gen, diese Ausgeburt der Satyre Briontes so ähn- lich, als ein Rabe dem andern, p. 4. Dieses ist gantz falsch und unwahrscheinlich. Wiewohl ein so klei- ner Fehler verstecket sich hinter viele Schönheiten und man wird seiner kaum gewahr. Die spielende Natur hat würcklich in den Hällischen Redner et- was besonders geleget. Durch die gehäufte Spöt- tereyen, die aus beyden Sächsischen Craysen auf ihn zueilen, geräht er so wenig in gekünstelte oder wah- re Ohnmachten, daß vielmehr eine jede Hetze seine Kräfte augenscheinlich verdoppelt und er vielleicht unüberwindlich seyn würde, wenn er seinen Fein- den noch lächerlicher schiene. Er erwartet daher seiner Gegner in voller Rüstung, kämpfet mit ihnen bis auf das allerletzte Serum seines Gehirnes, und weiß auf eine schlaue Art seine Stacheln und Waf- fen mit den ihrigen so wohl zu verwirren, daß dieses grosse Genie wenigstens streitend erlieget wie
Der Riese, der vom Blitz erleget ist, und selbst blitzet. Gvarini. Er ist zur Satyre gebohren und wir wünschen ihm, nicht sonder einigen Eigennutz, ein langes Leben. Vielleicht möchte aber dieser dürre Säugling nicht die Jahre seines würdigen Pflege-Vaters errei- chen, wann ein Liebhaber der Alten, der sich durch sein Amt dazu berechtiget zu seyn glauben, und sei- nem eigensinnigen Geschmack nachhängen dörfte, den baldigen Untergang desselben befördern woll- te: welches wir würcklich zu befürchten haben.
- - - O puer, ut sis Vitalis metuo; & majorum ne quis amicus Frigore te feriat. Hor. Sat. L. 2.
No. XI.
(o)
gen, dieſe Ausgeburt der Satyre Briontes ſo aͤhn- lich, als ein Rabe dem andern, p. 4. Dieſes iſt gantz falſch und unwahrſcheinlich. Wiewohl ein ſo klei- ner Fehler verſtecket ſich hinter viele Schoͤnheiten und man wird ſeiner kaum gewahr. Die ſpielende Natur hat wuͤrcklich in den Haͤlliſchen Redner et- was beſonders geleget. Durch die gehaͤufte Spoͤt- tereyen, die aus beyden Saͤchſiſchen Crayſen auf ihn zueilen, geraͤht er ſo wenig in gekuͤnſtelte oder wah- re Ohnmachten, daß vielmehr eine jede Hetze ſeine Kraͤfte augenſcheinlich verdoppelt und er vielleicht unuͤberwindlich ſeyn wuͤrde, wenn er ſeinen Fein- den noch laͤcherlicher ſchiene. Er erwartet daher ſeiner Gegner in voller Ruͤſtung, kaͤmpfet mit ihnen bis auf das allerletzte Serum ſeines Gehirnes, und weiß auf eine ſchlaue Art ſeine Stacheln und Waf- fen mit den ihrigen ſo wohl zu verwirren, daß dieſes groſſe Genie wenigſtens ſtreitend erlieget wie
Der Rieſe, der vom Blitz erleget iſt, und ſelbſt blitzet. Gvarini. Er iſt zur Satyre gebohren und wir wuͤnſchen ihm, nicht ſonder einigen Eigennutz, ein langes Leben. Vielleicht moͤchte aber dieſer duͤrre Saͤugling nicht die Jahre ſeines wuͤrdigen Pflege-Vaters errei- chen, wann ein Liebhaber der Alten, der ſich durch ſein Amt dazu berechtiget zu ſeyn glauben, und ſei- nem eigenſinnigen Geſchmack nachhaͤngen doͤrfte, den baldigen Untergang deſſelben befoͤrdern woll- te: welches wir wuͤrcklich zu befuͤrchten haben.
‒ ‒ ‒ O puer, ut ſis Vitalis metuo; & majorum ne quis amicus Frigore te feriat. Hor. Sat. L. 2.
No. XI.
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gen, dieſe Ausgeburt der Satyre Briontes ſo aͤhn-
lich, als ein Rabe dem andern, p. 4. Dieſes iſt gantz
falſch und unwahrſcheinlich. Wiewohl ein ſo klei-
ner Fehler verſtecket ſich hinter viele Schoͤnheiten
und man wird ſeiner kaum gewahr. Die ſpielende
Natur hat wuͤrcklich in den Haͤlliſchen Redner et-
was beſonders geleget. Durch die gehaͤufte Spoͤt-
tereyen, die aus beyden Saͤchſiſchen Crayſen auf ihn
zueilen, geraͤht er ſo wenig in gekuͤnſtelte oder wah-
re Ohnmachten, daß vielmehr eine jede Hetze ſeine
Kraͤfte augenſcheinlich verdoppelt und er vielleicht
unuͤberwindlich ſeyn wuͤrde, wenn er ſeinen Fein-
den noch laͤcherlicher ſchiene. Er erwartet daher
ſeiner Gegner in voller Ruͤſtung, kaͤmpfet mit ihnen
bis auf das allerletzte Serum ſeines Gehirnes, und
weiß auf eine ſchlaue Art ſeine Stacheln und Waf-
fen mit den ihrigen ſo wohl zu verwirren, daß dieſes
groſſe Genie wenigſtens ſtreitend erlieget wie
Der Rieſe, der vom Blitz erleget iſt, und ſelbſt
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Er iſt zur Satyre gebohren und wir wuͤnſchen ihm,
nicht ſonder einigen Eigennutz, ein langes Leben.
Vielleicht moͤchte aber dieſer duͤrre Saͤugling nicht
die Jahre ſeines wuͤrdigen Pflege-Vaters errei-
chen, wann ein Liebhaber der Alten, der ſich durch
ſein Amt dazu berechtiget zu ſeyn glauben, und ſei-
nem eigenſinnigen Geſchmack nachhaͤngen doͤrfte,
den baldigen Untergang deſſelben befoͤrdern woll-
te: welches wir wuͤrcklich zu befuͤrchten haben.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 826. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/918>, abgerufen am 22.11.2024.
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