List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.der Vortheile beider zu ersinnen und praktisch ausführbar sei? Hiebei kommt vor Allem in Betracht, daß diese colossalen Unternehmungen (insofern es sich dabei nicht blos von einer Verbindung zweier einander ganz nahe gelegener Städte oder von Verbindung eines Bergwerks oder einer Fabrik mit einem benachbarten Canal, oder überhaupt von speciellen Zwecken handelt) viele Jahre Zeit, große Einheit in der Aufsicht und Leitung, und mehr als gewöhnliche Kenntniß, Erfahrung, Umsicht und Ausdauer bei den leitenden Personen voraussetzen; daß wegen unvorherzusehender Schwierigkeiten im Bau und wegen der möglichen Veränderung der Preise der Materialien, Taglöhne u. s. w., die Anlagekosten selten mit einiger Bestimmtheit zu veranschlagen sind; daß auf der andern Seite auch das Einkommen ungewiß ist, indem Niemand mit irgend einiger Sicherheit vorher zu bestimmen vermag, wie viele Personen und Güter sich auf den anzulegenden Eisenbahnen und Canälen bewegen werden; daß sogar neue Erfindungen an's Licht treten, besonders aber, daß Ereignisse, wie z. B. Krieg, sich begeben können, wodurch die Einträglichkeit der Unternehmungen wesentlich gefährdet oder gar eine totale Stockung in den Einzahlungen und im Bau herbeigeführt werden kann. Die Geschichte der Canäle, an welche wir uns hier besonders zu halten haben, da die Eisenbahnen noch viel zu neu sind, als daß ihre Geschichte zureichende Belehrung gewähren könnte, weiset Beispiele auf, welche das Angeführte zureichend bestätigen und erläutern. Wir beschränken uns hierbei auf diejenigen Unternehmungen, die wir selbst ganz oder zum Theil haben entstehen sehen. Der Delaware- und Chesapeak-Canal, der zwei Meerbusen miteinander verbindet und für die ganze Union von so großem Interesse ist, daß er, hätte ihn nicht eine Privat-Compagnie in der Hoffnung auf bedeutenden Gewinn unternommen, einige Jahre später ohne Zweifel auf Rechnung der Union zur Ausführung gebracht worden wäre, ward vor dem Angriff des Werks zu ungefähr 1,200,000 Dollars veranschlagt, eine Summe, die selbst von den einsichtsvollsten Leuten für vollkommen zureichend gehalten ward, da die ganze Länge desselben nur ungefähr 3 deutsche Meilen beträgt, das Terrain aber so flach ist, daß er außer den zwei Fluthschleußen nicht mehr als zwei Hebeschleußen erforderte, und der größte Theil der Strecke beinahe einen natürlichen Canal bildete. Die Hauptschwierigkeit war ein tiefer Einschnitt durch eine querlaufende Anhöhe, der zwar in seiner größten Tiefe 70 Fuß betrug, jedoch nicht von sehr bedeutender Länge war. Als man aber zur Ausführung schritt, bot die Gründung der Ziehpfade in dem sehr sumpfigen Boden und besonders der tiefe Einschnitt Schwierigkeiten dar, die alle Berechnungen über den Haufen stießen. Man fand nämlich, daß die Anhöhe aus einer ganz weichen Bodenart bestand, die sich von beiden Seiten immer mehr nachsenkte, je tiefer man kam. Der Einschnitt mußte also oben immer weiter und weiter gemacht werden. Dem ungeachtet der Vortheile beider zu ersinnen und praktisch ausführbar sei? Hiebei kommt vor Allem in Betracht, daß diese colossalen Unternehmungen (insofern es sich dabei nicht blos von einer Verbindung zweier einander ganz nahe gelegener Städte oder von Verbindung eines Bergwerks oder einer Fabrik mit einem benachbarten Canal, oder überhaupt von speciellen Zwecken handelt) viele Jahre Zeit, große Einheit in der Aufsicht und Leitung, und mehr als gewöhnliche Kenntniß, Erfahrung, Umsicht und Ausdauer bei den leitenden Personen voraussetzen; daß wegen unvorherzusehender Schwierigkeiten im Bau und wegen der möglichen Veränderung der Preise der Materialien, Taglöhne u. s. w., die Anlagekosten selten mit einiger Bestimmtheit zu veranschlagen sind; daß auf der andern Seite auch das Einkommen ungewiß ist, indem Niemand mit irgend einiger Sicherheit vorher zu bestimmen vermag, wie viele Personen und Güter sich auf den anzulegenden Eisenbahnen und Canälen bewegen werden; daß sogar neue Erfindungen an’s Licht treten, besonders aber, daß Ereignisse, wie z. B. Krieg, sich begeben können, wodurch die Einträglichkeit der Unternehmungen wesentlich gefährdet oder gar eine totale Stockung in den Einzahlungen und im Bau herbeigeführt werden kann. Die Geschichte der Canäle, an welche wir uns hier besonders zu halten haben, da die Eisenbahnen noch viel zu neu sind, als daß ihre Geschichte zureichende Belehrung gewähren könnte, weiset Beispiele auf, welche das Angeführte zureichend bestätigen und erläutern. Wir beschränken uns hierbei auf diejenigen Unternehmungen, die wir selbst ganz oder zum Theil haben entstehen sehen. Der Delaware- und Chesapeak-Canal, der zwei Meerbusen miteinander verbindet und für die ganze Union von so großem Interesse ist, daß er, hätte ihn nicht eine Privat-Compagnie in der Hoffnung auf bedeutenden