zu Muthe gewesen. Jch wolte meinem ärgsten Fein- de die Schmerzen nicht gönnen. Da nun ein einzi- ger Spaß, den ich nicht zu rechter Zeit loß wurde, mir so viel Ungemach verursachen konnte; was würden denn die guten Scribenten, die so fruchtbar an artigen Einfällen sind, nicht vor Quaal empfin- den, wenn wir ihnen nicht Gelegenheit gäben, sich zu erleichtern. Jhre Einfälle brennen ihnen auf dem Hertzen, und Ennius soll schon zu seiner Zeit gesagt haben, daß ein weiser Mann eher Feuer im Maul halten, als einen sinnreichen Einfall verschweigen könnte: flammam a sapiente facilius ore in ar- dente opprimi, quam bona dicta teneat(59). Unsere Feinde würden also gantz gewiß bersten, wenn wir nicht wären. Warum wünschen sie denn unsern Untergang, mit welchem der ihrige so genau verknüpfet ist?
Gesetzt aber, es wäre möglich, daß sie uns überlebten; so würde doch die gelehrte Welt wenig gutes mehr von ihnen haben. Denn wir sind eben diejenigen, welche die sinnreichsten und artigsten Schriften, an welchen sich die Welt so sehr belu- stiget, von ihnen heraus locken. Wo wolten aber so viele stattliche Satyren herkommen, wenn unsere Feinde niemand hätten, über den sie spot- ten könnten? Und was würde also die kluge Welt nicht an uns verliehren? Es ist wahr wir können ihr mit guten Schriften nicht aufwarten: Aber die Alten haben schon angemercket, daß, obgleich
der
(59)Cicero de Oratore Lib. II.
N n 3
(o)
zu Muthe geweſen. Jch wolte meinem aͤrgſten Fein- de die Schmerzen nicht goͤnnen. Da nun ein einzi- ger Spaß, den ich nicht zu rechter Zeit loß wurde, mir ſo viel Ungemach verurſachen konnte; was wuͤrden denn die guten Scribenten, die ſo fruchtbar an artigen Einfaͤllen ſind, nicht vor Quaal empfin- den, wenn wir ihnen nicht Gelegenheit gaͤben, ſich zu erleichtern. Jhre Einfaͤlle brennen ihnen auf dem Hertzen, und Ennius ſoll ſchon zu ſeiner Zeit geſagt haben, daß ein weiſer Mann eher Feuer im Maul halten, als einen ſinnreichen Einfall verſchweigen koͤnnte: flammam a ſapiente facilius ore in ar- dente opprimi, quam bona dicta teneat(59). Unſere Feinde wuͤrden alſo gantz gewiß berſten, wenn wir nicht waͤren. Warum wuͤnſchen ſie denn unſern Untergang, mit welchem der ihrige ſo genau verknuͤpfet iſt?
Geſetzt aber, es waͤre moͤglich, daß ſie uns uͤberlebten; ſo wuͤrde doch die gelehrte Welt wenig gutes mehr von ihnen haben. Denn wir ſind eben diejenigen, welche die ſinnreichſten und artigſten Schriften, an welchen ſich die Welt ſo ſehr belu- ſtiget, von ihnen heraus locken. Wo wolten aber ſo viele ſtattliche Satyren herkommen, wenn unſere Feinde niemand haͤtten, uͤber den ſie ſpot- ten koͤnnten? Und was wuͤrde alſo die kluge Welt nicht an uns verliehren? Es iſt wahr wir koͤnnen ihr mit guten Schriften nicht aufwarten: Aber die Alten haben ſchon angemercket, daß, obgleich
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(59)Cicero de Oratore Lib. II.
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zu Muthe geweſen. Jch wolte meinem aͤrgſten Fein-
de die Schmerzen nicht goͤnnen. Da nun ein einzi-
ger Spaß, den ich nicht zu rechter Zeit loß wurde,
mir ſo viel Ungemach verurſachen konnte; was
wuͤrden denn die guten Scribenten, die ſo fruchtbar
an artigen Einfaͤllen ſind, nicht vor Quaal empfin-
den, wenn wir ihnen nicht Gelegenheit gaͤben, ſich
zu erleichtern. Jhre Einfaͤlle brennen ihnen auf dem
Hertzen, und Ennius ſoll ſchon zu ſeiner Zeit geſagt
haben, daß ein weiſer Mann eher Feuer im Maul
halten, als einen ſinnreichen Einfall verſchweigen
koͤnnte: flammam a ſapiente facilius ore in ar-
dente opprimi, quam bona dicta teneat (59).
Unſere Feinde wuͤrden alſo gantz gewiß berſten,
wenn wir nicht waͤren. Warum wuͤnſchen ſie denn
unſern Untergang, mit welchem der ihrige ſo genau
verknuͤpfet iſt?
Geſetzt aber, es waͤre moͤglich, daß ſie uns
uͤberlebten; ſo wuͤrde doch die gelehrte Welt wenig
gutes mehr von ihnen haben. Denn wir ſind eben
diejenigen, welche die ſinnreichſten und artigſten
Schriften, an welchen ſich die Welt ſo ſehr belu-
ſtiget, von ihnen heraus locken. Wo wolten
aber ſo viele ſtattliche Satyren herkommen, wenn
unſere Feinde niemand haͤtten, uͤber den ſie ſpot-
ten koͤnnten? Und was wuͤrde alſo die kluge Welt
nicht an uns verliehren? Es iſt wahr wir koͤnnen
ihr mit guten Schriften nicht aufwarten: Aber
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(59) Cicero de Oratore Lib. II.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/657>, abgerufen am 22.11.2024.
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