bekannt, und alle Welt stimmet so sehr darinn überein, daß sie ausnehmend sind, daß ich nur der Sonnen eine Fackel anzün- den würde, wenn ich durch mein unge- schicktes und unnöhtiges Lob Jhm und dem geneigten Leser verdrießlich fallen wolte.
Jch wennde mich vielmehr zu dem Zoi- lus und Momus. Es ist nunmehro leider! in diesen letzten Zeiten in der Welt dahin ge- kommen, daß ein ehrlicher Mann fast nichts schreiben kan, das nicht von naseweisen Leuten aufs unbarmhertzigste durch die Hechel solte gezogen werden. Dieses, glau- be ich, schrecket viele gute Gemühter ab, der Welt mit ihrem Talent zu dienen. Nun tadele ich zwar diese behutsame Per- sonen desfals nicht: Allein sie werden mir doch erlauben, daß ich aufrichtig bekenne, es mehr mit denen hertzhafften Scribenten zu halten, die sich durch die hönischen Ur- theile tadelsüchtiger Menschen nicht abhal- ten lassen, ihre Gedancken der Welt mit- zutheilen, sondern, ohne zu bedencken, was die böse Welt etwan sagen werde, ge- trost darauf loß schreiben, und in allen wi- drigen Begebenheiten, sich mit dem Zeug- nisse ihres Gewissens, und einer lebhafften Empfindung ihrer eigenen Vollkommen-
heiten
A 3
Vorrede.
bekannt, und alle Welt ſtimmet ſo ſehr darinn uͤberein, daß ſie ausnehmend ſind, daß ich nur der Sonnen eine Fackel anzuͤn- den wuͤrde, wenn ich durch mein unge- ſchicktes und unnoͤhtiges Lob Jhm und dem geneigten Leſer verdrießlich fallen wolte.
Jch wennde mich vielmehr zu dem Zoi- lus und Momus. Es iſt nunmehro leider! in dieſen letzten Zeiten in der Welt dahin ge- kommen, daß ein ehrlicher Mann faſt nichts ſchreiben kan, das nicht von naſeweiſen Leuten aufs unbarmhertzigſte durch die Hechel ſolte gezogen werden. Dieſes, glau- be ich, ſchrecket viele gute Gemuͤhter ab, der Welt mit ihrem Talent zu dienen. Nun tadele ich zwar dieſe behutſame Per- ſonen desfals nicht: Allein ſie werden mir doch erlauben, daß ich aufrichtig bekenne, es mehr mit denen hertzhafften Scribenten zu halten, die ſich durch die hoͤniſchen Ur- theile tadelſuͤchtiger Menſchen nicht abhal- ten laſſen, ihre Gedancken der Welt mit- zutheilen, ſondern, ohne zu bedencken, was die boͤſe Welt etwan ſagen werde, ge- troſt darauf loß ſchreiben, und in allen wi- drigen Begebenheiten, ſich mit dem Zeug- niſſe ihres Gewiſſens, und einer lebhafften Empfindung ihrer eigenen Vollkommen-
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Vorrede.
bekannt, und alle Welt ſtimmet ſo ſehr
darinn uͤberein, daß ſie ausnehmend ſind,
daß ich nur der Sonnen eine Fackel anzuͤn-
den wuͤrde, wenn ich durch mein unge-
ſchicktes und unnoͤhtiges Lob Jhm und dem
geneigten Leſer verdrießlich fallen wolte.
Jch wennde mich vielmehr zu dem Zoi-
lus und Momus. Es iſt nunmehro leider! in
dieſen letzten Zeiten in der Welt dahin ge-
kommen, daß ein ehrlicher Mann faſt nichts
ſchreiben kan, das nicht von naſeweiſen
Leuten aufs unbarmhertzigſte durch die
Hechel ſolte gezogen werden. Dieſes, glau-
be ich, ſchrecket viele gute Gemuͤhter ab,
der Welt mit ihrem Talent zu dienen.
Nun tadele ich zwar dieſe behutſame Per-
ſonen desfals nicht: Allein ſie werden mir
doch erlauben, daß ich aufrichtig bekenne,
es mehr mit denen hertzhafften Scribenten
zu halten, die ſich durch die hoͤniſchen Ur-
theile tadelſuͤchtiger Menſchen nicht abhal-
ten laſſen, ihre Gedancken der Welt mit-
zutheilen, ſondern, ohne zu bedencken, was
die boͤſe Welt etwan ſagen werde, ge-
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/95>, abgerufen am 04.12.2024.
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