List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.dem Centrum näher rückt, die Gefahr vermehrt, von den auf den übrigen Linien herbeiströmenden Streitkräften eingeschlossen zu werden. Da es nicht schwer sein dürfte, von Strecke zu Strecke die Eisenbahnen durch Vertheidigungswerke zu decken, die es möglich machten, den Feind so lange aufzuhalten, bis neue Streitkräfte angelangt wären, und da durch streckenweisen Aufbruch der Bahn der Feind abgehalten würde, mit derselben Schnelligkeit nachzurücken, womit die Vertheidigungskräfte sich zurückzögen, so dürfte es der angegriffenen Nation möglich sein, dem Feind immer wieder frische Armeen entgegenzustellen und ihm jeden Tag ein neues Treffen zu liefern, während dieser seiner Seits sich nicht in gleich günstiger Lage befände, die erlittenen Verluste von Tag zu Tag wieder zu ersetzen. Um Alles mit einem Worte zu sagen, ein vollständiges Eisenbahnsystem wird das ganze Territorium einer Nation in eine große Festung verwandeln, die von der ganzen streitbaren Mannschaft der angegriffenen Nation mit der größten Leichtigkeit, mit dem geringsten Kostenaufwand und den geringsten Nachtheilen für das Land vertheidigt werden kann. Die erste und größte Wirkung der Eisenbahnsysteme in dieser Beziehung ist demnach die, daß die Invasionskriege aufhören; es kann nur noch von Grenzkriegen die Rede sein. Da aber die Erfahrung bald lehren wird, daß Grenzkriege, deren Siege nicht bis in's Innere verfolgt werden können, sich als zweck- und erfolglose Raufereien im Großen darstellen, so dürften die europäischen Continental-Nationen sofort zur Überzeugung gelangen, wie es für Alle am klügsten wäre, wenn sie in Friede und Freundschaft neben einander wohnten und bei entstehenden Differenzen nur den Forderungen des Rechts und der Vernunft Gehör gäben. So wird das Eisenbahnsystem aus einer Kriegsmilderungs-, Abkürzungs- und Verminderungs-Maschine am Ende gar eine Maschine, die den Krieg zerstört und alsdann der Industrie der Continental-Nationen dieselben Vortheile gewährt, welche England seit vielen Jahrhunderten aus seiner insularischen Lage erwachsen sind, und denen jenes Land zum großen Theil den jetzigen hohen Stand seiner Industrie zu verdanken hat. Der zweiten Generation würde nicht mehr zerstört, was von der ersten gebaut worden ist, so daß die dritte wieder von vorn anzufangen hätte zu bauen; jede würde das Werk der Civilisation da fortsetzen, wo die vorige aufgehört hat, und es der folgenden zur Weiterbildung überliefern. Anders stellten sich freilich die Verhältnisse, wenn nur eine einzige Nation auf dem europäischen Continent sich dieser mächtigen Vertheidigungs-Maschine versicherte. Zehn Mal stärker als zuvor in ihrer Vertheidigung gegen alle sie umgebenden Nationen, wäre sie zehn Mal furchtbarer in ihren Angriffen. Sie stände ganz in dem Vortheil einer ungeheuer großen, stark besetzten, mit Proviant, Munition und Artillerie wohlversehenen, mit zahlreichen Forts umgürteten Festung, dem unvertheidigten Lande gegenüber. Aus diesem Grunde liegt es eben so wenig in unserer freien Wahl, ob wir uns der von den Fortschritten dem Centrum näher rückt, die Gefahr vermehrt, von den auf den übrigen Linien herbeiströmenden Streitkräften eingeschlossen zu werden. Da es nicht schwer sein dürfte, von Strecke zu Strecke die Eisenbahnen durch Vertheidigungswerke zu decken, die es möglich machten, den Feind so lange aufzuhalten, bis neue Streitkräfte angelangt wären, und da durch streckenweisen Aufbruch der Bahn der Feind abgehalten würde, mit derselben Schnelligkeit nachzurücken, womit die Vertheidigungskräfte sich zurückzögen, so dürfte es der angegriffenen Nation möglich sein, dem Feind immer wieder frische Armeen entgegenzustellen und ihm jeden Tag ein neues Treffen zu liefern, während dieser seiner Seits sich nicht in gleich günstiger Lage befände, die erlittenen Verluste von Tag zu Tag wieder zu ersetzen. Um Alles mit einem Worte zu sagen, ein vollständiges