List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.Abweichend von den Ansichten der Techniker war das Gutachten der Notabeln in Beziehung auf die Bauart der Bahn und, wie uns scheint, mit Grund. Wenn die Techniker in der Regel sich bestreben, etwas Originelles, etwas ihre Schöpfungen vor allen andern ähnlicher Art Auszeichnendes und ihren Ruhm Begründendes zu Tage zu fördern, so bringt dies nur in einzelnen seltenen Fällen, nur wo wirklich etwas Besseres geleistet worden, den Unternehmungen Vortheil, meistens aber bedeutenden Nachtheil, in so fern häufig nur etwas Anderes, weniger Nützliches und vielleicht auch schon Dagewesenes und wieder Aufgegebenes vorgeschlagen wird. Letzteres scheint hier in der That der Fall zu sein, indem die badischen Techniker als etwas Neues und Solideres vorschlugen, die Eisenschienen auf ein fortlaufendes Steinlager aufzulegen, da doch diese Bauart, nur anscheinend eine solide, in der Anwendung bei der Baltimore- und Ohio-Bahn sich als die schlechteste von allen erprobt hat, weil dabei der Parallelismus der Schienen am häufigsten gestört und die meiste Reparatur an Schienen und Maschinen verursacht wird; während in Belgien sich die anscheinend minder solide Bauart, wobei schwere Eisenschienen auf Querhölzern befestigt werden, sich nach einer mehrjährigen Erfahrung in jeder Beziehung als die beste erwiesen; eine Bauart, die sich auch Baden dadurch empfiehlt, daß man dort überall das beste Holz zu den billigsten Preisen zur Hand hat, und daß dadurch nicht blos die Anlagekosten bedeutend reducirt, sondern auch die Werke außerordentlich gefördert werden. Überhaupt kann man den deutschen Technikern nicht oft genug in Erinnerung bringen, daß man nach dem Zeugniß der belgischen Ober-Ingenieure in jenem Lande nur darum so schöne Resultate habe an's Licht stellen können, weil man sich, mit Beseitigung aller vermeintlichen Verbesserungsvorschläge Anderer, streng an die Pläne und Rathschläge des erfahrensten und einsichtsvollsten aller englischen Ingenieure, des Herrn Stephenson, gehalten. Die deutschen Regierungen und Privat-Compagnieen können unter den gegenwärtigen Verhältnissen wahrlich nichts Besseres thun, als ihre Ingenieure nach Belgien zu schicken mit der Anweisung, die dortige Bauart und ganze Einrichtung genau zu studiren und sie genau nachzumachen. Die badische Commission scheint dies auch gefühlt zu haben; sie sagt: "Nirgends mehr als in diesem Felde ist das Sprichwort wahr, daß die Erfahrung den Meister mache. Man weiß, wie oft die tüchtigsten Techniker, wo sie gar keinen Zweifel für möglich hielten, sich in ihren Erwartungen getäuscht fanden." Handelt man in Baden nach dieser vortrefflichen Maxime, so wird man dort, wie in Belgien, vorläufig nur ein Bahngeleise anlegen, die Kosten der Bahn von Manheim nach Basel auf 10 bis 11 Millionen Gulden reduciren und trachten, vermittelst des auf diese Weise Ersparten einerseits den Bodensee, anderseits den Main bei Wertheim mit der Hauptroute in Verbindung zu setzen; eine Erweiterung, die ohnehin von jenen Landestheilen erlangt werden wird. Bemerkenswerth ist der geringe Betrag der durchpassirenden Güter Abweichend von den Ansichten der Techniker war das Gutachten der Notabeln in Beziehung auf die Bauart der Bahn und, wie uns scheint, mit Grund. Wenn die Techniker in der Regel sich bestreben, etwas Originelles, etwas ihre Schöpfungen vor allen andern ähnlicher Art Auszeichnendes und ihren Ruhm Begründendes zu Tage zu fördern, so bringt dies nur in einzelnen seltenen Fällen, nur wo wirklich etwas Besseres geleistet worden, den Unternehmungen Vortheil, meistens aber bedeutenden Nachtheil, in so fern häufig nur etwas Anderes, weniger Nützliches und vielleicht auch schon Dagewesenes und wieder Aufgegebenes vorgeschlagen wird. Letzteres scheint hier in der That der Fall zu sein, indem die badischen Techniker als etwas Neues und Solideres vorschlugen, die Eisenschienen auf ein fortlaufendes Steinlager aufzulegen, da doch diese Bauart, nur anscheinend eine solide, in der Anwendung bei der Baltimore- und Ohio-Bahn sich als