rentis animi vaticinatio appareat; quam religio- sae orationis sub testibus fides(52).
So reden unsere Feinde, und so machen sie es auch. Solten sie sich dann nicht schämen, unse- re Schriften wegen einer Unordnung zu verachten, die sie selbst zu den wichtigsten und grössesten Wer- cken des menschlichen Verstandes so nöthig halten? Müssen sie nicht selbst gestehen, daß die Unordnung unserer Schriften uns von dem gemeinen Haufen derer, die in ungebundener Rede schreiben, merck- lich unterscheide, und eine Eigenschaft sey, wodurch unsere ungereimten Wercke der Ode und dem Hel- den-Gedicht, welches unstreitig die vollkommensten Geburten des menschlichen Witzes sind, ungemein ähnlich werden? Jhre Unbilligkeit fället so sehr in die Sinne, daß ich mich schäme, desfals ein Wort mehr zu sagen. Sie mögen sehen, wie sie ihr Ver- fahren gegen Unpartheyische rechtfertigen.
Es wird ihnen dieses um so viel schwerer fallen, je offenbarer es ist, daß unsere Schriften den ihri- gen, was die Ordnung anlanget, nichts nachge- ben. Man sehe nur unsere Bücher an, und sage mir, ob sie nicht eben so aussehen, als diejenigen, welche unsere Feinde machen. Der Anfang kommt erst; dann folgt das Mittel, und das Ende schlies- set die Reihe. Jch habe noch nicht erlebet, daß einer meiner Brüder sein Buch mit einem andäch- gen Soli Deo Gloria angefangen, und mit einem gläubigen Quod Deus bene vertat, beschlossen; Und biete unsern Feinden Trotz, mir einen nahm-
So reden unſere Feinde, und ſo machen ſie es auch. Solten ſie ſich dann nicht ſchaͤmen, unſe- re Schriften wegen einer Unordnung zu verachten, die ſie ſelbſt zu den wichtigſten und groͤſſeſten Wer- cken des menſchlichen Verſtandes ſo noͤthig halten? Muͤſſen ſie nicht ſelbſt geſtehen, daß die Unordnung unſerer Schriften uns von dem gemeinen Haufen derer, die in ungebundener Rede ſchreiben, merck- lich unterſcheide, und eine Eigenſchaft ſey, wodurch unſere ungereimten Wercke der Ode und dem Hel- den-Gedicht, welches unſtreitig die vollkommenſten Geburten des menſchlichen Witzes ſind, ungemein aͤhnlich werden? Jhre Unbilligkeit faͤllet ſo ſehr in die Sinne, daß ich mich ſchaͤme, desfals ein Wort mehr zu ſagen. Sie moͤgen ſehen, wie ſie ihr Ver- fahren gegen Unpartheyiſche rechtfertigen.
Es wird ihnen dieſes um ſo viel ſchwerer fallen, je offenbarer es iſt, daß unſere Schriften den ihri- gen, was die Ordnung anlanget, nichts nachge- ben. Man ſehe nur unſere Buͤcher an, und ſage mir, ob ſie nicht eben ſo ausſehen, als diejenigen, welche unſere Feinde machen. Der Anfang kommt erſt; dann folgt das Mittel, und das Ende ſchlieſ- ſet die Reihe. Jch habe noch nicht erlebet, daß einer meiner Bruͤder ſein Buch mit einem andaͤch- gen Soli Deo Gloria angefangen, und mit einem glaͤubigen Quod Deus benè vertat, beſchloſſen; Und biete unſern Feinden Trotz, mir einen nahm-
haft
(52)Petronius p. m. 156.
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(o)
rentis animi vaticinatio appareat; quam religio-
ſæ orationis ſub teſtibus fides (52).
So reden unſere Feinde, und ſo machen ſie es
auch. Solten ſie ſich dann nicht ſchaͤmen, unſe-
re Schriften wegen einer Unordnung zu verachten,
die ſie ſelbſt zu den wichtigſten und groͤſſeſten Wer-
cken des menſchlichen Verſtandes ſo noͤthig halten?
Muͤſſen ſie nicht ſelbſt geſtehen, daß die Unordnung
unſerer Schriften uns von dem gemeinen Haufen
derer, die in ungebundener Rede ſchreiben, merck-
lich unterſcheide, und eine Eigenſchaft ſey, wodurch
unſere ungereimten Wercke der Ode und dem Hel-
den-Gedicht, welches unſtreitig die vollkommenſten
Geburten des menſchlichen Witzes ſind, ungemein
aͤhnlich werden? Jhre Unbilligkeit faͤllet ſo ſehr in
die Sinne, daß ich mich ſchaͤme, desfals ein Wort
mehr zu ſagen. Sie moͤgen ſehen, wie ſie ihr Ver-
fahren gegen Unpartheyiſche rechtfertigen.
Es wird ihnen dieſes um ſo viel ſchwerer fallen,
je offenbarer es iſt, daß unſere Schriften den ihri-
gen, was die Ordnung anlanget, nichts nachge-
ben. Man ſehe nur unſere Buͤcher an, und ſage
mir, ob ſie nicht eben ſo ausſehen, als diejenigen,
welche unſere Feinde machen. Der Anfang kommt
erſt; dann folgt das Mittel, und das Ende ſchlieſ-
ſet die Reihe. Jch habe noch nicht erlebet, daß
einer meiner Bruͤder ſein Buch mit einem andaͤch-
gen Soli Deo Gloria angefangen, und mit einem
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haft
(52) Petronius p. m. 156.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/642>, abgerufen am 22.11.2024.
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