Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
Denn da man GOtt unstreitig vor den"
rechten Eigenthums-Herrn aller Creatu-"
ren halten muß; so würde daraus, daß"
GOtt den ersten Menschen auf dem Erd-"
boden gesetzet, noch nicht schlechterdings"
folgen, daß denn auch der Mensch sich aller"
Creaturen auf demselben ohne Unter-"
scheid gebrauchen dürfen, wenn nicht die"
Vergünstigung von Seiten GOttes mit"
Gewißheit zum Grunde geleget werden"
könnte."

Er hält also die Herrschaft des Menschen
über die Creaturen, von welcher Moses re-
det, zur Beruhigung unsers Gewissens
vor unumgänglich nöthig. Er glaubt, wir
würden, ohne Furcht und Zittern, kein
Huhn schlachten können, wenn wir nicht
die Vergünstung von Seiten GOttes ge-
wiß wären. Aber ich bekenne, dieses ist
mir zu hoch. Mich deucht, die Vernunft
ist gar nicht geschickt, uns ein so enges Ge-
wissen zu geben, und kein Volck unter der
Sonne wird jemahlen, so lange es GOtt
nicht mit Casuisten heimsuchet, auf solche
Scrupel verfallen. Wäre dieses nicht, so
müsten die Hottentotten schon lange vor
Hunger gestorben seyn, oder vor Unruhe

ihres
Qq 3

(o)
Denn da man GOtt unſtreitig vor den„
rechten Eigenthums-Herrn aller Creatu-„
ren halten muß; ſo wuͤrde daraus, daß„
GOtt den erſten Menſchen auf dem Erd-„
boden geſetzet, noch nicht ſchlechterdings„
folgen, daß denn auch der Menſch ſich aller„
Creaturen auf demſelben ohne Unter-„
ſcheid gebrauchen duͤrfen, wenn nicht die„
Verguͤnſtigung von Seiten GOttes mit„
Gewißheit zum Grunde geleget werden„
koͤnnte.‟

Er haͤlt alſo die Herrſchaft des Menſchen
uͤber die Creaturen, von welcher Moſes re-
det, zur Beruhigung unſers Gewiſſens
vor unumgaͤnglich noͤthig. Er glaubt, wir
wuͤrden, ohne Furcht und Zittern, kein
Huhn ſchlachten koͤnnen, wenn wir nicht
die Verguͤnſtung von Seiten GOttes ge-
wiß waͤren. Aber ich bekenne, dieſes iſt
mir zu hoch. Mich deucht, die Vernunft
iſt gar nicht geſchickt, uns ein ſo enges Ge-
wiſſen zu geben, und kein Volck unter der
Sonne wird jemahlen, ſo lange es GOtt
nicht mit Caſuiſten heimſuchet, auf ſolche
Scrupel verfallen. Waͤre dieſes nicht, ſo
muͤſten die Hottentotten ſchon lange vor
Hunger geſtorben ſeyn, oder vor Unruhe

ihres
Qq 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0705" n="613"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
Denn da man GOtt un&#x017F;treitig vor den&#x201E;<lb/>
rechten Eigenthums-Herrn aller Creatu-&#x201E;<lb/>
ren halten muß; &#x017F;o wu&#x0364;rde daraus, daß&#x201E;<lb/>
GOtt den er&#x017F;ten Men&#x017F;chen auf dem Erd-&#x201E;<lb/>
boden ge&#x017F;etzet, noch nicht &#x017F;chlechterdings&#x201E;<lb/>
folgen, daß denn auch der Men&#x017F;ch &#x017F;ich aller&#x201E;<lb/>
Creaturen auf dem&#x017F;elben ohne Unter-&#x201E;<lb/>
&#x017F;cheid gebrauchen du&#x0364;rfen, wenn nicht die&#x201E;<lb/>
Vergu&#x0364;n&#x017F;tigung von Seiten GOttes mit&#x201E;<lb/>
Gewißheit zum Grunde geleget werden&#x201E;<lb/>
ko&#x0364;nnte.&#x201F;</p><lb/>
          <p>Er ha&#x0364;lt al&#x017F;o die Herr&#x017F;chaft des Men&#x017F;chen<lb/>
u&#x0364;ber die Creaturen, von welcher Mo&#x017F;es re-<lb/>
det, zur Beruhigung un&#x017F;ers Gewi&#x017F;&#x017F;ens<lb/>
vor unumga&#x0364;nglich no&#x0364;thig. Er glaubt, wir<lb/>
wu&#x0364;rden, ohne Furcht und Zittern, kein<lb/>
Huhn &#x017F;chlachten ko&#x0364;nnen, wenn wir nicht<lb/>
die Vergu&#x0364;n&#x017F;tung von Seiten GOttes ge-<lb/>
wiß wa&#x0364;ren. Aber ich bekenne, die&#x017F;es i&#x017F;t<lb/>
mir zu hoch. Mich deucht, die Vernunft<lb/>
i&#x017F;t gar nicht ge&#x017F;chickt, uns ein &#x017F;o enges Ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en zu geben, und kein Volck unter der<lb/>
Sonne wird jemahlen, &#x017F;o lange es GOtt<lb/>
nicht mit Ca&#x017F;ui&#x017F;ten heim&#x017F;uchet, auf &#x017F;olche<lb/>
Scrupel verfallen. Wa&#x0364;re die&#x017F;es nicht, &#x017F;o<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;ten die Hottentotten &#x017F;chon lange vor<lb/>
Hunger ge&#x017F;torben &#x017F;eyn, oder vor Unruhe<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Qq 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ihres</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[613/0705] (o) Denn da man GOtt unſtreitig vor den„ rechten Eigenthums-Herrn aller Creatu-„ ren halten muß; ſo wuͤrde daraus, daß„ GOtt den erſten Menſchen auf dem Erd-„ boden geſetzet, noch nicht ſchlechterdings„ folgen, daß denn auch der Menſch ſich aller„ Creaturen auf demſelben ohne Unter-„ ſcheid gebrauchen duͤrfen, wenn nicht die„ Verguͤnſtigung von Seiten GOttes mit„ Gewißheit zum Grunde geleget werden„ koͤnnte.‟ Er haͤlt alſo die Herrſchaft des Menſchen uͤber die Creaturen, von welcher Moſes re- det, zur Beruhigung unſers Gewiſſens vor unumgaͤnglich noͤthig. Er glaubt, wir wuͤrden, ohne Furcht und Zittern, kein Huhn ſchlachten koͤnnen, wenn wir nicht die Verguͤnſtung von Seiten GOttes ge- wiß waͤren. Aber ich bekenne, dieſes iſt mir zu hoch. Mich deucht, die Vernunft iſt gar nicht geſchickt, uns ein ſo enges Ge- wiſſen zu geben, und kein Volck unter der Sonne wird jemahlen, ſo lange es GOtt nicht mit Caſuiſten heimſuchet, auf ſolche Scrupel verfallen. Waͤre dieſes nicht, ſo muͤſten die Hottentotten ſchon lange vor Hunger geſtorben ſeyn, oder vor Unruhe ihres Qq 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/705
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/705>, abgerufen am 16.07.2024.