List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.und bis zu Realisirung eines reellen Profits aufgelaufenen Zinsen und Zwischenzinsen, so dürfte sich ergeben, daß kaum diejenigen Actionaire gewinnen, die 200 für 100 Einzahlung realisirt haben. Die vorstehende Übersicht der englischen Canal-Unternehmungen wird es begreiflich machen, daß des unermeßlichen Nutzens ungeachtet, den das englische Canalsystem gestiftet*), die Canalspeculationen in England viel Unheil angerichtet haben, und man hat alle Ursache anzunehmen, die englische Regierung, hätte sie bei'm Beginn der Canal-Unternehmungen den Erfolg mit allen seinen Umständen voraussehen können, würde Anstand genommen haben, den Canalbau so ohne alle Einschränkung und directe Theilnahme der Privat-Industrie zu überlassen. Der Staat ist bei dergleichen Unternehmungen den Privat-Compagnien gegenüber in großem Vortheil: er gewinnt jedenfalls, in so fern die nationalökonomischen Vortheile fast überall unendlich größer sind, als der erforderliche Aufwand, selbst wo das Erträgniß nur die Betriebskosten ersetzt; bei ihm wird der Verlust auf den minder günstigen Linien durch den Gewinn auf den bessern ausgeglichen; er kann mehr auf den Nutzen des Ganzen, als den Vortheil des Einzelnen, mehr auf den Staatszweck, als auf den augenblicklichen Ertrag der Unternehmungen sehen; er wird also mehr System und Einheit in's Ganze bringen. In seiner Natur liegt es, nicht nur die Bedürfnisse der Gegenwart, sondern auch die der künftigen Generationen in's Auge zu fassen, während die Privaten sich zunächst nur die Erreichung von Dividenden und von möglichst hohen Dividenden zum Ziel setzen müssen. Der Staat, zumal wo es sich von finanziell productiven Unternehmungen handelt, ist in seinen Mitteln unendlich weniger beschränkt als Privat-Compagnieen; er vermag also die Nation früher in den Besitz der Vortheile solcher Unternehmungen zu setzen. Bei Handelskrisen oder Kriegsausbrüchen wird, wenn der Staat Unternehmer ist, die öffentliche Calamität nicht auch noch durch das Fallen einer großen Menge von Actien, durch Unterbrechung der Arbeiten und durch allgemeinen Familien-Ruin vermehrt werden. Wenn aus den erwähnten Gründen und Erfahrungen Alles dafür spricht, daß große Canäle und vielmehr noch ganze Canalsysteme auf Rechnung des Staats in Ausführung gebracht werden; so erscheinen diese Gründe, angewendet auf die Eisenbahnen, keineswegs von geringerem Gewicht, vielmehr treten in dieser Beziehung ganz neue und zum Theil noch gewichtigere hinzu. Bei den Eisenbahnen kommt in Beziehung auf ihre Wirksamkeit für die Beförderung sämmtlicher Nationalzwecke sehr viel *) Man berechnet, daß in Folge des Canalbaus während der Regierungszeit Georgs des Dritten 2 Millionen Acker öden Landes urbar gemacht worden sind, und der Ertrag des im Bereich der Canäle gelegenen Landes verdreifacht worden ist.
und bis zu Realisirung eines reellen Profits aufgelaufenen Zinsen und Zwischenzinsen, so dürfte sich ergeben, daß kaum diejenigen Actionaire gewinnen, die 200 für 100 Einzahlung realisirt haben. Die vorstehende Übersicht der englischen Canal-Unternehmungen wird es begreiflich machen, daß des unermeßlichen Nutzens ungeachtet, den das englische Canalsystem gestiftet*), die Canalspeculationen in England viel Unheil angerichtet haben, und man hat alle Ursache anzunehmen, die englische Regierung, hätte sie bei’m Beginn der Canal-Unternehmungen den Erfolg mit allen seinen Umständen voraussehen können, würde Anstand genommen haben, den Canalbau so ohne alle Einschränkung und directe Theilnahme der Privat-Industrie zu überlassen. Der Staat ist bei dergleichen Unternehmungen den Privat-Compagnien gegenüber in großem Vortheil: er gewinnt jedenfalls, in so fern die nationalökonomischen Vortheile fast überall unendlich größer sind, als der erforderliche Aufwand, selbst wo das Erträgniß nur die Betriebskosten ersetzt; bei ihm wird der Verlust auf den minder günstigen Linien durch den Gewinn auf den bessern ausgeglichen; er kann mehr auf den Nutzen des Ganzen, als den Vortheil des Einzelnen, mehr auf den Staatszweck, als auf den augenblicklichen Ertrag der Unternehmungen sehen; er wird also mehr System und Einheit in’s Ganze