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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
tigung des Brodts gebrauchen: So kan es, da das
Brodt nicht unumgänglich zu unserer Erhaltung nö-
thig ist, auch so gar nothwendig nicht seyn. Wenn
uns demnach die Bearbeitung des Ackers so sauer
wird, so können wir uns desfalls über niemand be-
schweren, als über uns selbst. Es ist unser freyer Wille.
Wer nicht Lust dazu hat, der kan Eicheln fressen: Die-
se Frucht bedarf keiner Wartung. Jst nun aber das
Korn so nothwendig nicht, so dürfen wir aus der Ar-
beit, die uns dasselbe kostet, nicht schliessen, es sey auf
die Natur ein Fluch geleget.

IV. Jst es falsch, daß das Korn, wenn es auch
gleich zu unserer Erhaltung noch so nöthig wäre, dar-
um ohne unsere Bemühung wachsen müsse. Jch
muß bekennen, wenn alle Menschen, so dencken, als
der Hr. Prof. Manzel, so ist der Mensch ein gemäch-
lich Thier. Er hat vornehme Gedancken. Er
will nicht arbeiten. Fast solte ich dadurch bewo-
gen werden, zu glauben, er sey von so hoher Ab-
kunft, als er sich ausgiebt. Der Geist seiner see-
ligen und beglückten Vorfahren, die zur Beherr-
schung des Erdbodens erschafen waren, regt sich
noch in ihm. Es ist ihm, spricht er, in der Wiege
nicht vorgesungen, daß es ihm so gehen werde. A-
ber, ohne Schertz, ist es nicht lächerlich, daß wir
von aller Mühe befreyet seyn wollen, und die Noth-
wendigkeit der Arbeit, dadurch wir uns dasjenige
verschafen, was wir zu unsers Leibes Nahrung und
Nothdurft gebrauchen, als eine Entziehung des
Göttlichen Seegens ansehen? Da wir so gesinnet
sind, so würden wir nicht zu frieden seyn, wenn auch
gleich Weitzen und Rocken wie das Graß wüchsen.

Denn

(o)
tigung des Brodts gebrauchen: So kan es, da das
Brodt nicht unumgaͤnglich zu unſerer Erhaltung noͤ-
thig iſt, auch ſo gar nothwendig nicht ſeyn. Wenn
uns demnach die Bearbeitung des Ackers ſo ſauer
wird, ſo koͤnnen wir uns desfalls uͤber niemand be-
ſchweren, als uͤber uns ſelbſt. Es iſt unſer freyer Wille.
Wer nicht Luſt dazu hat, der kan Eicheln freſſen: Die-
ſe Frucht bedarf keiner Wartung. Jſt nun aber das
Korn ſo nothwendig nicht, ſo duͤrfen wir aus der Ar-
beit, die uns daſſelbe koſtet, nicht ſchlieſſen, es ſey auf
die Natur ein Fluch geleget.

IV. Jſt es falſch, daß das Korn, wenn es auch
gleich zu unſerer Erhaltung noch ſo noͤthig waͤre, dar-
um ohne unſere Bemuͤhung wachſen muͤſſe. Jch
muß bekennen, wenn alle Menſchen, ſo dencken, als
der Hr. Prof. Manzel, ſo iſt der Menſch ein gemaͤch-
lich Thier. Er hat vornehme Gedancken. Er
will nicht arbeiten. Faſt ſolte ich dadurch bewo-
gen werden, zu glauben, er ſey von ſo hoher Ab-
kunft, als er ſich ausgiebt. Der Geiſt ſeiner ſee-
ligen und begluͤckten Vorfahren, die zur Beherr-
ſchung des Erdbodens erſchafen waren, regt ſich
noch in ihm. Es iſt ihm, ſpricht er, in der Wiege
nicht vorgeſungen, daß es ihm ſo gehen werde. A-
ber, ohne Schertz, iſt es nicht laͤcherlich, daß wir
von aller Muͤhe befreyet ſeyn wollen, und die Noth-
wendigkeit der Arbeit, dadurch wir uns dasjenige
verſchafen, was wir zu unſers Leibes Nahrung und
Nothdurft gebrauchen, als eine Entziehung des
Goͤttlichen Seegens anſehen? Da wir ſo geſinnet
ſind, ſo wuͤrden wir nicht zu frieden ſeyn, wenn auch
gleich Weitzen und Rocken wie das Graß wuͤchſen.

Denn
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[672/0764] (o) tigung des Brodts gebrauchen: So kan es, da das Brodt nicht unumgaͤnglich zu unſerer Erhaltung noͤ- thig iſt, auch ſo gar nothwendig nicht ſeyn. Wenn uns demnach die Bearbeitung des Ackers ſo ſauer wird, ſo koͤnnen wir uns desfalls uͤber niemand be- ſchweren, als uͤber uns ſelbſt. Es iſt unſer freyer Wille. Wer nicht Luſt dazu hat, der kan Eicheln freſſen: Die- ſe Frucht bedarf keiner Wartung. Jſt nun aber das Korn ſo nothwendig nicht, ſo duͤrfen wir aus der Ar- beit, die uns daſſelbe koſtet, nicht ſchlieſſen, es ſey auf die Natur ein Fluch geleget. IV. Jſt es falſch, daß das Korn, wenn es auch gleich zu unſerer Erhaltung noch ſo noͤthig waͤre, dar- um ohne unſere Bemuͤhung wachſen muͤſſe. Jch muß bekennen, wenn alle Menſchen, ſo dencken, als der Hr. Prof. Manzel, ſo iſt der Menſch ein gemaͤch- lich Thier. Er hat vornehme Gedancken. Er will nicht arbeiten. Faſt ſolte ich dadurch bewo- gen werden, zu glauben, er ſey von ſo hoher Ab- kunft, als er ſich ausgiebt. Der Geiſt ſeiner ſee- ligen und begluͤckten Vorfahren, die zur Beherr- ſchung des Erdbodens erſchafen waren, regt ſich noch in ihm. Es iſt ihm, ſpricht er, in der Wiege nicht vorgeſungen, daß es ihm ſo gehen werde. A- ber, ohne Schertz, iſt es nicht laͤcherlich, daß wir von aller Muͤhe befreyet ſeyn wollen, und die Noth- wendigkeit der Arbeit, dadurch wir uns dasjenige verſchafen, was wir zu unſers Leibes Nahrung und Nothdurft gebrauchen, als eine Entziehung des Goͤttlichen Seegens anſehen? Da wir ſo geſinnet ſind, ſo wuͤrden wir nicht zu frieden ſeyn, wenn auch gleich Weitzen und Rocken wie das Graß wuͤchſen. Denn

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 672. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/764>, abgerufen am 21.11.2024.