List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.Grundsätze befolgten, die bei den heutigen Eisenbahnanlagen zur Richtschnur dienen, benutzten es aber nur, um die Nationen der Erde zu brandschatzen und in Knechtschaft zu erhalten. Außer den genannten besaß kein Volk des Alterthums ordentliche Straßen; zu Lande wurden die Lasten meistens von Menschen oder Thieren fortgeschleppt. Ein Sklave konnte nur den 50., ein Tragpferd nur den 10., ein Kameel nur den 5. Theil derjenigen Last fortbewegen, die ein tüchtiges Pferd auf einer macadamisirten Chaussee zieht. Unter diesen Umständen war es natürlich, daß alles Binnenland, also der größte Theil der culturfähigen Erde, in Armuth und Barbarei versunken blieb. Durch eine Vergleichung des Zustandes der Meeresküsten und der Ufer schiffbarer Ströme mit dem Zustande der Länder, welche der Vortheile der Schifffahrt beraubt waren, hätte man schon im Alterthume zur Einsicht gelangen können, daß der Wohlstand und die Cultur der Völker großentheils durch den Zustand ihrer Transportmittel bedingt sei. Aber sogar die neueren Völker brauchten weit über ein Jahrtausend, um den Bau und den Nutzen der Chausseen, wozu ihnen doch die Römer das beste Muster hinterlassen hatten, kennen zu lernen, und Jahrhunderte, um sie allgemein einzuführen. Noch leben Viele in Deutschland, die in ihrer Jugend gute Chausseen als eine ihnen ganz neue Verbesserung bewundert haben; und in England, in dem Lande der vollkommensten Landstraßen, die es gibt, gingen noch im Jahre 1763 die Postkutschen wegen der schlechten Landstraßen so langsam, daß man volle 14 Tage brauchte, um von London nach Edinburg zu gelangen, während man jetzt diese Strecke auf macadamisirten Straßen in 36 Stunden zurücklegt. Was man auch von der guten alten Zeit rühmen mag, ein unserem Zeitalter ganz eigenthümlicher Vorzug, den ihm Niemand streitig machen kann, ist der, daß die Nationen in nützlichen Unternehmungen mit einander wetteifern. Die Römer wußten nichts von Schiffcanälen, ungeachtet ihnen die Ägypter mit großen Beispielen vorangegangen waren. Erst im 13. Jahrhundert kam in den italienischen Republiken der Canalbau auf; erst im 15. Jahrhundert ward er dort allgemein, und Frankreich besann sich volle drei Jahrhunderte, ehe es die Italiener nachahmte, während seine Nachbarn, die Holländer, schon im 12. Jahrhundert durch Anlegung eines Canalsystems zu ihrer nachmaligen Größe den Grund zu legen begannen. England trat sogar noch ein volles Jahrhundert später (1755) als Frankreich in die Schranken, ging dann aber auch mit solcher Riesenkraft an's Werk, daß es bis zum Jahre 1820 2589 Meilen Canäle in fahrbaren Stand setzte. Grundsätze befolgten, die bei den heutigen Eisenbahnanlagen zur Richtschnur dienen, benutzten es aber nur, um die Nationen der Erde zu brandschatzen und in Knechtschaft zu erhalten. Außer den genannten besaß kein Volk des Alterthums ordentliche Straßen; zu Lande wurden die Lasten meistens von Menschen oder Thieren fortgeschleppt. Ein Sklave konnte nur den 50., ein Tragpferd nur den 10., ein Kameel nur den 5. Theil derjenigen Last fortbewegen, die ein tüchtiges Pferd auf einer macadamisirten Chaussee zieht. Unter diesen Umständen war es natürlich, daß alles Binnenland, also der größte Theil der culturfähigen Erde, in Armuth und Barbarei versunken blieb. Durch eine Vergleichung des Zustandes der Meeresküsten und der Ufer schiffbarer Ströme mit dem Zustande der Länder, welche der Vortheile der Schifffahrt beraubt waren, hätte man schon im Alterthume zur Einsicht gelangen können, daß der Wohlstand und die Cultur der Völker großentheils durch den Zustand ihrer Transportmittel bedingt sei. Aber sogar die neueren Völker brauchten weit über ein Jahrtausend, um den Bau und den Nutzen der Chausseen, wozu ihnen doch die Römer das beste Muster hinterlassen hatten, kennen zu lernen, und Jahrhunderte, um sie allgemein einzuführen. Noch leben Viele in Deutschland, die in ihrer Jugend gute Chausseen als eine ihnen ganz neue Verbesserung bewundert haben; und in England, in dem Lande der vollkommensten Landstraßen, die es gibt, gingen noch im Jahre 1763 die Postkutschen wegen der schlechten Landstraßen so langsam, daß man volle 14 Tage brauchte, um von London nach Edinburg zu gelangen, während man jetzt diese Strecke auf macadamisirten Straßen in 36 Stunden zurücklegt. Was man auch von der guten alten Zeit rühmen mag, ein unserem Zeitalter ganz eigenthümlicher Vorzug, den ihm Niemand streitig machen kann, ist der, daß die Nationen in nützlichen Unternehmungen mit einander wetteifern. Die Römer wußten nichts von Schiffcanälen, ungeachtet ihnen die Ägypter mit großen Beispielen vorangegangen waren. Erst im 13. Jahrhundert kam in den italienischen Republiken der Canalbau auf; erst im 15. Jahrhundert ward er dort allgemein, und Frankreich besann sich volle drei Jahrhunderte, ehe es die Italiener nachahmte, während seine Nachbarn, die Holländer, schon im 12. Jahrhundert durch Anlegung eines Canalsystems zu ihrer nachmaligen Größe den Grund zu legen begannen. England trat sogar noch ein volles Jahrhundert später (1755) als Frankreich in die Schranken, ging dann aber auch mit solcher Riesenkraft an’s Werk, daß es bis zum Jahre 1820 2589 Meilen Canäle in fahrbaren Stand setzte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0003" n="2"/> Grundsätze befolgten, die bei den heutigen Eisenbahnanlagen zur Richtschnur dienen, benutzten es aber nur, um die Nationen der Erde zu brandschatzen und in Knechtschaft zu erhalten.