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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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eben so sehr schmertzet, als wenn man dich aufs Rad
flöchte?
Oder steckt in dem Ehren-Titel, den du
dem von Boxhorn giebst, ein stillschweigendes
Bekänntniß,
daß du ein armer Sünder bist?

Dieses wäre zu viel. Wir müssen also glauben,
daß deine Worte anders zu verstehen sind, als sie lau-
ten. Sie haben unstreitig einen geheimen Sinn,
den wir so unfähig sind zu erreichen, als es uns schwer
fällt, zu begreifen, warum du vor deine Thüringi-
sche Historie
besorgt bist. Glaube mir, allerliebster
Philippi, ob wir gleich alle deine ausserordentli-
chen
Schriften in hohem Werth halten, so ist uns
doch deine Thüringische Historie die liebste unter
allen. So vollkommen ist sie nach unserm Geschmack,
und so herrlich stimmet sie mit unsern Regeln überein.
Wir lesen täglich mit dem grösten Vergnügen einige
Blätter darinn, und würden denjenigen, der es
nicht thäte, ohne alle Gnade aus unserer Gesellschaft
stossen. Jch glaube nicht, daß eines unserer Glie-
der uns jemahlen zu einem so harten Verfahren An-
laß geben werde. Ein Buch, das von Anfang biß
zu Ende mit so vielen Seltenheiten angefüllet ist,
als deine Thüringische Historie, muß Geistern
unserer Art
nothwendig gefallen.

Jch will nichts erwehnen von der vortreflichen Zu-
eignungs-Schrift,
in welcher ein jeder Absatz vor
sich selbst in völliger Vollkommenheit bestehet, und
mit dem andern keine Verwandschaft hat, und welche
so künstlich gemacht ist, daß man sie, ohne daß sie et-
was von ihrer Schönheit verlöhre, von hinten zu so
gut, als von vorne lesen kan. Wer uns kennet, der
weiß, wie hoch wir eine so besondere und künst-

liche
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(o)
eben ſo ſehr ſchmertzet, als wenn man dich aufs Rad
floͤchte?
Oder ſteckt in dem Ehren-Titel, den du
dem von Boxhorn giebſt, ein ſtillſchweigendes
Bekaͤnntniß,
daß du ein armer Suͤnder biſt?

Dieſes waͤre zu viel. Wir muͤſſen alſo glauben,
daß deine Worte anders zu verſtehen ſind, als ſie lau-
ten. Sie haben unſtreitig einen geheimen Sinn,
den wir ſo unfaͤhig ſind zu erreichen, als es uns ſchwer
faͤllt, zu begreifen, warum du vor deine Thuͤringi-
ſche Hiſtorie
beſorgt biſt. Glaube mir, allerliebſter
Philippi, ob wir gleich alle deine auſſerordentli-
chen
Schriften in hohem Werth halten, ſo iſt uns
doch deine Thuͤringiſche Hiſtorie die liebſte unter
allen. So vollkommen iſt ſie nach unſerm Geſchmack,
und ſo herrlich ſtimmet ſie mit unſern Regeln uͤberein.
Wir leſen taͤglich mit dem groͤſten Vergnuͤgen einige
Blaͤtter darinn, und wuͤrden denjenigen, der es
nicht thaͤte, ohne alle Gnade aus unſerer Geſellſchaft
ſtoſſen. Jch glaube nicht, daß eines unſerer Glie-
der uns jemahlen zu einem ſo harten Verfahren An-
laß geben werde. Ein Buch, das von Anfang biß
zu Ende mit ſo vielen Seltenheiten angefuͤllet iſt,
als deine Thuͤringiſche Hiſtorie, muß Geiſtern
unſerer Art
nothwendig gefallen.

Jch will nichts erwehnen von der vortreflichen Zu-
eignungs-Schrift,
in welcher ein jeder Abſatz vor
ſich ſelbſt in voͤlliger Vollkom̃enheit beſtehet, und
mit dem andern keine Verwandſchaft hat, und welche
ſo kuͤnſtlich gemacht iſt, daß man ſie, ohne daß ſie et-
was von ihrer Schoͤnheit verloͤhre, von hinten zu ſo
gut, als von vorne leſen kan. Wer uns kennet, der
weiß, wie hoch wir eine ſo beſondere und kuͤnſt-

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[375/0467] (o) eben ſo ſehr ſchmertzet, als wenn man dich aufs Rad floͤchte? Oder ſteckt in dem Ehren-Titel, den du dem von Boxhorn giebſt, ein ſtillſchweigendes Bekaͤnntniß, daß du ein armer Suͤnder biſt? Dieſes waͤre zu viel. Wir muͤſſen alſo glauben, daß deine Worte anders zu verſtehen ſind, als ſie lau- ten. Sie haben unſtreitig einen geheimen Sinn, den wir ſo unfaͤhig ſind zu erreichen, als es uns ſchwer faͤllt, zu begreifen, warum du vor deine Thuͤringi- ſche Hiſtorie beſorgt biſt. Glaube mir, allerliebſter Philippi, ob wir gleich alle deine auſſerordentli- chen Schriften in hohem Werth halten, ſo iſt uns doch deine Thuͤringiſche Hiſtorie die liebſte unter allen. So vollkommen iſt ſie nach unſerm Geſchmack, und ſo herrlich ſtimmet ſie mit unſern Regeln uͤberein. Wir leſen taͤglich mit dem groͤſten Vergnuͤgen einige Blaͤtter darinn, und wuͤrden denjenigen, der es nicht thaͤte, ohne alle Gnade aus unſerer Geſellſchaft ſtoſſen. Jch glaube nicht, daß eines unſerer Glie- der uns jemahlen zu einem ſo harten Verfahren An- laß geben werde. Ein Buch, das von Anfang biß zu Ende mit ſo vielen Seltenheiten angefuͤllet iſt, als deine Thuͤringiſche Hiſtorie, muß Geiſtern unſerer Art nothwendig gefallen. Jch will nichts erwehnen von der vortreflichen Zu- eignungs-Schrift, in welcher ein jeder Abſatz vor ſich ſelbſt in voͤlliger Vollkom̃enheit beſtehet, und mit dem andern keine Verwandſchaft hat, und welche ſo kuͤnſtlich gemacht iſt, daß man ſie, ohne daß ſie et- was von ihrer Schoͤnheit verloͤhre, von hinten zu ſo gut, als von vorne leſen kan. Wer uns kennet, der weiß, wie hoch wir eine ſo beſondere und kuͤnſt- liche A a 4

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/467>, abgerufen am 16.07.2024.