gen? Jch verlange weder sein Erbe, noch sein Nachfolger im Amte zu seyn. Jch habe den Herrn Prof. Philippi allemahl vor einen Mann gehalten, der in der gelehrten Welt unentbehr- lich ist; und ich hofe, man wird mir die Ehre thun, zu glauben, daß ich es mit der gelehrten Welt viel zu gut meine, als daß ich den Tod ei- nes Mannes wünschen sollte, der ihr so manche Lust gemacht hat.
Gesetzt aber, ich hätte des Herrn Prof. Philip- pi Tod gewünschet; folgt denn daraus nothwendig, daß ich sein Feind seyn müsse? Der liebe seel. Mann befand sich in den letzten Jahren seines Lebens in so verdrießlichen Umständen, daß er sich oft selbst den Tod wünschte. Jch kan es am besten wissen, weil er gegen mich sein Hertz oft auszuschütten pflegte. Jch glaube aber nicht, daß er es aus Feindschaft gegen sich selbst gethan hat: Denn ich kan versi- chern, daß er, dem allen ungeachtet, seine kleine Person ungemein liebte. Warum sollte man dann nicht, ohne des Herrn Prof. Philippi Feind zu seyn, etwas wünschen können, so er selbst gewün- schet hat? Hätten meine Gegner den ehrlichen Mann auf seinem Sterbe-Bette gesehen, wie ich, so wür- den sie mit mir glauben, das ein seeliges Ende das eintzige gewesen, welches sein bester Freund ihm, mit Vernunft, wünschen können. Jch habe ihn unger- ne verlohren: Aber, die Wahrheit zu sagen, er ist wohl daran. Wäre er gleich wieder genesen, so hätte er doch keine fröliche Stunde mehr gehabt; sondern würde sich, da durch den Schlag über dem Kopf seine, bis dahin im Schlaf gelegene, Ver-
nunft
(o)
gen? Jch verlange weder ſein Erbe, noch ſein Nachfolger im Amte zu ſeyn. Jch habe den Herrn Prof. Philippi allemahl vor einen Mann gehalten, der in der gelehrten Welt unentbehr- lich iſt; und ich hofe, man wird mir die Ehre thun, zu glauben, daß ich es mit der gelehrten Welt viel zu gut meine, als daß ich den Tod ei- nes Mannes wuͤnſchen ſollte, der ihr ſo manche Luſt gemacht hat.
Geſetzt aber, ich haͤtte des Herrn Prof. Philip- pi Tod gewuͤnſchet; folgt denn daraus nothwendig, daß ich ſein Feind ſeyn muͤſſe? Der liebe ſeel. Mann befand ſich in den letzten Jahren ſeines Lebens in ſo verdrießlichen Umſtaͤnden, daß er ſich oft ſelbſt den Tod wuͤnſchte. Jch kan es am beſten wiſſen, weil er gegen mich ſein Hertz oft auszuſchuͤtten pflegte. Jch glaube aber nicht, daß er es aus Feindſchaft gegen ſich ſelbſt gethan hat: Denn ich kan verſi- chern, daß er, dem allen ungeachtet, ſeine kleine Perſon ungemein liebte. Warum ſollte man dann nicht, ohne des Herrn Prof. Philippi Feind zu ſeyn, etwas wuͤnſchen koͤnnen, ſo er ſelbſt gewuͤn- ſchet hat? Haͤtten meine Gegner den ehrlichen Mann auf ſeinem Sterbe-Bette geſehen, wie ich, ſo wuͤr- den ſie mit mir glauben, das ein ſeeliges Ende das eintzige geweſen, welches ſein beſter Freund ihm, mit Vernunft, wuͤnſchen koͤnnen. Jch habe ihn unger- ne verlohren: Aber, die Wahrheit zu ſagen, er iſt wohl daran. Waͤre er gleich wieder geneſen, ſo haͤtte er doch keine froͤliche Stunde mehr gehabt; ſondern wuͤrde ſich, da durch den Schlag uͤber dem Kopf ſeine, bis dahin im Schlaf gelegene, Ver-
nunft
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(o)
gen? Jch verlange weder ſein Erbe, noch ſein
Nachfolger im Amte zu ſeyn. Jch habe den
Herrn Prof. Philippi allemahl vor einen Mann
gehalten, der in der gelehrten Welt unentbehr-
lich iſt; und ich hofe, man wird mir die Ehre
thun, zu glauben, daß ich es mit der gelehrten
Welt viel zu gut meine, als daß ich den Tod ei-
nes Mannes wuͤnſchen ſollte, der ihr ſo manche
Luſt gemacht hat.
Geſetzt aber, ich haͤtte des Herrn Prof. Philip-
pi Tod gewuͤnſchet; folgt denn daraus nothwendig,
daß ich ſein Feind ſeyn muͤſſe? Der liebe ſeel. Mann
befand ſich in den letzten Jahren ſeines Lebens in ſo
verdrießlichen Umſtaͤnden, daß er ſich oft ſelbſt den
Tod wuͤnſchte. Jch kan es am beſten wiſſen, weil
er gegen mich ſein Hertz oft auszuſchuͤtten pflegte.
Jch glaube aber nicht, daß er es aus Feindſchaft
gegen ſich ſelbſt gethan hat: Denn ich kan verſi-
chern, daß er, dem allen ungeachtet, ſeine kleine
Perſon ungemein liebte. Warum ſollte man dann
nicht, ohne des Herrn Prof. Philippi Feind zu
ſeyn, etwas wuͤnſchen koͤnnen, ſo er ſelbſt gewuͤn-
ſchet hat? Haͤtten meine Gegner den ehrlichen Mann
auf ſeinem Sterbe-Bette geſehen, wie ich, ſo wuͤr-
den ſie mit mir glauben, das ein ſeeliges Ende das
eintzige geweſen, welches ſein beſter Freund ihm, mit
Vernunft, wuͤnſchen koͤnnen. Jch habe ihn unger-
ne verlohren: Aber, die Wahrheit zu ſagen, er iſt
wohl daran. Waͤre er gleich wieder geneſen, ſo
haͤtte er doch keine froͤliche Stunde mehr gehabt;
ſondern wuͤrde ſich, da durch den Schlag uͤber dem
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/554>, abgerufen am 22.11.2024.
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