die schlechteste von allen erprobt hat, weil dabei der Parallelismus der Schienen am häufigsten gestört und die meiste Reparatur an Schienen und Maschinen verursacht wird; während in Belgien sich die anscheinend minder solide Bauart, wobei schwere Eisenschienen auf Querhölzern befestigt werden, sich nach einer mehrjährigen Erfahrung in jeder Beziehung als die beste erwiesen; eine Bauart, die sich auch Baden dadurch empfiehlt, daß man dort überall das beste Holz zu den billigsten Preisen zur Hand hat, und daß dadurch nicht blos die Anlagekosten bedeutend reducirt, sondern auch die Werke außerordentlich gefördert werden. Überhaupt kann man den deutschen Technikern nicht oft genug in Erinnerung bringen, daß man nach dem Zeugniß der belgischen Ober-Ingenieure in jenem Lande nur darum so schöne Resultate habe an’s Licht stellen können, weil man sich, mit Beseitigung aller vermeintlichen Verbesserungsvorschläge Anderer, streng an die Pläne und Rathschläge des erfahrensten und einsichtsvollsten aller englischen Ingenieure, des Herrn Stephenson, gehalten. Die deutschen Regierungen und Privat-Compagnieen können unter den gegenwärtigen Verhältnissen wahrlich nichts Besseres thun, als ihre Ingenieure nach Belgien zu schicken mit der Anweisung, die dortige Bauart und ganze Einrichtung genau zu studiren und sie genau nachzumachen. Die badische Commission scheint dies auch gefühlt zu haben; sie sagt: „Nirgends mehr als in diesem Felde ist das Sprichwort wahr, daß die Erfahrung den Meister mache. Man weiß, wie oft die tüchtigsten Techniker, wo sie gar keinen Zweifel für möglich hielten, sich in ihren Erwartungen getäuscht fanden.“ Handelt man in Baden nach dieser vortrefflichen Maxime, so wird man dort, wie in Belgien, vorläufig nur ein Bahngeleise anlegen, die Kosten der Bahn von Manheim nach Basel auf 10 bis 11 Millionen Gulden reduciren und trachten, vermittelst des auf diese Weise Ersparten einerseits den Bodensee, anderseits den Main bei Wertheim mit der Hauptroute in Verbindung zu setzen; eine Erweiterung, die ohnehin von jenen Landestheilen erlangt werden wird. Bemerkenswerth ist der geringe Betrag der durchpassirenden Güter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0124" n="123"/> <p> Abweichend von den Ansichten der Techniker war das Gutachten der Notabeln in Beziehung auf die <hi rendition="#g">Bauart der Bahn</hi> und, wie uns scheint, mit Grund. 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Letzteres scheint hier in der That der Fall zu sein, indem die badischen Techniker als etwas Neues und Solideres vorschlugen, die Eisenschienen auf ein fortlaufendes Steinlager aufzulegen, da doch diese Bauart, nur anscheinend eine solide, in der Anwendung bei der Baltimore- und Ohio-Bahn sich als die schlechteste von allen erprobt hat, weil dabei der Parallelismus der Schienen am häufigsten gestört und die meiste Reparatur an Schienen und Maschinen verursacht wird; während in Belgien sich die anscheinend minder solide Bauart, wobei schwere Eisenschienen auf Querhölzern befestigt werden, sich nach einer mehrjährigen Erfahrung in jeder Beziehung als die beste erwiesen; eine Bauart, die sich auch Baden dadurch empfiehlt, daß man dort überall das beste Holz zu den billigsten Preisen zur Hand hat, und daß dadurch nicht blos die Anlagekosten bedeutend reducirt, sondern auch die Werke außerordentlich gefördert werden. Überhaupt kann man den deutschen Technikern nicht oft genug in Erinnerung bringen, daß man nach dem Zeugniß der <hi rendition="#g">belgischen</hi> Ober-Ingenieure in jenem Lande nur darum so schöne Resultate habe an’s Licht stellen können, weil man sich, mit Beseitigung aller vermeintlichen Verbesserungsvorschläge Anderer, streng an die Pläne und Rathschläge des erfahrensten und einsichtsvollsten aller englischen Ingenieure, des Herrn Stephenson, gehalten. Die deutschen Regierungen und Privat-Compagnieen können unter den gegenwärtigen Verhältnissen wahrlich nichts Besseres thun, als ihre Ingenieure nach Belgien zu schicken mit der Anweisung, die dortige Bauart und ganze Einrichtung genau zu studiren und sie genau nachzumachen. Die badische Commission scheint dies auch gefühlt zu haben; sie sagt: „Nirgends mehr als in diesem Felde ist das Sprichwort wahr, daß die Erfahrung den Meister mache. Man weiß, wie oft die tüchtigsten Techniker, wo sie gar keinen Zweifel für möglich hielten, sich in ihren Erwartungen getäuscht fanden.