Eisenbahnsystem wird das ganze Territorium einer Nation in eine große Festung verwandeln, die von der ganzen streitbaren Mannschaft der angegriffenen Nation mit der größten Leichtigkeit, mit dem geringsten Kostenaufwand und den geringsten Nachtheilen für das Land vertheidigt werden kann. Die erste und größte Wirkung der Eisenbahnsysteme in dieser Beziehung ist demnach die, daß die Invasionskriege aufhören; es kann nur noch von Grenzkriegen die Rede sein. Da aber die Erfahrung bald lehren wird, daß Grenzkriege, deren Siege nicht bis in’s Innere verfolgt werden können, sich als zweck- und erfolglose Raufereien im Großen darstellen, so dürften die europäischen Continental-Nationen sofort zur Überzeugung gelangen, wie es für Alle am klügsten wäre, wenn sie in Friede und Freundschaft neben einander wohnten und bei entstehenden Differenzen nur den Forderungen des Rechts und der Vernunft Gehör gäben. So wird das Eisenbahnsystem aus einer Kriegsmilderungs-, Abkürzungs- und Verminderungs-Maschine am Ende gar eine Maschine, die den Krieg zerstört und alsdann der Industrie der Continental-Nationen dieselben Vortheile gewährt, welche England seit vielen Jahrhunderten aus seiner insularischen Lage erwachsen sind, und denen jenes Land zum großen Theil den jetzigen hohen Stand seiner Industrie zu verdanken hat. Der zweiten Generation würde nicht mehr zerstört, was von der ersten gebaut worden ist, so daß die dritte wieder von vorn anzufangen hätte zu bauen; jede würde das Werk der Civilisation da fortsetzen, wo die vorige aufgehört hat, und es der folgenden zur Weiterbildung überliefern. Anders stellten sich freilich die Verhältnisse, wenn nur eine einzige Nation auf dem europäischen Continent sich dieser mächtigen Vertheidigungs-Maschine versicherte. Zehn Mal stärker als zuvor in ihrer Vertheidigung gegen alle sie umgebenden Nationen, wäre sie zehn Mal furchtbarer in ihren Angriffen. Sie stände ganz in dem Vortheil einer ungeheuer großen, stark besetzten, mit Proviant, Munition und Artillerie wohlversehenen, mit zahlreichen Forts umgürteten Festung, dem unvertheidigten Lande gegenüber. Aus diesem Grunde liegt es eben so wenig in unserer freien Wahl, ob wir uns der von den Fortschritten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0015" n="14"/> dem Centrum näher rückt, die Gefahr vermehrt, von den auf den übrigen Linien herbeiströmenden Streitkräften eingeschlossen zu werden. 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Um Alles mit einem Worte zu sagen, ein vollständiges Eisenbahnsystem wird das ganze Territorium einer Nation in eine große Festung verwandeln, die von der ganzen streitbaren Mannschaft der angegriffenen Nation mit der größten Leichtigkeit, mit dem geringsten Kostenaufwand und den geringsten Nachtheilen für das Land vertheidigt werden kann.</p> <p>Die erste und größte Wirkung der Eisenbahnsysteme in dieser Beziehung ist demnach die, <hi rendition="#g">daß die Invasionskriege aufhören</hi>; es kann nur noch von Grenzkriegen die Rede sein. Da aber die Erfahrung bald lehren wird, daß Grenzkriege, deren Siege nicht bis in’s Innere verfolgt werden können, sich als zweck- und erfolglose Raufereien im Großen darstellen, so dürften die europäischen Continental-Nationen sofort zur Überzeugung gelangen, wie es für Alle am klügsten wäre, wenn sie in Friede und Freundschaft neben einander wohnten und bei entstehenden Differenzen nur den Forderungen des Rechts und der Vernunft Gehör gäben. So wird das Eisenbahnsystem aus einer Kriegsmilderungs-, Abkürzungs- und Verminderungs-Maschine am Ende gar eine Maschine, die den Krieg zerstört und alsdann der Industrie der Continental-Nationen dieselben Vortheile gewährt, welche England seit vielen Jahrhunderten aus seiner insularischen Lage erwachsen sind, und denen jenes Land zum großen Theil den jetzigen hohen Stand seiner Industrie zu verdanken hat. Der zweiten Generation würde nicht mehr zerstört, was von der ersten gebaut worden ist, so daß die dritte wieder von vorn anzufangen hätte zu bauen; jede würde das Werk der Civilisation da fortsetzen, wo die vorige aufgehört hat, und es der folgenden zur Weiterbildung überliefern.