rigen. Nicht darin, daß sie etwa Dinge in sich fasseten, die vernünftiger, nutzbarer, sinn- oder lehrreicher wären, als in denen vom vorigen Jahr vorkommen; sondern weil sie noch mehr von dem Endzweck abgehen, den der Ver- fasser im ersten Stück sich vorgesetzet zu haben vorgege- ben. Der Jnhalt derselben, den wir aufrichtig mitthei- len, soll es zeigen. Jm siebenden Stücke, welches das erste von diesem Jahre, wird dem Leser ein Neu-Jahres- Wunsch versprochen, aber nicht gegeben. Jm achten werden zwo Fabeln erzehlet, die aber so beschaffen sind, daß auch kein Aesop noch Fontaine davon die Deutung zu geben im Stande seyn würde. Das neunte erzehlet den Zufall, da ein Schwermüthiger sich selbst Leyd gethan. Dis soll der Jnhalt gedachter Stücke freylich seyn, wie aber ein Freydencker gantz anders verfähret, als ein anderer ver- nünftiger Mensch, so kan der Leser aus obigen kaum den zwanzigsten Theil desjenigen erkennen, was würcklich darin zu finden. Sollte man wohl gedencken, daß in dem sie- benden Stück würde erzehlet seyn, wie alt der Freydencker, und welcher Tag eigentlich sein Gebuhrts-Tag? gleichwohl berichtet er dis nicht nur von sich, sondern auch von seinem Vater, und macht aus der Anmerckung, wie viel dieser älter, als er, so viel besonders, daß er es nicht mehr thun können, wenn er das Gegentheil behaupten wollen. Was demjenigen begegnet, der in seinem Namen in Göttingen das Reu-Jahr wünschen müssen, möchte wohl kein Mensch darin suchen, und dennoch wird er es finden, und zwar so umständlich, daß er Ursache haben wird zu sagen, was ge- hen mich die Kleinigkeiten an? was sollen die Unflätereyen? Die Vorschläge durch den Postillion oder Nachtwächter die Neu-Jahrs-Wünsche ablegen zu lassen, sind freylich sinnreich und neu; allein wir zweiffeln, ob sie jemand klüger halten werde, als den Schluß des ganzen siebenden Stückes. Denn weil der Freydencker am Neuen-Jahrs- Tage eine Predigt gehöret, worin von dem Paradiese gedacht worden, so nimmt er daher Gelegenheit, seinen Lesern in folgenden Worten den Neu-Jahrs-Wunsch, oder vielmehr Neu-Jahrs-Geschencke, doch nur, weil es hypothetice un-
mög-
(o)
rigen. Nicht darin, daß ſie etwa Dinge in ſich faſſeten, die vernuͤnftiger, nutzbarer, ſinn- oder lehrreicher waͤren, als in denen vom vorigen Jahr vorkommen; ſondern weil ſie noch mehr von dem Endzweck abgehen, den der Ver- faſſer im erſten Stuͤck ſich vorgeſetzet zu haben vorgege- ben. Der Jnhalt derſelben, den wir aufrichtig mitthei- len, ſoll es zeigen. Jm ſiebenden Stuͤcke, welches das erſte von dieſem Jahre, wird dem Leſer ein Neu-Jahres- Wunſch verſprochen, aber nicht gegeben. Jm achten werden zwo Fabeln erzehlet, die aber ſo beſchaffen ſind, daß auch kein Aeſop noch Fontaine davon die Deutung zu geben im Stande ſeyn wuͤrde. Das neunte erzehlet den Zufall, da ein Schwermuͤthiger ſich ſelbſt Leyd gethan. Dis ſoll der Jnhalt gedachter Stuͤcke freylich ſeyn, wie aber ein Freydencker gantz anders verfaͤhret, als ein anderer ver- nuͤnftiger Menſch, ſo kan der Leſer aus obigen kaum den zwanzigſten Theil desjenigen erkennen, was wuͤrcklich darin zu finden. Sollte man wohl gedencken, daß in dem ſie- benden Stuͤck wuͤrde erzehlet ſeyn, wie alt der Freydencker, und welcher Tag eigentlich ſein Gebuhrts-Tag? gleichwohl berichtet er dis nicht nur von ſich, ſondern auch von ſeinem Vater, und macht aus der