dentlich sind, weil wir keine Rang-Ordnung unter unsern Gedancken eingeführet haben? Da unsere Gedancken alle gleich gut sind, so kan es unsern Schriften nicht an Ordnung gebrechen, und wenn wir die Gedancken noch so wunderlich durch einan- der werfen. Ja unsere Schriften werden dadurch um so viel künstlicher. Man sehe sie von vorne, von der Seite, oder von hinten zu an; So wird man allezeit eine Ordnung darinn finden; Und da- her sagen unsere Feinde selbst, man könne sie, ohne Gefahr sich zu verwirren, von hinten zu so gut, als von vorne lesen. Sie haben Recht: Aber es stehet ihnen sehr übel, daß sie dem ungeachtet doch über die Unordnung unserer Schriften klagen. Wer meine Gründe, mit welchen ich die Ungereimtheit dieser Klagen dargethan habe, gebührend einsiehet, wird mit Händen greifen, wie unmöglich es sey, daß sich die geringste Unordnung in unsern Schrif- ten einschleiche. Denn da unsere Gedancken ein- ander vollkommen gleich: So kan es nicht fehlen, es muß eine Uebereinstimmung unter ihnen seyn, sie mögen auch gemenget seyn, wie sie wollen. Ja ich bin gut davor, daß, wenn man die Schriften meiner beyden Freunde, Sievers und Philippi in Stücke zerhacken, die Stücke in einen Hut schütten, und, nachdem man sie vorher wohl umgerüttelt, von einem 7 jährigen Knaben blindlings heraus- ziehen lassen wollte, ein Werck zum Vorschein kommen würde, das, wo nicht besser doch allemahl so gut seyn würde, als alles, was diese beyden Männer jemahls geschrieben haben. Die Ursache ist aus dem vorigen klar.
Nachdem
(o)
dentlich ſind, weil wir keine Rang-Ordnung unter unſern Gedancken eingefuͤhret haben? Da unſere Gedancken alle gleich gut ſind, ſo kan es unſern Schriften nicht an Ordnung gebrechen, und wenn wir die Gedancken noch ſo wunderlich durch einan- der werfen. Ja unſere Schriften werden dadurch um ſo viel kuͤnſtlicher. Man ſehe ſie von vorne, von der Seite, oder von hinten zu an; So wird man allezeit eine Ordnung darinn finden; Und da- her ſagen unſere Feinde ſelbſt, man koͤnne ſie, ohne Gefahr ſich zu verwirren, von hinten zu ſo gut, als von vorne leſen. Sie haben Recht: Aber es ſtehet ihnen ſehr uͤbel, daß ſie dem ungeachtet doch uͤber die Unordnung unſerer Schriften klagen. Wer meine Gruͤnde, mit welchen ich die Ungereimtheit dieſer Klagen dargethan habe, gebuͤhrend einſiehet, wird mit Haͤnden greifen, wie unmoͤglich es ſey, daß ſich die geringſte Unordnung in unſern Schrif- ten einſchleiche. Denn da unſere Gedancken ein- ander vollkommen gleich: So kan es nicht fehlen, es muß eine Uebereinſtimmung unter ihnen ſeyn, ſie moͤgen auch gemenget ſeyn, wie ſie wollen. Ja ich bin gut davor, daß, wenn man die Schriften meiner beyden Freunde, Sievers und Philippi in Stuͤcke zerhacken, die Stuͤcke in einen Hut ſchuͤtten, und, nachdem man ſie vorher wohl umgeruͤttelt, von einem 7 jaͤhrigen Knaben blindlings heraus- ziehen laſſen wollte, ein Werck zum Vorſchein kommen wuͤrde, das, wo nicht beſſer doch allemahl ſo gut ſeyn wuͤrde, als alles, was dieſe beyden Maͤnner jemahls geſchrieben haben. Die Urſache iſt aus dem vorigen klar.
Nachdem
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(o)
dentlich ſind, weil wir keine Rang-Ordnung unter
unſern Gedancken eingefuͤhret haben? Da unſere
Gedancken alle gleich gut ſind, ſo kan es unſern
Schriften nicht an Ordnung gebrechen, und wenn
wir die Gedancken noch ſo wunderlich durch einan-
der werfen. Ja unſere Schriften werden dadurch
um ſo viel kuͤnſtlicher. Man ſehe ſie von vorne,
von der Seite, oder von hinten zu an; So wird
man allezeit eine Ordnung darinn finden; Und da-
her ſagen unſere Feinde ſelbſt, man koͤnne ſie, ohne
Gefahr ſich zu verwirren, von hinten zu ſo gut, als
von vorne leſen. Sie haben Recht: Aber es ſtehet
ihnen ſehr uͤbel, daß ſie dem ungeachtet doch uͤber
die Unordnung unſerer Schriften klagen. Wer
meine Gruͤnde, mit welchen ich die Ungereimtheit
dieſer Klagen dargethan habe, gebuͤhrend einſiehet,
wird mit Haͤnden greifen, wie unmoͤglich es ſey,
daß ſich die geringſte Unordnung in unſern Schrif-
ten einſchleiche. Denn da unſere Gedancken ein-
ander vollkommen gleich: So kan es nicht fehlen,
es muß eine Uebereinſtimmung unter ihnen ſeyn,
ſie moͤgen auch gemenget ſeyn, wie ſie wollen. Ja
ich bin gut davor, daß, wenn man die Schriften
meiner beyden Freunde, Sievers und Philippi in
Stuͤcke zerhacken, die Stuͤcke in einen Hut ſchuͤtten,
und, nachdem man ſie vorher wohl umgeruͤttelt,
von einem 7 jaͤhrigen Knaben blindlings heraus-
ziehen laſſen wollte, ein Werck zum Vorſchein
kommen wuͤrde, das, wo nicht beſſer doch allemahl
ſo gut ſeyn wuͤrde, als alles, was dieſe beyden
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/647>, abgerufen am 22.11.2024.
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