“</p> <p>Handelt man in Baden nach dieser vortrefflichen Maxime, so wird man dort, wie in Belgien, vorläufig nur ein Bahngeleise anlegen, die Kosten der Bahn von Manheim nach Basel auf 10 bis 11 Millionen Gulden reduciren und trachten, vermittelst des auf diese Weise Ersparten einerseits den Bodensee, anderseits den Main bei Wertheim mit der Hauptroute in Verbindung zu setzen; eine Erweiterung, die ohnehin von jenen Landestheilen erlangt werden wird.</p> <p>Bemerkenswerth ist der geringe Betrag der durchpassirenden Güter </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [123/0124]
Abweichend von den Ansichten der Techniker war das Gutachten der Notabeln in Beziehung auf die Bauart der Bahn und, wie uns scheint, mit Grund. Wenn die Techniker in der Regel sich bestreben, etwas Originelles, etwas ihre Schöpfungen vor allen andern ähnlicher Art Auszeichnendes und ihren Ruhm Begründendes zu Tage zu fördern, so bringt dies nur in einzelnen seltenen Fällen, nur wo wirklich etwas Besseres geleistet worden, den Unternehmungen Vortheil, meistens aber bedeutenden Nachtheil, in so fern häufig nur etwas Anderes, weniger Nützliches und vielleicht auch schon Dagewesenes und wieder Aufgegebenes vorgeschlagen wird. Letzteres scheint hier in der That der Fall zu sein, indem die badischen Techniker als etwas Neues und Solideres vorschlugen, die Eisenschienen auf ein fortlaufendes Steinlager aufzulegen, da doch diese Bauart, nur anscheinend eine solide, in der Anwendung bei der Baltimore- und Ohio-Bahn sich als die schlechteste von allen erprobt hat, weil dabei der Parallelismus der Schienen am häufigsten gestört und die meiste Reparatur an Schienen und Maschinen verursacht wird; während in Belgien sich die anscheinend minder solide Bauart, wobei schwere Eisenschienen auf Querhölzern befestigt werden, sich nach einer mehrjährigen Erfahrung in jeder Beziehung als die beste erwiesen; eine Bauart, die sich auch Baden dadurch empfiehlt, daß man dort überall das beste Holz zu den billigsten Preisen zur Hand hat, und daß dadurch nicht blos die Anlagekosten bedeutend reducirt, sondern auch die Werke außerordentlich gefördert werden. Überhaupt kann man den deutschen Technikern nicht oft genug in Erinnerung bringen, daß man nach dem Zeugniß der belgischen Ober-Ingenieure in jenem Lande nur darum so schöne Resultate habe an’s Licht stellen können, weil man sich, mit Beseitigung aller vermeintlichen Verbesserungsvorschläge Anderer, streng an die Pläne und Rathschläge des erfahrensten und einsichtsvollsten aller englischen Ingenieure, des Herrn Stephenson, gehalten. Die deutschen Regierungen und Privat-Compagnieen können unter den gegenwärtigen Verhältnissen wahrlich nichts Besseres thun, als ihre Ingenieure nach Belgien zu schicken mit der Anweisung, die dortige Bauart und ganze Einrichtung genau zu studiren und sie genau nachzumachen. Die badische Commission scheint dies auch gefühlt zu haben; sie sagt: „Nirgends mehr als in diesem Felde ist das Sprichwort wahr, daß die Erfahrung den Meister mache. Man weiß, wie oft die tüchtigsten Techniker, wo sie gar keinen Zweifel für möglich hielten, sich in ihren Erwartungen getäuscht fanden.“
Handelt man in Baden nach dieser vortrefflichen Maxime, so wird man dort, wie in Belgien, vorläufig nur ein Bahngeleise anlegen, die Kosten der Bahn von Manheim nach Basel auf 10 bis 11 Millionen Gulden reduciren und trachten, vermittelst des auf diese Weise Ersparten einerseits den Bodensee, anderseits den Main bei Wertheim mit der Hauptroute in Verbindung zu setzen; eine Erweiterung, die ohnehin von jenen Landestheilen erlangt werden wird.
Bemerkenswerth ist der geringe Betrag der durchpassirenden Güter
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