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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
Welches ein Satz ist, der uns bald dahin
bringen wird, daß wir glauben, die Vö-
gel hätten im Stande der Unschuld schöne
Arien und geistliche Gesänge gepfifen;
die Pferde wären wohl zugeritten gewesen,
und die Hunde hätten alle Künste, die wir
ihnen nun mit Mühe beybringen müssen,
mit auf die Welt gebracht. Denn alles
dieses ist der Vernunft eben so gemäß, als
der buchstäbliche Sinn der Weissagung
Jesaias, in welcher Herr Reinbeck ein
Bild des Standes der Unschuld findet.

Jch zweifle sehr, daß dieser berühmte
Mann lust habe, so weit zu gehen: Allein,
da er einmahl voraussetzet, daß die Herr-
schaft, welche GOtt dem Menschen über
die Thiere gegeben, hauptsächlich das Ver-
gnügen desselben zum Endzweck gehabt ha-
be; so muß es ihm nicht sauer ankommen,
zu glauben, daß die Thiere im Stande der
Unschuld von Natur abgerichtet gewesen;
Und dieses um so viel mehr, weil sonst nicht
abzusehen ist, wie es möglich gewesen, daß
sie, wie er davor hält, dem Menschen, auf
seinen Winck, und auf sein Wort, willi-
gen Gehorsahm geleistet.

Dieser willige Gesorsahm setzet eine Ge-
schicklichkeit voraus, welche heutiges Ta-

ges

(o)
Welches ein Satz iſt, der uns bald dahin
bringen wird, daß wir glauben, die Voͤ-
gel haͤtten im Stande der Unſchuld ſchoͤne
Arien und geiſtliche Geſaͤnge gepfifen;
die Pferde waͤren wohl zugeritten geweſen,
und die Hunde haͤtten alle Kuͤnſte, die wir
ihnen nun mit Muͤhe beybringen muͤſſen,
mit auf die Welt gebracht. Denn alles
dieſes iſt der Vernunft eben ſo gemaͤß, als
der buchſtaͤbliche Sinn der Weiſſagung
Jeſaias, in welcher Herr Reinbeck ein
Bild des Standes der Unſchuld findet.

Jch zweifle ſehr, daß dieſer beruͤhmte
Mann luſt habe, ſo weit zu gehen: Allein,
da er einmahl vorausſetzet, daß die Herr-
ſchaft, welche GOtt dem Menſchen uͤber
die Thiere gegeben, hauptſaͤchlich das Ver-
gnuͤgen deſſelben zum Endzweck gehabt ha-
be; ſo muß es ihm nicht ſauer ankommen,
zu glauben, daß die Thiere im Stande der
Unſchuld von Natur abgerichtet geweſen;
Und dieſes um ſo viel mehr, weil ſonſt nicht
abzuſehen iſt, wie es moͤglich geweſen, daß
ſie, wie er davor haͤlt, dem Menſchen, auf
ſeinen Winck, und auf ſein Wort, willi-
gen Gehorſahm geleiſtet.

Dieſer willige Geſorſahm ſetzet eine Ge-
ſchicklichkeit voraus, welche heutiges Ta-

ges
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[602/0694] (o) Welches ein Satz iſt, der uns bald dahin bringen wird, daß wir glauben, die Voͤ- gel haͤtten im Stande der Unſchuld ſchoͤne Arien und geiſtliche Geſaͤnge gepfifen; die Pferde waͤren wohl zugeritten geweſen, und die Hunde haͤtten alle Kuͤnſte, die wir ihnen nun mit Muͤhe beybringen muͤſſen, mit auf die Welt gebracht. Denn alles dieſes iſt der Vernunft eben ſo gemaͤß, als der buchſtaͤbliche Sinn der Weiſſagung Jeſaias, in welcher Herr Reinbeck ein Bild des Standes der Unſchuld findet. Jch zweifle ſehr, daß dieſer beruͤhmte Mann luſt habe, ſo weit zu gehen: Allein, da er einmahl vorausſetzet, daß die Herr- ſchaft, welche GOtt dem Menſchen uͤber die Thiere gegeben, hauptſaͤchlich das Ver- gnuͤgen deſſelben zum Endzweck gehabt ha- be; ſo muß es ihm nicht ſauer ankommen, zu glauben, daß die Thiere im Stande der Unſchuld von Natur abgerichtet geweſen; Und dieſes um ſo viel mehr, weil ſonſt nicht abzuſehen iſt, wie es moͤglich geweſen, daß ſie, wie er davor haͤlt, dem Menſchen, auf ſeinen Winck, und auf ſein Wort, willi- gen Gehorſahm geleiſtet. Dieſer willige Geſorſahm ſetzet eine Ge- ſchicklichkeit voraus, welche heutiges Ta- ges

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 602. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/694>, abgerufen am 22.11.2024.