sern Lästerern widerstehen, so werden wir wohl, biß ans Ende der Welt, in der Verachtung blei- ben, worinn wir, durch unsere eigene Nachlässig- keit, bey andern Gelehrten gerathen sind. Es ist unmöglich, daß auch der elendeste Scribent eine so ofenbahre Wahrheit in Zweifel ziehen sol- te: Aber darum befürchte ich doch, mein wohlge- meinter Rath werde bey meinen Brüdern schlechten Eingang finden. Denn, wofern ich die schlechten Scribenten recht kenne, so stehen der, von mir vorgeschlagenen, genauern Verbindung fast unü- berwindliche Schwierigkeiten im Wege. Soll sie vor sich gehen, so muß unter den elenden Scri- benten eine grössere Einigkeit und Vertraulichkeit eingeführet werden. Wie ist dieses aber möglich, so lange die elenden Scribenten einander nicht recht kennen? Ja wie ist es anzufangen, daß sie mit einander bekannt werden? Die elenden Scribenten sind zu allen Zeiten die Gegen-Füsser der klugen gewesen. Da nun, wie Cicero gar wohl saget, niemand, als ein weiser Mann, er- kennen kan, ob ein anderer weise sey: Statue- re quis sit sapiens vel maxime videtur esse sapientis(3): So folget unwidertreiblich, daß ein elender Scribent gantz unfähig sey, seine Brüder zu kennen. Jch gestehe, es giebt elende Scribenten, die manchmahl gar wohl erkennen, daß dieser oder jener ein elender Scribent sey: Aber dieses stösst meinen Schluß nicht um: Genug, daß sie, überhaupt zu reden, gantz wunderlich von dem
Werth
(3)Cicero Acad, Quaest, lib. IV.
(o)
ſern Laͤſterern widerſtehen, ſo werden wir wohl, biß ans Ende der Welt, in der Verachtung blei- ben, worinn wir, durch unſere eigene Nachlaͤſſig- keit, bey andern Gelehrten gerathen ſind. Es iſt unmoͤglich, daß auch der elendeſte Scribent eine ſo ofenbahre Wahrheit in Zweifel ziehen ſol- te: Aber darum befuͤrchte ich doch, mein wohlge- meinter Rath werde bey meinen Bruͤdern ſchlechten Eingang finden. Denn, wofern ich die ſchlechten Scribenten recht kenne, ſo ſtehen der, von mir vorgeſchlagenen, genauern Verbindung faſt unuͤ- berwindliche Schwierigkeiten im Wege. Soll ſie vor ſich gehen, ſo muß unter den elenden Scri- benten eine groͤſſere Einigkeit und Vertraulichkeit eingefuͤhret werden. Wie iſt dieſes aber moͤglich, ſo lange die elenden Scribenten einander nicht recht kennen? Ja wie iſt es anzufangen, daß ſie mit einander bekannt werden? Die elenden Scribenten ſind zu allen Zeiten die Gegen-Fuͤſſer der klugen geweſen. Da nun, wie Cicero gar wohl ſaget, niemand, als ein weiſer Mann, er- kennen kan, ob ein anderer weiſe ſey: Statue- re quis ſit ſapiens vel maxime videtur eſſe ſapientis(3): So folget unwidertreiblich, daß ein elender Scribent gantz unfaͤhig ſey, ſeine Bruͤder zu kennen. Jch geſtehe, es giebt elende Scribenten, die manchmahl gar wohl erkennen, daß dieſer oder jener ein elender Scribent ſey: Aber dieſes ſtoͤſſt meinen Schluß nicht um: Genug, daß ſie, uͤberhaupt zu reden, gantz wunderlich von dem
Werth
(3)Cicero Acad, Quæſt, lib. IV.
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(o)
ſern Laͤſterern widerſtehen, ſo werden wir wohl,
biß ans Ende der Welt, in der Verachtung blei-
ben, worinn wir, durch unſere eigene Nachlaͤſſig-
keit, bey andern Gelehrten gerathen ſind. Es
iſt unmoͤglich, daß auch der elendeſte Scribent
eine ſo ofenbahre Wahrheit in Zweifel ziehen ſol-
te: Aber darum befuͤrchte ich doch, mein wohlge-
meinter Rath werde bey meinen Bruͤdern ſchlechten
Eingang finden. Denn, wofern ich die ſchlechten
Scribenten recht kenne, ſo ſtehen der, von mir
vorgeſchlagenen, genauern Verbindung faſt unuͤ-
berwindliche Schwierigkeiten im Wege. Soll ſie
vor ſich gehen, ſo muß unter den elenden Scri-
benten eine groͤſſere Einigkeit und Vertraulichkeit
eingefuͤhret werden. Wie iſt dieſes aber moͤglich,
ſo lange die elenden Scribenten einander nicht
recht kennen? Ja wie iſt es anzufangen, daß
ſie mit einander bekannt werden? Die elenden
Scribenten ſind zu allen Zeiten die Gegen-Fuͤſſer
der klugen geweſen. Da nun, wie Cicero gar
wohl ſaget, niemand, als ein weiſer Mann, er-
kennen kan, ob ein anderer weiſe ſey: Statue-
re quis ſit ſapiens vel maxime videtur eſſe
ſapientis (3): So folget unwidertreiblich, daß
ein elender Scribent gantz unfaͤhig ſey, ſeine
Bruͤder zu kennen. Jch geſtehe, es giebt elende
Scribenten, die manchmahl gar wohl erkennen,
daß dieſer oder jener ein elender Scribent ſey: Aber
dieſes ſtoͤſſt meinen Schluß nicht um: Genug, daß
ſie, uͤberhaupt zu reden, gantz wunderlich von dem
Werth
(3) Cicero Acad, Quæſt, lib. IV.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/570>, abgerufen am 22.11.2024.
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