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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
er hebt dadurch die Gleichheit unter seinen vollkom-
menen Geschöpfen auf: Denn ein Verstand, der in
Ansehung des Alters inaequalis ist, der kan nicht in
omnibus individuis accurate aequalis
seyn: Weil
ein kleines und junges individuum auch ein indivi-
duum
ist. Doch ich will mich bey diesem Wieder-
spruch nicht aufhalten. Nur möchte ich wissen, was
den Hrn Prof. bewogen hat, unter Alten und Jun-
gen, Kindern und Erwachsenen, in Ansehung der
Wissenschaft, einen Unterscheid zu zugeben. Jst es
ihm etwan unbegreiflich vorgekommen, wie ein neu-
gebohrnes Kind so grosse Weißheit besitzen können,
als er dem ersten Menschen beyleget? Allein so hätte er
auch bedencken sollen, daß es nicht weniger unbegreif-
lich, wie der erste Mensch gleich nach seiner Schöpfung
so klug seyn können, als er ihn machet. Jch finde unter
dem ersten Menschen, und seinem erstgebohrnen Sohn
keinen Unterscheid, als in Ansehung der Grösse des Cör-
pers. Den Verstand, welchen man also jenem beyle-
get den kan man diesem nicht absprechen. Das Ge-
wicht des Cörpers thut zur Vollkommenheit unsers
Verstandes nichts: Und wenn der erste Mensch gleich,
wie die Talmudisten vorgeben, so groß gewesen wäre,
daß er von einem Ende der Welt biß zum andern ge-
reichet: (26) So wird er doch dadurch nicht ge-
schickter, als sein Sohn eine vollkommmene Wis-
senschaft aller Dinge zu haben. Sie waren beyde
jung und fremde in der Welt. GOtt, wenn er
vollkommene Menschen machen wollen, hat
keine Ursache gehabt, den Sohn unvollkomme-
ner zu machen, als den Vater: Und es ist auch
nicht glaublich, daß er die erste Frucht der Len-

den
(26) Mr. Bayle l. c. not- J.

(o)
er hebt dadurch die Gleichheit unter ſeinen vollkom-
menen Geſchoͤpfen auf: Denn ein Verſtand, der in
Anſehung des Alters inæqualis iſt, der kan nicht in
omnibus individuis accuratè æqualis
ſeyn: Weil
ein kleines und junges individuum auch ein indivi-
duum
iſt. Doch ich will mich bey dieſem Wieder-
ſpruch nicht aufhalten. Nur moͤchte ich wiſſen, was
den Hrn Prof. bewogen hat, unter Alten und Jun-
gen, Kindern und Erwachſenen, in Anſehung der
Wiſſenſchaft, einen Unterſcheid zu zugeben. Jſt es
ihm etwan unbegreiflich vorgekommen, wie ein neu-
gebohrnes Kind ſo groſſe Weißheit beſitzen koͤnnen,
als er dem erſten Menſchen beyleget? Allein ſo haͤtte er
auch bedencken ſollen, daß es nicht weniger unbegreif-
lich, wie der erſte Menſch gleich nach ſeiner Schoͤpfung
ſo klug ſeyn koͤnnen, als er ihn machet. Jch finde unter
dem erſten Menſchen, und ſeinem erſtgebohrnen Sohn
keinen Unterſcheid, als in Anſehung der Groͤſſe des Coͤr-
pers. Den Verſtand, welchen man alſo jenem beyle-
get den kan man dieſem nicht abſprechen. Das Ge-
wicht des Coͤrpers thut zur Vollkommenheit unſers
Verſtandes nichts: Und wenn der erſte Menſch gleich,
wie die Talmudiſten vorgeben, ſo groß geweſen waͤre,
daß er von einem Ende der Welt biß zum andern ge-
reichet: (26) So wird er doch dadurch nicht ge-
ſchickter, als ſein Sohn eine vollkommmene Wiſ-
ſenſchaft aller Dinge zu haben. Sie waren beyde
jung und fremde in der Welt. GOtt, wenn er
vollkommene Menſchen machen wollen, hat
keine Urſache gehabt, den Sohn unvollkomme-
ner zu machen, als den Vater: Und es iſt auch
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den
(26) Mr. Bayle l. c. not- J.
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[731/0823] (o) er hebt dadurch die Gleichheit unter ſeinen vollkom- menen Geſchoͤpfen auf: Denn ein Verſtand, der in Anſehung des Alters inæqualis iſt, der kan nicht in omnibus individuis accuratè æqualis ſeyn: Weil ein kleines und junges individuum auch ein indivi- duum iſt. Doch ich will mich bey dieſem Wieder- ſpruch nicht aufhalten. Nur moͤchte ich wiſſen, was den Hrn Prof. bewogen hat, unter Alten und Jun- gen, Kindern und Erwachſenen, in Anſehung der Wiſſenſchaft, einen Unterſcheid zu zugeben. Jſt es ihm etwan unbegreiflich vorgekommen, wie ein neu- gebohrnes Kind ſo groſſe Weißheit beſitzen koͤnnen, als er dem erſten Menſchen beyleget? Allein ſo haͤtte er auch bedencken ſollen, daß es nicht weniger unbegreif- lich, wie der erſte Menſch gleich nach ſeiner Schoͤpfung ſo klug ſeyn koͤnnen, als er ihn machet. Jch finde unter dem erſten Menſchen, und ſeinem erſtgebohrnen Sohn keinen Unterſcheid, als in Anſehung der Groͤſſe des Coͤr- pers. Den Verſtand, welchen man alſo jenem beyle- get den kan man dieſem nicht abſprechen. Das Ge- wicht des Coͤrpers thut zur Vollkommenheit unſers Verſtandes nichts: Und wenn der erſte Menſch gleich, wie die Talmudiſten vorgeben, ſo groß geweſen waͤre, daß er von einem Ende der Welt biß zum andern ge- reichet: (26) So wird er doch dadurch nicht ge- ſchickter, als ſein Sohn eine vollkommmene Wiſ- ſenſchaft aller Dinge zu haben. Sie waren beyde jung und fremde in der Welt. GOtt, wenn er vollkommene Menſchen machen wollen, hat keine Urſache gehabt, den Sohn unvollkomme- ner zu machen, als den Vater: Und es iſt auch nicht glaublich, daß er die erſte Frucht der Len- den (26) Mr. Bayle l. c. not- J.

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 731. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/823>, abgerufen am 01.11.2024.