Anmerckung, wie viel dieſer aͤlter, als er, ſo viel beſonders, daß er es nicht mehr thun koͤnnen, wenn er das Gegentheil behaupten wollen. Was demjenigen begegnet, der in ſeinem Namen in Goͤttingen das Reu-Jahr wuͤnſchen muͤſſen, moͤchte wohl kein Menſch darin ſuchen, und dennoch wird er es finden, und zwar ſo umſtaͤndlich, daß er Urſache haben wird zu ſagen, was ge- hen mich die Kleinigkeiten an? was ſollen die Unflaͤtereyen? Die Vorſchlaͤge durch den Poſtillion oder Nachtwaͤchter die Neu-Jahrs-Wuͤnſche ablegen zu laſſen, ſind freylich ſinnreich und neu; allein wir zweiffeln, ob ſie jemand kluͤger halten werde, als den Schluß des ganzen ſiebenden Stuͤckes. Denn weil der Freydencker am Neuen-Jahrs- Tage eine Predigt gehoͤret, worin von dem Paradieſe gedacht worden, ſo nimmt er daher Gelegenheit, ſeinen Leſern in folgenden Worten den Neu-Jahrs-Wunſch, oder vielmehr Neu-Jahrs-Geſchencke, doch nur, weil es hypothetice un-
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[874[902]/0994]
(o)
rigen. Nicht darin, daß ſie etwa Dinge in ſich faſſeten,
die vernuͤnftiger, nutzbarer, ſinn- oder lehrreicher waͤren,
als in denen vom vorigen Jahr vorkommen; ſondern weil
ſie noch mehr von dem Endzweck abgehen, den der Ver-
faſſer im erſten Stuͤck ſich vorgeſetzet zu haben vorgege-
ben. Der Jnhalt derſelben, den wir aufrichtig mitthei-
len, ſoll es zeigen. Jm ſiebenden Stuͤcke, welches das
erſte von dieſem Jahre, wird dem Leſer ein Neu-Jahres-
Wunſch verſprochen, aber nicht gegeben. Jm achten
werden zwo Fabeln erzehlet, die aber ſo beſchaffen ſind,
daß auch kein Aeſop noch Fontaine davon die Deutung zu
geben im Stande ſeyn wuͤrde. Das neunte erzehlet den
Zufall, da ein Schwermuͤthiger ſich ſelbſt Leyd gethan. Dis
ſoll der Jnhalt gedachter Stuͤcke freylich ſeyn, wie aber
ein Freydencker gantz anders verfaͤhret, als ein anderer ver-
nuͤnftiger Menſch, ſo kan der Leſer aus obigen kaum den
zwanzigſten Theil desjenigen erkennen, was wuͤrcklich darin
zu finden. Sollte man wohl gedencken, daß in dem ſie-
benden Stuͤck wuͤrde erzehlet ſeyn, wie alt der Freydencker,
und welcher Tag eigentlich ſein Gebuhrts-Tag? gleichwohl
berichtet er dis nicht nur von ſich, ſondern auch von ſeinem
Vater, und macht aus der Anmerckung, wie viel dieſer
aͤlter, als er, ſo viel beſonders, daß er es nicht mehr thun
koͤnnen, wenn er das Gegentheil behaupten wollen. Was
demjenigen begegnet, der in ſeinem Namen in Goͤttingen
das Reu-Jahr wuͤnſchen muͤſſen, moͤchte wohl kein Menſch
darin ſuchen, und dennoch wird er es finden, und zwar ſo
umſtaͤndlich, daß er Urſache haben wird zu ſagen, was ge-
hen mich die Kleinigkeiten an? was ſollen die Unflaͤtereyen?
Die Vorſchlaͤge durch den Poſtillion oder Nachtwaͤchter
die Neu-Jahrs-Wuͤnſche ablegen zu laſſen, ſind freylich
ſinnreich und neu; allein wir zweiffeln, ob ſie jemand
kluͤger halten werde, als den Schluß des ganzen ſiebenden
Stuͤckes. Denn weil der Freydencker am Neuen-Jahrs-
Tage eine Predigt gehoͤret, worin von dem Paradieſe gedacht
worden, ſo nimmt er daher Gelegenheit, ſeinen Leſern in
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Neu-Jahrs-Geſchencke, doch nur, weil es hypothetice un-
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 874[902]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/994>, abgerufen am 16.02.2025.
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