Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
schritten: Allein der Mensch habe, Kraft
der ihm anerschafenen Herrschaft über die
Thiere, diesem Eingrife durch ein blosses
Verbot vorbeugen und steuren können.

Jch bekenne, dieses wäre ein herrliches
Vorrecht gewesen: Aber es ist, zu allem
Unglück, so groß, daß es unbegreiflich wird.
Jch will nicht sagen, daß Herr Reinbeck,
so bald er den Thieren einen Trieb beyleget,
auch von den Dingen zu essen, die zur Spei-
se des Menschen bestimmet waren, dasje-
nige umstösset, was er von der göttlichen
Eintheilung der Speisen schreibet. Denn
daß GOtt von einer Creatur, die keinen
Verstand und freien Willen hat, etwas
verlangen, und derselben doch einen Trieb
lassen sollte, seiner Absicht entgegen zu han-
deln, das sind Dinge, die nicht mit einan-
der bestehen können. Eine solche Creatur
muß nothwendig ihrem Triebe folgen, und
ist gantz und gar unfähig, sich nach Regeln
zu richten, von welchen sie nichts weiß. Jch
will auch nicht sagen, daß es, wenn die Thie-
re die, von GOtt, in Ansehung der Speise,
gemachte Ordnung überschritten haben,
nicht wahr seyn könne, daß sie, wie Herr
Reinbeck meint, sich nicht unterstehen dür-
fen, dasjenige, was ihre Herren sich zur

Speise

(o)
ſchritten: Allein der Menſch habe, Kraft
der ihm anerſchafenen Herrſchaft uͤber die
Thiere, dieſem Eingrife durch ein bloſſes
Verbot vorbeugen und ſteuren koͤnnen.

Jch bekenne, dieſes waͤre ein herrliches
Vorrecht geweſen: Aber es iſt, zu allem
Ungluͤck, ſo groß, daß es unbegreiflich wird.
Jch will nicht ſagen, daß Herr Reinbeck,
ſo bald er den Thieren einen Trieb beyleget,
auch von den Dingen zu eſſen, die zur Spei-
ſe des Menſchen beſtimmet waren, dasje-
nige umſtoͤſſet, was er von der goͤttlichen
Eintheilung der Speiſen ſchreibet. Denn
daß GOtt von einer Creatur, die keinen
Verſtand und freien Willen hat, etwas
verlangen, und derſelben doch einen Trieb
laſſen ſollte, ſeiner Abſicht entgegen zu han-
deln, das ſind Dinge, die nicht mit einan-
der beſtehen koͤnnen. Eine ſolche Creatur
muß nothwendig ihrem Triebe folgen, und
iſt gantz und gar unfaͤhig, ſich nach Regeln
zu richten, von welchen ſie nichts weiß. Jch
will auch nicht ſagen, daß es, wenn die Thie-
re die, von GOtt, in Anſehung der Speiſe,
gemachte Ordnung uͤberſchritten haben,
nicht wahr ſeyn koͤnne, daß ſie, wie Herr
Reinbeck meint, ſich nicht unterſtehen duͤr-
fen, dasjenige, was ihre Herren ſich zur

Speiſe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0698" n="606"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
&#x017F;chritten: Allein der Men&#x017F;ch habe, Kraft<lb/>
der ihm aner&#x017F;chafenen Herr&#x017F;chaft u&#x0364;ber die<lb/>
Thiere, die&#x017F;em Eingrife durch ein blo&#x017F;&#x017F;es<lb/>
Verbot vorbeugen und &#x017F;teuren ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          <p>Jch bekenne, die&#x017F;es wa&#x0364;re ein herrliches<lb/>
Vorrecht gewe&#x017F;en: Aber es i&#x017F;t, zu allem<lb/>
Unglu&#x0364;ck, &#x017F;o groß, daß es unbegreiflich wird.<lb/>
Jch will nicht &#x017F;agen, daß Herr Reinbeck,<lb/>
&#x017F;o bald er den Thieren einen Trieb beyleget,<lb/>
auch von den Dingen zu e&#x017F;&#x017F;en, die zur Spei-<lb/>
&#x017F;e des Men&#x017F;chen be&#x017F;timmet waren, dasje-<lb/>
nige um&#x017F;to&#x0364;&#x017F;&#x017F;et, was er von der go&#x0364;ttlichen<lb/>
Eintheilung der Spei&#x017F;en &#x017F;chreibet. Denn<lb/>
daß GOtt von einer Creatur, die keinen<lb/>
Ver&#x017F;tand und freien Willen hat, etwas<lb/>
verlangen, und der&#x017F;elben doch einen Trieb<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollte, &#x017F;einer Ab&#x017F;icht entgegen zu han-<lb/>
deln, das &#x017F;ind Dinge, die nicht mit einan-<lb/>
der be&#x017F;tehen ko&#x0364;nnen. Eine &#x017F;olche Creatur<lb/>
muß nothwendig ihrem Triebe folgen, und<lb/>
i&#x017F;t gantz und gar unfa&#x0364;hig, &#x017F;ich nach Regeln<lb/>
zu richten, von welchen &#x017F;ie nichts weiß. Jch<lb/>
will auch nicht &#x017F;agen, daß es, wenn die Thie-<lb/>
re die, von GOtt, in An&#x017F;ehung der Spei&#x017F;e,<lb/>
gemachte Ordnung u&#x0364;ber&#x017F;chritten haben,<lb/>
nicht wahr &#x017F;eyn ko&#x0364;nne, daß &#x017F;ie, wie Herr<lb/>
Reinbeck meint, &#x017F;ich nicht unter&#x017F;tehen du&#x0364;r-<lb/>
fen, dasjenige, was ihre Herren &#x017F;ich zur<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Spei&#x017F;e</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[606/0698] (o) ſchritten: Allein der Menſch habe, Kraft der ihm anerſchafenen Herrſchaft uͤber die Thiere, dieſem Eingrife durch ein bloſſes Verbot vorbeugen und ſteuren koͤnnen. Jch bekenne, dieſes waͤre ein herrliches Vorrecht geweſen: Aber es iſt, zu allem Ungluͤck, ſo groß, daß es unbegreiflich wird. Jch will nicht ſagen, daß Herr Reinbeck, ſo bald er den Thieren einen Trieb beyleget, auch von den Dingen zu eſſen, die zur Spei- ſe des Menſchen beſtimmet waren, dasje- nige umſtoͤſſet, was er von der goͤttlichen Eintheilung der Speiſen ſchreibet. Denn daß GOtt von einer Creatur, die keinen Verſtand und freien Willen hat, etwas verlangen, und derſelben doch einen Trieb laſſen ſollte, ſeiner Abſicht entgegen zu han- deln, das ſind Dinge, die nicht mit einan- der beſtehen koͤnnen. Eine ſolche Creatur muß nothwendig ihrem Triebe folgen, und iſt gantz und gar unfaͤhig, ſich nach Regeln zu richten, von welchen ſie nichts weiß. Jch will auch nicht ſagen, daß es, wenn die Thie- re die, von GOtt, in Anſehung der Speiſe, gemachte Ordnung uͤberſchritten haben, nicht wahr ſeyn koͤnne, daß ſie, wie Herr Reinbeck meint, ſich nicht unterſtehen duͤr- fen, dasjenige, was ihre Herren ſich zur Speiſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/698
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/698>, abgerufen am 22.11.2024.