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List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

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die ihre Anlagekosten im Ganzen auf 10 bis 12 Millionen Thaler berechnen, und über welche man hinsichtlich der sich ergebenden Transporte und Einträglichkeit zur Zeit noch so sehr im Dunkeln ist, daß sich eine Berechnung darüber kaum aufstellen läßt. Wie wenig man aber auch wissen kann, ob diese Bahnen etwas oder nichts rentiren, ein Unterschied von der Hälfte der ganzen Länge der herzustellenden Linie bei gleichen Transportquantitäten und Transportpreisen wird sich in Beziehung auf die Rentabilität immer als so bedeutend herausstellen, daß von der kürzeren Linie jedenfalls 5 bis 10 Procent Reineinkommen zu erwarten ist, wenn die längere ihre Betriebskosten kaum aufzubringen vermag. Darum aber kümmern sich weder die Urheber der Projecte noch die Inhaber der Papiere; je größer die Summen sind, die man in Actien ausgeben kann und die sie nun mit der lächerlichsten Emsigkeit unter sich in Umlauf setzen, desto mehr prosperiren die Geschäfte. Je mehr Linien, desto mehr Compagnien, desto mehr Directoren und Directorial-Gehalte.

Was soll man aber von einer Eisenbahnlinie von Halle über Cassel nach Westphalen und dem Rhein sagen, von einer Route, die in ihrer ganzen Länge von vielleicht 36 deutschen Meilen nicht 50,000 Städte-Bewohner mit den Endpunkten verbindet, und zwei bestehende National-Routen von Berlin nach dem Rhein, die eine über Magdeburg, Braunschweig, Hannover und Minden, die andere über Weimar, Erfurt, Gotha, Fulda und Frankfurt unbeachtet zur Seite liegen läßt, als ob auf denselben nie an die Anlegung von Eisenbahnen gedacht werden könnte?

Und in welchem Lichte muß die Administrationsfähigkeit der Compagnien erscheinen, wenn wir sehen, wie sie bei ihren Wahlen und bei Besetzung ihrer administrativen und technischen Stellen verfahren; wie ist da von solchen Compagnien Tüchtigeres zu erwarten, als von den Regierungen, wenn letztere die Hauptlast der Verantwortlichkeit dem Publicum und den Ständen gegenüber auf ihre Schultern nehmen? In Nordamerika und England wirkt die Publicität mächtig auf die Verwaltung der Angelegenheiten von Actien-Compagnien, ein Lebenselement, das in Deutschland sich noch so wenig ausgebildet hat, daß der Credit der Unternehmungen im Publicum in demselben Verhältniß steigt, in welchem hier der Staat sich mit Controlirung der Compagnie-Angelegenheiten befaßt. Auch beziehen in Ländern, wo großartige Unternehmungen mit dem besten Erfolg von Privat-Compagnien betrieben werden, nur die Angestellten fixen Gehalt, und reiche und angesehene Directoren würden Anstand nehmen, Geldbelohnungen anzunehmen, während zur Zeit noch in den bedeutendsten Städten Frankreichs und Deutschlands die Chefs der angesehensten Häuser und die reichsten Capitalisten für das bloße Anwohnen bei den Sessionen der Eisenbahn-Directionen sich fixe Gehalte stipuliren.

die ihre Anlagekosten im Ganzen auf 10 bis 12 Millionen Thaler berechnen, und über welche man hinsichtlich der sich ergebenden Transporte und Einträglichkeit zur Zeit noch so sehr im Dunkeln ist, daß sich eine Berechnung darüber kaum aufstellen läßt. Wie wenig man aber auch wissen kann, ob diese Bahnen etwas oder nichts rentiren, ein Unterschied von der Hälfte der ganzen Länge der herzustellenden Linie bei gleichen Transportquantitäten und Transportpreisen wird sich in Beziehung auf die Rentabilität immer als so bedeutend herausstellen, daß von der kürzeren Linie jedenfalls 5 bis 10 Procent Reineinkommen zu erwarten ist, wenn die längere ihre Betriebskosten kaum aufzubringen vermag. Darum aber kümmern sich weder die Urheber der Projecte noch die Inhaber der Papiere; je größer die Summen sind, die man in Actien ausgeben kann und die sie nun mit der lächerlichsten Emsigkeit unter sich in Umlauf setzen, desto mehr prosperiren die Geschäfte. Je mehr Linien, desto mehr Compagnien, desto mehr Directoren und Directorial-Gehalte.

Was soll man aber von einer Eisenbahnlinie von Halle über Cassel nach Westphalen und dem Rhein sagen, von einer Route, die in ihrer ganzen Länge von vielleicht 36 deutschen Meilen nicht 50,000 Städte-Bewohner mit den Endpunkten verbindet, und zwei bestehende National-Routen von Berlin nach dem Rhein, die eine über Magdeburg, Braunschweig, Hannover und Minden, die andere über Weimar, Erfurt, Gotha, Fulda und Frankfurt unbeachtet zur Seite liegen läßt, als ob auf denselben nie an die Anlegung von Eisenbahnen gedacht werden könnte?

