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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
Menschen Sicherheit, Beqvemlichkeit und
Vergnügen gedienet. Aber geniessen wir
dieser Vortheile nicht noch heutiges Tages
ohne diese Herrschaft? Wir wissen uns
schon Sicherheit zu schaffen: Es fehlet uns
nicht an Thieren die uns die Arbeit erleich-
tern, und diejenigen, die wir nur zu unserer
Belustigung um uns haben, die werden uns
aus allen Ecken der Welt in Uberfluß zuge-
führet. Es ist wahr, wir haben nicht mehr
das Hertz, uns in die Tiefe des Meers zu wa-
gen, und mit den Wallfischen zu spielen;
Allein, zu allem Glücke haben wir mit dem
hohen Grad der Geschicklichkeit zu schwim-
men, und auf den Grund zu tauchen, wel-
che Hr. Reinbeck dem ersten Menschen zu-
schreibet (14), auch die Lust zu dieser Art
des Zeitvertreibes verlohren. Jch beken-
ne, der Mensch hätte im Stande der Un-
schuld mit Löwen und Tiegern fahren kön-
nen, als die Cybele und Bacchus: Eva
würde keine Flöhe gehabt, und keine Fliege
sich an Adams Nase gewaget haben: Allein
das sind Beqvemlichkeiten, die kein ver-
nünftiger Mensch begehret, und folglich ist
es der Vernunft nicht gemäß, daß man den-
cket, der erste Mensch habe nicht glücklich

seyn
(14) l. c. §. 26.
Qq 2

(o)
Menſchen Sicherheit, Beqvemlichkeit und
Vergnuͤgen gedienet. Aber genieſſen wir
dieſer Vortheile nicht noch heutiges Tages
ohne dieſe Herrſchaft? Wir wiſſen uns
ſchon Sicherheit zu ſchaffen: Es fehlet uns
nicht an Thieren die uns die Arbeit erleich-
tern, und diejenigen, die wir nur zu unſerer
Beluſtigung um uns haben, die werden uns
aus allen Ecken der Welt in Uberfluß zuge-
fuͤhret. Es iſt wahr, wir haben nicht mehr
das Hertz, uns in die Tiefe des Meers zu wa-
gen, und mit den Wallfiſchen zu ſpielen;
Allein, zu allem Gluͤcke haben wir mit dem
hohen Grad der Geſchicklichkeit zu ſchwim-
men, und auf den Grund zu tauchen, wel-
che Hr. Reinbeck dem erſten Menſchen zu-
ſchreibet (14), auch die Luſt zu dieſer Art
des Zeitvertreibes verlohren. Jch beken-
ne, der Menſch haͤtte im Stande der Un-
ſchuld mit Loͤwen und Tiegern fahren koͤn-
nen, als die Cybele und Bacchus: Eva
wuͤrde keine Floͤhe gehabt, und keine Fliege
ſich an Adams Naſe gewaget haben: Allein
das ſind Beqvemlichkeiten, die kein ver-
nuͤnftiger Menſch begehret, und folglich iſt
es der Vernunft nicht gemaͤß, daß man den-
cket, der erſte Menſch habe nicht gluͤcklich

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(14) l. c. §. 26.
Qq 2
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[611/0703] (o) Menſchen Sicherheit, Beqvemlichkeit und Vergnuͤgen gedienet. Aber genieſſen wir dieſer Vortheile nicht noch heutiges Tages ohne dieſe Herrſchaft? Wir wiſſen uns ſchon Sicherheit zu ſchaffen: Es fehlet uns nicht an Thieren die uns die Arbeit erleich- tern, und diejenigen, die wir nur zu unſerer Beluſtigung um uns haben, die werden uns aus allen Ecken der Welt in Uberfluß zuge- fuͤhret. Es iſt wahr, wir haben nicht mehr das Hertz, uns in die Tiefe des Meers zu wa- gen, und mit den Wallfiſchen zu ſpielen; Allein, zu allem Gluͤcke haben wir mit dem hohen Grad der Geſchicklichkeit zu ſchwim- men, und auf den Grund zu tauchen, wel- che Hr. Reinbeck dem erſten Menſchen zu- ſchreibet (14), auch die Luſt zu dieſer Art des Zeitvertreibes verlohren. Jch beken- ne, der Menſch haͤtte im Stande der Un- ſchuld mit Loͤwen und Tiegern fahren koͤn- nen, als die Cybele und Bacchus: Eva wuͤrde keine Floͤhe gehabt, und keine Fliege ſich an Adams Naſe gewaget haben: Allein das ſind Beqvemlichkeiten, die kein ver- nuͤnftiger Menſch begehret, und folglich iſt es der Vernunft nicht gemaͤß, daß man den- cket, der erſte Menſch habe nicht gluͤcklich ſeyn (14) l. c. §. 26. Qq 2

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 611. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/703>, abgerufen am 22.11.2024.