bringen. In seiner Natur liegt es, nicht nur die Bedürfnisse der Gegenwart, sondern auch die der künftigen Generationen in’s Auge zu fassen, während die Privaten sich zunächst nur die Erreichung von Dividenden und von möglichst hohen Dividenden zum Ziel setzen müssen. Der Staat, zumal wo es sich von finanziell productiven Unternehmungen handelt, ist in seinen Mitteln unendlich weniger beschränkt als Privat-Compagnieen; er vermag also die Nation früher in den Besitz der Vortheile solcher Unternehmungen zu setzen. Bei Handelskrisen oder Kriegsausbrüchen wird, wenn der Staat Unternehmer ist, die öffentliche Calamität nicht auch noch durch das Fallen einer großen Menge von Actien, durch Unterbrechung der Arbeiten und durch allgemeinen Familien-Ruin vermehrt werden. Wenn aus den erwähnten Gründen und Erfahrungen Alles dafür spricht, daß große Canäle und vielmehr noch ganze Canalsysteme auf Rechnung des Staats in Ausführung gebracht werden; so erscheinen diese Gründe, angewendet auf die Eisenbahnen, keineswegs von geringerem Gewicht, vielmehr treten in dieser Beziehung ganz neue und zum Theil noch gewichtigere hinzu. Bei den Eisenbahnen kommt in Beziehung auf ihre Wirksamkeit für die Beförderung sämmtlicher Nationalzwecke sehr viel *) Man berechnet, daß in Folge des Canalbaus während der Regierungszeit Georgs des Dritten 2 Millionen Acker öden Landes urbar gemacht worden sind, und der Ertrag des im Bereich der Canäle gelegenen Landes verdreifacht worden ist.
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Die vorstehende Übersicht der englischen Canal-Unternehmungen wird es begreiflich machen, daß des unermeßlichen Nutzens ungeachtet, den das englische Canalsystem gestiftet *), die Canalspeculationen in England viel Unheil angerichtet haben, und man hat alle Ursache anzunehmen, die englische Regierung, hätte sie bei’m Beginn der Canal-Unternehmungen den Erfolg mit allen seinen Umständen voraussehen können, würde Anstand genommen haben, den Canalbau so ohne alle Einschränkung und directe Theilnahme der Privat-Industrie zu überlassen.
Der Staat ist bei dergleichen Unternehmungen den Privat-Compagnien gegenüber in großem Vortheil: er gewinnt jedenfalls, in so fern die nationalökonomischen Vortheile fast überall unendlich größer sind, als der erforderliche Aufwand, selbst wo das Erträgniß nur die Betriebskosten ersetzt; bei ihm wird der Verlust auf den minder günstigen Linien durch den Gewinn auf den bessern ausgeglichen; er kann mehr auf den Nutzen des Ganzen, als den Vortheil des Einzelnen, mehr auf den Staatszweck, als auf den augenblicklichen Ertrag der Unternehmungen sehen; er wird also mehr System und Einheit in’s Ganze bringen. In seiner Natur liegt es, nicht nur die Bedürfnisse der Gegenwart, sondern auch die der künftigen Generationen in’s Auge zu fassen, während die Privaten sich zunächst nur die Erreichung von Dividenden und von möglichst hohen Dividenden zum Ziel setzen müssen. Der Staat, zumal wo es sich von finanziell productiven Unternehmungen handelt, ist in seinen Mitteln unendlich weniger beschränkt als Privat-Compagnieen; er vermag also die Nation früher in den Besitz der Vortheile solcher Unternehmungen zu setzen. Bei Handelskrisen oder Kriegsausbrüchen wird, wenn der Staat Unternehmer ist, die öffentliche Calamität nicht auch noch durch das Fallen einer großen Menge von Actien, durch Unterbrechung der Arbeiten und durch allgemeinen Familien-Ruin vermehrt werden.
Wenn aus den erwähnten Gründen und Erfahrungen Alles dafür spricht, daß große Canäle und vielmehr noch ganze Canalsysteme auf Rechnung des Staats in Ausführung gebracht werden; so erscheinen diese Gründe, angewendet auf die Eisenbahnen, keineswegs von geringerem Gewicht, vielmehr treten in dieser Beziehung ganz neue und zum Theil noch gewichtigere hinzu.
Bei den Eisenbahnen kommt in Beziehung auf ihre Wirksamkeit für die Beförderung sämmtlicher Nationalzwecke sehr viel
*) Man berechnet, daß in Folge des Canalbaus während der Regierungszeit Georgs des Dritten 2 Millionen Acker öden Landes urbar gemacht worden sind, und der Ertrag des im Bereich der Canäle gelegenen Landes verdreifacht worden ist.
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