Gewinn unternommen, einige Jahre später ohne Zweifel auf Rechnung der Union zur Ausführung gebracht worden wäre, ward vor dem Angriff des Werks zu ungefähr 1,200,000 Dollars veranschlagt, eine Summe, die selbst von den einsichtsvollsten Leuten für vollkommen zureichend gehalten ward, da die ganze Länge desselben nur ungefähr 3 deutsche Meilen beträgt, das Terrain aber so flach ist, daß er außer den zwei Fluthschleußen nicht mehr als zwei Hebeschleußen erforderte, und der größte Theil der Strecke beinahe einen natürlichen Canal bildete. Die Hauptschwierigkeit war ein tiefer Einschnitt durch eine querlaufende Anhöhe, der zwar in seiner größten Tiefe 70 Fuß betrug, jedoch nicht von sehr bedeutender Länge war. Als man aber zur Ausführung schritt, bot die Gründung der Ziehpfade in dem sehr sumpfigen Boden und besonders der tiefe Einschnitt Schwierigkeiten dar, die alle Berechnungen über den Haufen stießen. Man fand nämlich, daß die Anhöhe aus einer ganz weichen Bodenart bestand, die sich von beiden Seiten immer mehr nachsenkte, je tiefer man kam. Der Einschnitt mußte also oben immer weiter und weiter gemacht werden. 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Die Hauptschwierigkeit war ein tiefer Einschnitt durch eine querlaufende Anhöhe, der zwar in seiner größten Tiefe 70 Fuß betrug, jedoch nicht von sehr bedeutender Länge war. Als man aber zur Ausführung schritt, bot die Gründung der Ziehpfade in dem sehr sumpfigen Boden und besonders der tiefe Einschnitt Schwierigkeiten dar, die alle Berechnungen über den Haufen stießen. Man fand nämlich, daß die Anhöhe aus einer ganz weichen Bodenart bestand, die sich von beiden Seiten immer mehr nachsenkte, je tiefer man kam. Der Einschnitt mußte also oben immer weiter und weiter gemacht werden. Dem ungeachtet </p> </div> </body> </text> </TEI> [36/0037]
der Vortheile beider zu ersinnen und praktisch ausführbar sei?
Hiebei kommt vor Allem in Betracht, daß diese colossalen Unternehmungen (insofern es sich dabei nicht blos von einer Verbindung zweier einander ganz nahe gelegener Städte oder von Verbindung eines Bergwerks oder einer Fabrik mit einem benachbarten Canal, oder überhaupt von speciellen Zwecken handelt) viele Jahre Zeit, große Einheit in der Aufsicht und Leitung, und mehr als gewöhnliche Kenntniß, Erfahrung, Umsicht und Ausdauer bei den leitenden Personen voraussetzen; daß wegen unvorherzusehender Schwierigkeiten im Bau und wegen der möglichen Veränderung der Preise der Materialien, Taglöhne u. s. w., die Anlagekosten selten mit einiger Bestimmtheit zu veranschlagen sind; daß auf der andern Seite auch das Einkommen ungewiß ist, indem Niemand mit irgend einiger Sicherheit vorher zu bestimmen vermag, wie viele Personen und Güter sich auf den anzulegenden Eisenbahnen und Canälen bewegen werden; daß sogar neue Erfindungen an’s Licht treten, besonders aber, daß Ereignisse, wie z. B. Krieg, sich begeben können, wodurch die Einträglichkeit der Unternehmungen wesentlich gefährdet oder gar eine totale Stockung in den Einzahlungen und im Bau herbeigeführt werden kann.
Die Geschichte der Canäle, an welche wir uns hier besonders zu halten haben, da die Eisenbahnen noch viel zu neu sind, als daß ihre Geschichte zureichende Belehrung gewähren könnte, weiset Beispiele auf, welche das Angeführte zureichend bestätigen und erläutern. Wir beschränken uns hierbei auf diejenigen Unternehmungen, die wir selbst ganz oder zum Theil haben entstehen sehen.
Der Delaware- und Chesapeak-Canal, der zwei Meerbusen miteinander verbindet und für die ganze Union von so großem Interesse ist, daß er, hätte ihn nicht eine Privat-Compagnie in der Hoffnung auf bedeutenden Gewinn unternommen, einige Jahre später ohne Zweifel auf Rechnung der Union zur Ausführung gebracht worden wäre, ward vor dem Angriff des Werks zu ungefähr 1,200,000 Dollars veranschlagt, eine Summe, die selbst von den einsichtsvollsten Leuten für vollkommen zureichend gehalten ward, da die ganze Länge desselben nur ungefähr 3 deutsche Meilen beträgt, das Terrain aber so flach ist, daß er außer den zwei Fluthschleußen nicht mehr als zwei Hebeschleußen erforderte, und der größte Theil der Strecke beinahe einen natürlichen Canal bildete. Die Hauptschwierigkeit war ein tiefer Einschnitt durch eine querlaufende Anhöhe, der zwar in seiner größten Tiefe 70 Fuß betrug, jedoch nicht von sehr bedeutender Länge war. Als man aber zur Ausführung schritt, bot die Gründung der Ziehpfade in dem sehr sumpfigen Boden und besonders der tiefe Einschnitt Schwierigkeiten dar, die alle Berechnungen über den Haufen stießen. Man fand nämlich, daß die Anhöhe aus einer ganz weichen Bodenart bestand, die sich von beiden Seiten immer mehr nachsenkte, je tiefer man kam. Der Einschnitt mußte also oben immer weiter und weiter gemacht werden. Dem ungeachtet
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