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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
durch seine Unmäßigkeit, eine Kranckheit zugezogen,
die hernach auf alle seine Nachkommen geerbet sey.

Und was braucht es viel Redens? daß ein Sohn
die Missethat des Vaters nicht tragen solle, ist ein
Satz, der so fest in der Vernunft gegründet ist, als er
klar in der Bibel stehet. Folglich ist es nach der Ver-
nunft, eine ausgemachte Sache, daß wir nicht verdie-
nen, mit Gesetzen beschweret zu werden, die wir darum
nicht halten können, weil unsere ersten Eltern die Kräf-
te verlohren haben, welche dazu erfordert werden.

Ew. Hochwohlgeb. sehen hieraus, daß es nicht
wahr seyn könne, daß wir nicht im Stande sind, die
Gesetze der Natur zu halten, weil daraus die unge-
reimte Folge fliesset, daß entweder die Gesetze der Na-
tur uns nicht mehr verbinden, oder daß auch GOtt
ungerecht mit uns verfahre, wenn er uns wegen Ueber-
tretung derselben strafet. Da nun aber der Hr. Man-
zel sich auf diesen falschen Satz gründet, so fällt alles,
was er saget, übern Haufen, nachdem ich den Grund
umgestossen habe. Mich deucht, ich kan also mit gutem
Gewissen zu dem dritten Argument des Hrn Prof.
Manzels schreiten, und sehen ob es mehr, als die bey-
den vorigen, beweiset.

"Ferner, spricht er (§. 22.), beweiset dieses (daß
"wir nemlich in einem verdorbenen Zustande leben)
"der beständige Streit des Fleisches und des Geistes,
"welchen auch selbst die Heiden gefühlet, beseufzet,
"und nicht GOtt; sondern ein böses principium vor
"desselben Ursache gehalten haben.

Jch mercke hierbey an

I. Daß es nicht Regelmäßig geredet ist, wann der
Hr. Prof. Manzel den Streit zwischen der gesunden

Vernunft,

(o)
durch ſeine Unmaͤßigkeit, eine Kranckheit zugezogen,
die hernach auf alle ſeine Nachkommen geerbet ſey.

Und was braucht es viel Redens? daß ein Sohn
die Miſſethat des Vaters nicht tragen ſolle, iſt ein
Satz, der ſo feſt in der Vernunft gegruͤndet iſt, als er
klar in der Bibel ſtehet. Folglich iſt es nach der Ver-
nunft, eine ausgemachte Sache, daß wir nicht verdie-
nen, mit Geſetzen beſchweret zu werden, die wir darum
nicht halten koͤnnen, weil unſere erſten Eltern die Kraͤf-
te verlohren haben, welche dazu erfordert werden.

Ew. Hochwohlgeb. ſehen hieraus, daß es nicht
wahr ſeyn koͤnne, daß wir nicht im Stande ſind, die
Geſetze der Natur zu halten, weil daraus die unge-
reimte Folge flieſſet, daß entweder die Geſetze der Na-
tur uns nicht mehr verbinden, oder daß auch GOtt
ungerecht mit uns verfahꝛe, wenn er uns wegen Ueber-
tretung derſelben ſtrafet. Da nun aber der Hr. Man-
zel ſich auf dieſen falſchen Satz gruͤndet, ſo faͤllt alles,
was er ſaget, uͤbern Haufen, nachdem ich den Grund
umgeſtoſſen habe. Mich deucht, ich kan alſo mit gutem
Gewiſſen zu dem dritten Argument des Hrn Prof.
Manzels ſchreiten, und ſehen ob es mehr, als die bey-
den vorigen, beweiſet.

„Ferner, ſpricht er (§. 22.), beweiſet dieſes (daß
„wir nemlich in einem verdorbenen Zuſtande leben)
„der beſtaͤndige Streit des Fleiſches und des Geiſtes,
„welchen auch ſelbſt die Heiden gefuͤhlet, beſeufzet,
„und nicht GOtt; ſondern ein boͤſes principium vor
„deſſelben Urſache gehalten haben.

Jch mercke hierbey an

I. Daß es nicht Regelmaͤßig geredet iſt, wann der
Hr. Prof. Manzel den Streit zwiſchen der geſunden

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[648/0740] (o) durch ſeine Unmaͤßigkeit, eine Kranckheit zugezogen, die hernach auf alle ſeine Nachkommen geerbet ſey. Und was braucht es viel Redens? daß ein Sohn die Miſſethat des Vaters nicht tragen ſolle, iſt ein Satz, der ſo feſt in der Vernunft gegruͤndet iſt, als er klar in der Bibel ſtehet. Folglich iſt es nach der Ver- nunft, eine ausgemachte Sache, daß wir nicht verdie- nen, mit Geſetzen beſchweret zu werden, die wir darum nicht halten koͤnnen, weil unſere erſten Eltern die Kraͤf- te verlohren haben, welche dazu erfordert werden. Ew. Hochwohlgeb. ſehen hieraus, daß es nicht wahr ſeyn koͤnne, daß wir nicht im Stande ſind, die Geſetze der Natur zu halten, weil daraus die unge- reimte Folge flieſſet, daß entweder die Geſetze der Na- tur uns nicht mehr verbinden, oder daß auch GOtt ungerecht mit uns verfahꝛe, wenn er uns wegen Ueber- tretung derſelben ſtrafet. Da nun aber der Hr. Man- zel ſich auf dieſen falſchen Satz gruͤndet, ſo faͤllt alles, was er ſaget, uͤbern Haufen, nachdem ich den Grund umgeſtoſſen habe. Mich deucht, ich kan alſo mit gutem Gewiſſen zu dem dritten Argument des Hrn Prof. Manzels ſchreiten, und ſehen ob es mehr, als die bey- den vorigen, beweiſet. „Ferner, ſpricht er (§. 22.), beweiſet dieſes (daß „wir nemlich in einem verdorbenen Zuſtande leben) „der beſtaͤndige Streit des Fleiſches und des Geiſtes, „welchen auch ſelbſt die Heiden gefuͤhlet, beſeufzet, „und nicht GOtt; ſondern ein boͤſes principium vor „deſſelben Urſache gehalten haben. Jch mercke hierbey an I. Daß es nicht Regelmaͤßig geredet iſt, wann der Hr. Prof. Manzel den Streit zwiſchen der geſunden Vernunft,

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 648. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/740>, abgerufen am 22.11.2024.