklicher unſere Spoͤttereyen
dadurch von den Spoͤttereyen der groſſen Geiſter,
mit welchen wir, Gewiſſens halber, nicht die gering-
ſte Aehnlichkeit haben koͤnnen, unterſchieden werden.
Und koͤnnen wirs dann nicht machen wie du, theurer
Philippi, es in deinem Mathematiſchen Ver-
ſuch
wider Wolfen gemacht haſt, und alleine uͤber
unſere Einfaͤlle lachen, daß uns der Bauch ſchuͤt-
tert? Laß es ſeyn, daß wir manchmahl keine Urſache

darzu
(8) Cicero de Nat. Deor. Lib. I.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <cit>
              <quote>
                <pb facs="#f0455" n="363"/>
                <fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/> <hi rendition="#aq">diatis, ne experiamini quidem. <hi rendition="#i">Non decet; non<lb/>
datum e&#x017F;t, non pote&#x017F;tis.</hi></hi> <note place="foot" n="(8)"> <hi rendition="#aq">Cicero de Nat. Deor. Lib. I.</hi> </note>
              </quote>
            </cit><lb/>
            <p>Die&#x017F;er Rath i&#x017F;t &#x017F;o bo&#x0364;&#x017F;e nicht, und wenn wir uns<lb/>
ent&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnten, dem&#x017F;elben zu folgen, &#x017F;o wu&#x0364;rden<lb/>
wir vieler Verdrießlichkeiten u&#x0364;berhoben &#x017F;eyn. Allein<lb/>
es i&#x017F;t Schade, daß er von un&#x017F;ern Feinden herru&#x0364;hret.<lb/>
Sollen wir, un&#x017F;ern Verfolgern zu gefallen, eine Sa-<lb/>
che ver&#x017F;chwo&#x0364;ren, ohne welche wir nicht &#x017F;eyn wu&#x0364;rden,<lb/>
was wir &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, wenn wir der Gema&#x0364;chlichkeiten<lb/>
und der Vortheile theilhaftig &#x017F;eyn wollen, die mit dem<lb/>
Caracter eines kleinen Gei&#x017F;tes unauflo&#x0364;ßlich verknu&#x0364;-<lb/>
pfet &#x017F;ind? Die&#x017F;es wird nimmer ge&#x017F;chehen. Wir<lb/>
&#x017F;ind kleine Gei&#x017F;ter, und al&#x017F;o nicht einmahl fa&#x0364;hig, un-<lb/>
&#x017F;ere Ma&#x0364;ngel zu erkennen. Alle gute Rath&#x017F;chla&#x0364;ge<lb/>
halten wir vor Verfu&#x0364;hrung, und ein edler Eigen-<lb/>
&#x017F;inn, der uns angebohren i&#x017F;t, und welchen wir mit<lb/>
dem Nahmen der Standhaftigkeit belegen, treibt uns<lb/>
an, allezeit auf un&#x017F;erm Kopf zu be&#x017F;tehen, und un&#x017F;ern<lb/>
Feinden nicht einen Finger breit nachzugeben. Wir<lb/>
&#x017F;potten al&#x017F;o, und werden immer &#x017F;potten, ob wir<lb/>
gleich nicht dazu ge&#x017F;chickt &#x017F;ind. Wer nicht lachen<lb/>
will, der kan es bleiben la&#x017F;&#x017F;en. Es wird uns die&#x017F;es um<lb/>
&#x017F;o viel lieber &#x017F;eyn, je mercklicher un&#x017F;ere Spo&#x0364;ttereyen<lb/>
dadurch von den Spo&#x0364;ttereyen der gro&#x017F;&#x017F;en Gei&#x017F;ter,<lb/>
mit welchen wir, Gewi&#x017F;&#x017F;ens halber, nicht die gering-<lb/>
&#x017F;te Aehnlichkeit haben ko&#x0364;nnen, unter&#x017F;chieden werden.<lb/>
Und ko&#x0364;nnen wirs dann nicht machen wie du, theurer<lb/>
Philippi, es in deinem <hi rendition="#fr">Mathemati&#x017F;chen Ver-<lb/>
&#x017F;uch</hi> wider Wolfen gemacht ha&#x017F;t, und alleine u&#x0364;ber<lb/>
un&#x017F;ere Einfa&#x0364;lle lachen, daß uns der Bauch &#x017F;chu&#x0364;t-<lb/>
tert? Laß es &#x017F;eyn, daß wir manchmahl keine Ur&#x017F;ache<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">darzu</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[363/0455] (o) diatis, ne experiamini quidem. Non decet; non datum eſt, non poteſtis. (8) Dieſer Rath iſt ſo boͤſe nicht, und wenn wir uns entſchlieſſen koͤnnten, demſelben zu folgen, ſo wuͤrden wir vieler Verdrießlichkeiten uͤberhoben ſeyn. Allein es iſt Schade, daß er von unſern Feinden herruͤhret. Sollen wir, unſern Verfolgern zu gefallen, eine Sa- che verſchwoͤren, ohne welche wir nicht ſeyn wuͤrden, was wir ſeyn muͤſſen, wenn wir der Gemaͤchlichkeiten und der Vortheile theilhaftig ſeyn wollen, die mit dem Caracter eines kleinen Geiſtes unaufloͤßlich verknuͤ- pfet ſind? Dieſes wird nimmer geſchehen. Wir ſind kleine Geiſter, und alſo nicht einmahl faͤhig, un- ſere Maͤngel zu erkennen. Alle gute Rathſchlaͤge halten wir vor Verfuͤhrung, und ein edler Eigen- ſinn, der uns angebohren iſt, und welchen wir mit dem Nahmen der Standhaftigkeit belegen, treibt uns an, allezeit auf unſerm Kopf zu beſtehen, und unſern Feinden nicht einen Finger breit nachzugeben. Wir ſpotten alſo, und werden immer ſpotten, ob wir gleich nicht dazu geſchickt ſind. Wer nicht lachen will, der kan es bleiben laſſen. Es wird uns dieſes um ſo viel lieber ſeyn, je mercklicher unſere Spoͤttereyen dadurch von den Spoͤttereyen der groſſen Geiſter, mit welchen wir, Gewiſſens halber, nicht die gering- ſte Aehnlichkeit haben koͤnnen, unterſchieden werden. Und koͤnnen wirs dann nicht machen wie du, theurer Philippi, es in deinem Mathematiſchen Ver- ſuch wider Wolfen gemacht haſt, und alleine uͤber unſere Einfaͤlle lachen, daß uns der Bauch ſchuͤt- tert? Laß es ſeyn, daß wir manchmahl keine Urſache darzu (8) Cicero de Nat. Deor. Lib. I.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/455
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/455>, abgerufen am 22.11.2024.