</p> <p>Außer den genannten besaß <hi rendition="#g">kein Volk des Alterthums</hi> ordentliche Straßen; zu Lande wurden die Lasten meistens von Menschen oder Thieren fortgeschleppt.</p> <p>Ein Sklave konnte nur den 50., ein Tragpferd nur den 10., ein Kameel nur den 5. Theil derjenigen Last fortbewegen, die ein tüchtiges Pferd auf einer macadamisirten Chaussee zieht.</p> <p>Unter diesen Umständen war es natürlich, daß alles Binnenland, also der größte Theil der culturfähigen Erde, in Armuth und Barbarei versunken blieb.</p> <p>Durch eine Vergleichung des Zustandes der Meeresküsten und der Ufer schiffbarer Ströme mit dem Zustande der Länder, welche der Vortheile der Schifffahrt beraubt waren, hätte man schon im Alterthume zur Einsicht gelangen können, daß der <hi rendition="#g">Wohlstand und die Cultur der Völker großentheils durch den Zustand ihrer Transportmittel bedingt sei</hi>.</p> <p>Aber sogar die <hi rendition="#g">neueren Völker</hi> brauchten weit über ein Jahrtausend, um den Bau und den Nutzen der Chausseen, wozu ihnen doch die Römer das beste Muster hinterlassen hatten, kennen zu lernen, und Jahrhunderte, um sie allgemein einzuführen. 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Jahrhundert ward er dort allgemein, und Frankreich besann sich volle drei Jahrhunderte, ehe es die Italiener nachahmte, während seine Nachbarn, die Holländer, schon im 12. Jahrhundert durch Anlegung eines Canalsystems zu ihrer nachmaligen Größe den Grund zu legen begannen. England trat sogar noch ein volles Jahrhundert später (1755) als Frankreich in die Schranken, ging dann aber auch mit solcher Riesenkraft an’s Werk, daß es bis zum Jahre 1820 2589 Meilen Canäle in fahrbaren Stand setzte.</p> </div> </body> </text> </TEI> [2/0003]
Grundsätze befolgten, die bei den heutigen Eisenbahnanlagen zur Richtschnur dienen, benutzten es aber nur, um die Nationen der Erde zu brandschatzen und in Knechtschaft zu erhalten.
Außer den genannten besaß kein Volk des Alterthums ordentliche Straßen; zu Lande wurden die Lasten meistens von Menschen oder Thieren fortgeschleppt.
Ein Sklave konnte nur den 50., ein Tragpferd nur den 10., ein Kameel nur den 5. Theil derjenigen Last fortbewegen, die ein tüchtiges Pferd auf einer macadamisirten Chaussee zieht.
Unter diesen Umständen war es natürlich, daß alles Binnenland, also der größte Theil der culturfähigen Erde, in Armuth und Barbarei versunken blieb.
Durch eine Vergleichung des Zustandes der Meeresküsten und der Ufer schiffbarer Ströme mit dem Zustande der Länder, welche der Vortheile der Schifffahrt beraubt waren, hätte man schon im Alterthume zur Einsicht gelangen können, daß der Wohlstand und die Cultur der Völker großentheils durch den Zustand ihrer Transportmittel bedingt sei.
Aber sogar die neueren Völker brauchten weit über ein Jahrtausend, um den Bau und den Nutzen der Chausseen, wozu ihnen doch die Römer das beste Muster hinterlassen hatten, kennen zu lernen, und Jahrhunderte, um sie allgemein einzuführen. Noch leben Viele in Deutschland, die in ihrer Jugend gute Chausseen als eine ihnen ganz neue Verbesserung bewundert haben; und in England, in dem Lande der vollkommensten Landstraßen, die es gibt, gingen noch im Jahre 1763 die Postkutschen wegen der schlechten Landstraßen so langsam, daß man volle 14 Tage brauchte, um von London nach Edinburg zu gelangen, während man jetzt diese Strecke auf macadamisirten Straßen in 36 Stunden zurücklegt.
Was man auch von der guten alten Zeit rühmen mag, ein unserem Zeitalter ganz eigenthümlicher Vorzug, den ihm Niemand streitig machen kann, ist der, daß die Nationen in nützlichen Unternehmungen mit einander wetteifern. Die Römer wußten nichts von Schiffcanälen, ungeachtet ihnen die Ägypter mit großen Beispielen vorangegangen waren. Erst im 13. Jahrhundert kam in den italienischen Republiken der Canalbau auf; erst im 15. Jahrhundert ward er dort allgemein, und Frankreich besann sich volle drei Jahrhunderte, ehe es die Italiener nachahmte, während seine Nachbarn, die Holländer, schon im 12. Jahrhundert durch Anlegung eines Canalsystems zu ihrer nachmaligen Größe den Grund zu legen begannen. England trat sogar noch ein volles Jahrhundert später (1755) als Frankreich in die Schranken, ging dann aber auch mit solcher Riesenkraft an’s Werk, daß es bis zum Jahre 1820 2589 Meilen Canäle in fahrbaren Stand setzte.
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