</p> <p>Anders stellten sich freilich die Verhältnisse, wenn nur eine einzige Nation auf dem europäischen Continent sich dieser mächtigen Vertheidigungs-Maschine versicherte. Zehn Mal stärker als zuvor in ihrer Vertheidigung gegen alle sie umgebenden Nationen, wäre sie zehn Mal furchtbarer in ihren Angriffen. Sie stände ganz in dem Vortheil einer ungeheuer großen, stark besetzten, mit Proviant, Munition und Artillerie wohlversehenen, mit zahlreichen Forts umgürteten Festung, dem unvertheidigten Lande gegenüber. Aus diesem Grunde liegt es eben so wenig in unserer freien Wahl, ob wir uns der von den Fortschritten </p> </div> </body> </text> </TEI> [14/0015]
dem Centrum näher rückt, die Gefahr vermehrt, von den auf den übrigen Linien herbeiströmenden Streitkräften eingeschlossen zu werden. Da es nicht schwer sein dürfte, von Strecke zu Strecke die Eisenbahnen durch Vertheidigungswerke zu decken, die es möglich machten, den Feind so lange aufzuhalten, bis neue Streitkräfte angelangt wären, und da durch streckenweisen Aufbruch der Bahn der Feind abgehalten würde, mit derselben Schnelligkeit nachzurücken, womit die Vertheidigungskräfte sich zurückzögen, so dürfte es der angegriffenen Nation möglich sein, dem Feind immer wieder frische Armeen entgegenzustellen und ihm jeden Tag ein neues Treffen zu liefern, während dieser seiner Seits sich nicht in gleich günstiger Lage befände, die erlittenen Verluste von Tag zu Tag wieder zu ersetzen. Um Alles mit einem Worte zu sagen, ein vollständiges Eisenbahnsystem wird das ganze Territorium einer Nation in eine große Festung verwandeln, die von der ganzen streitbaren Mannschaft der angegriffenen Nation mit der größten Leichtigkeit, mit dem geringsten Kostenaufwand und den geringsten Nachtheilen für das Land vertheidigt werden kann.
Die erste und größte Wirkung der Eisenbahnsysteme in dieser Beziehung ist demnach die, daß die Invasionskriege aufhören; es kann nur noch von Grenzkriegen die Rede sein. Da aber die Erfahrung bald lehren wird, daß Grenzkriege, deren Siege nicht bis in’s Innere verfolgt werden können, sich als zweck- und erfolglose Raufereien im Großen darstellen, so dürften die europäischen Continental-Nationen sofort zur Überzeugung gelangen, wie es für Alle am klügsten wäre, wenn sie in Friede und Freundschaft neben einander wohnten und bei entstehenden Differenzen nur den Forderungen des Rechts und der Vernunft Gehör gäben. So wird das Eisenbahnsystem aus einer Kriegsmilderungs-, Abkürzungs- und Verminderungs-Maschine am Ende gar eine Maschine, die den Krieg zerstört und alsdann der Industrie der Continental-Nationen dieselben Vortheile gewährt, welche England seit vielen Jahrhunderten aus seiner insularischen Lage erwachsen sind, und denen jenes Land zum großen Theil den jetzigen hohen Stand seiner Industrie zu verdanken hat. Der zweiten Generation würde nicht mehr zerstört, was von der ersten gebaut worden ist, so daß die dritte wieder von vorn anzufangen hätte zu bauen; jede würde das Werk der Civilisation da fortsetzen, wo die vorige aufgehört hat, und es der folgenden zur Weiterbildung überliefern.
Anders stellten sich freilich die Verhältnisse, wenn nur eine einzige Nation auf dem europäischen Continent sich dieser mächtigen Vertheidigungs-Maschine versicherte. Zehn Mal stärker als zuvor in ihrer Vertheidigung gegen alle sie umgebenden Nationen, wäre sie zehn Mal furchtbarer in ihren Angriffen. Sie stände ganz in dem Vortheil einer ungeheuer großen, stark besetzten, mit Proviant, Munition und Artillerie wohlversehenen, mit zahlreichen Forts umgürteten Festung, dem unvertheidigten Lande gegenüber. Aus diesem Grunde liegt es eben so wenig in unserer freien Wahl, ob wir uns der von den Fortschritten
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