Und in welchem Lichte muß die Administrationsfähigkeit der Compagnien erscheinen, wenn wir sehen, wie sie bei ihren Wahlen und bei Besetzung ihrer administrativen und technischen Stellen verfahren; wie ist da von solchen Compagnien Tüchtigeres zu erwarten, als von den Regierungen, wenn letztere die Hauptlast der Verantwortlichkeit dem Publicum und den Ständen gegenüber auf ihre Schultern nehmen? In Nordamerika und England wirkt die Publicität mächtig auf die Verwaltung der Angelegenheiten von Actien-Compagnien, ein Lebenselement, das in Deutschland sich noch so wenig ausgebildet hat, daß der Credit der Unternehmungen im Publicum in demselben Verhältniß steigt, in welchem hier der Staat sich mit Controlirung der Compagnie-Angelegenheiten befaßt. Auch beziehen in Ländern, wo großartige Unternehmungen mit dem besten Erfolg von Privat-Compagnien betrieben werden, nur die Angestellten fixen Gehalt, und reiche und angesehene Directoren würden Anstand nehmen, Geldbelohnungen anzunehmen, während zur Zeit noch in den bedeutendsten Städten Frankreichs und Deutschlands die Chefs der angesehensten Häuser und die reichsten Capitalisten für das bloße Anwohnen bei den Sessionen der Eisenbahn-Directionen sich fixe Gehalte stipuliren.

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[44/0045] die ihre Anlagekosten im Ganzen auf 10 bis 12 Millionen Thaler berechnen, und über welche man hinsichtlich der sich ergebenden Transporte und Einträglichkeit zur Zeit noch so sehr im Dunkeln ist, daß sich eine Berechnung darüber kaum aufstellen läßt. Wie wenig man aber auch wissen kann, ob diese Bahnen etwas oder nichts rentiren, ein Unterschied von der Hälfte der ganzen Länge der herzustellenden Linie bei gleichen Transportquantitäten und Transportpreisen wird sich in Beziehung auf die Rentabilität immer als so bedeutend herausstellen, daß von der kürzeren Linie jedenfalls 5 bis 10 Procent Reineinkommen zu erwarten ist, wenn die längere ihre Betriebskosten kaum aufzubringen vermag. Darum aber kümmern sich weder die Urheber der Projecte noch die Inhaber der Papiere; je größer die Summen sind, die man in Actien ausgeben kann und die sie nun mit der lächerlichsten Emsigkeit unter sich in Umlauf setzen, desto mehr prosperiren die Geschäfte. Je mehr Linien, desto mehr Compagnien, desto mehr Directoren und Directorial-Gehalte. Was soll man aber von einer Eisenbahnlinie von Halle über Cassel nach Westphalen und dem Rhein sagen, von einer Route, die in ihrer ganzen Länge von vielleicht 36 deutschen Meilen nicht 50,000 Städte-Bewohner mit den Endpunkten verbindet, und zwei bestehende National-Routen von Berlin nach dem Rhein, die eine über Magdeburg, Braunschweig, Hannover und Minden, die andere über Weimar, Erfurt, Gotha, Fulda und Frankfurt unbeachtet zur Seite liegen läßt, als ob auf denselben nie an die Anlegung von Eisenbahnen gedacht werden könnte? Und in welchem Lichte muß die Administrationsfähigkeit der Compagnien erscheinen, wenn wir sehen, wie sie bei ihren Wahlen und bei Besetzung ihrer administrativen und technischen Stellen verfahren; wie ist da von solchen Compagnien Tüchtigeres zu erwarten, als von den Regierungen, wenn letztere die Hauptlast der Verantwortlichkeit dem Publicum und den Ständen gegenüber auf ihre Schultern nehmen? In Nordamerika und England wirkt die Publicität mächtig auf die Verwaltung der Angelegenheiten von Actien-Compagnien, ein Lebenselement, das in Deutschland sich noch so wenig ausgebildet hat, daß der Credit der Unternehmungen im Publicum in demselben Verhältniß steigt, in welchem hier der Staat sich mit Controlirung der Compagnie-Angelegenheiten befaßt. Auch beziehen in Ländern, wo großartige Unternehmungen mit dem besten Erfolg von Privat-Compagnien betrieben werden, nur die Angestellten fixen Gehalt, und reiche und angesehene Directoren würden Anstand nehmen, Geldbelohnungen anzunehmen, während zur Zeit noch in den bedeutendsten Städten Frankreichs und Deutschlands die Chefs der angesehensten Häuser und die reichsten Capitalisten für das bloße Anwohnen bei den Sessionen der Eisenbahn-Directionen sich fixe Gehalte stipuliren.

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Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/45>, abgerufen am 21.11.2024.