List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.Brennholzflößen ist ein barbarischer Gebrauch, wirthschaftlicher Völker unwürdig, da ein bedeutender Theil der Heizkraft dadurch verloren geht. Der Gebrauch des Torfes aber kann nur in Folge des Canaltransports allgemein werden. Wenn wir nicht irren, so besitzen Würtemberg und Baden große Torfmoore auf den Höhen des Schwarzwaldes und in den Niederungen des Rheins und der Donau u. s. w., die jetzt nur geringen oder gar keinen Nutzen gewähren. Wenn man annimmt, daß in den Niederungen dieser beiden Länder ungefähr 1 Million Menschen leben, und daß diese eine halbe Million Klaftern Holz consumiren, welches entweder 1) mit dem Verlust von 1/3 Heizkraft geflößt; oder 2) zu theuren Preisen auf der Axe zugeführt oder 3) auf einem Boden gepflanzt worden ist, welcher bei erleichterter Zufuhr von Holz, Torf und Steinkohle für nützlichere Culturen zu gewinnen wäre, und nehmen wir nur die volkswirthschaftliche Ersparniß per Klafter zu 3 Fl. an, so ergibt sich ein Nutzen von 1 1/2 Millionen Gulden, der allein einen Capital-Aufwand von 30 bis 40 Millionen Gulden rechtfertigt. Das Beispiel, welches Baiern durch Errichtung seines Main-Donau-Canals gibt, wird ohne Zweifel diese Ansichten rechtfertigen und Würtemberg und Baden zur Nacheiferung anspornen. Es ist nur zu bedauern, daß dieses Unternehmen als ein ganz isolirtes betrachtet und zu viel Gewicht auf die Eigenschaft dieses Canals, als einer Welthandelsstraße, gelegt wird. Was bei dem Canal du Midi die Erfahrung gelehrt hat, wird sich auch hier herausstellen, daß nämlich der Nutzen dieser Wasserstraße in Beziehung auf den Durchfuhrhandel nur unbedeutend sein wird, in Vergleichung mit den Vortheilen, die er der inneren Industrie gewährt. Jene irrige Ansicht ist dem Zustandekommen eines süddeutschen Canalsystems insofern äußerst hinderlich, als in Folge derselben die projectirten Canäle vom Neckar und vom Oberrhein nach der Donau im Lichte von Concurrenten des Main-Donau-Canals erscheinen, während, wenn man die Beförderung der innern Industrie, wie man sollte, vorzugsweise in's Auge faßt und sich nicht blos die Verbindung der Donau mit dem Maine, sondern die Herstellung eines mit den würtembergischen, badischen und schweizerischen Canälen verbundenen baierischen Canalsystems zum Ziele steckt, nicht nur aller Grund zur Eifersucht schwindet, sondern auch die Nothwendigkeit klar hervortritt, die Unternehmungen der benachbarten Staaten zu unterstützen und mit denselben gemeinschaftlich zu operiren. Überhaupt ist es in Beziehung auf die Canäle sowohl, als hinsichtlich der Eisenbahnen eine sehr kleinliche Politik, wenn man sich durch Rücksichten auf die Vortheile des Durchfuhrhandels bestimmen läßt, die Nachbarstaaten mit ihren Unternehmungen hinzuhalten oder sie zu nöthigen, eine minder vorteilhafte Route zu wählen. Wie groß auch der Vortheil sei, den Baden aus seinem Durchfuhrhandel zieht, und wie viel auch in Folge seiner Unternehmungen Würtemberg davon zufallen möge, in keinem Falle wird dieser Verlust im Verhältnisse stehen mit Brennholzflößen ist ein barbarischer Gebrauch, wirthschaftlicher Völker unwürdig, da ein bedeutender Theil der Heizkraft dadurch verloren geht. Der Gebrauch des Torfes aber kann nur in Folge des Canaltransports allgemein werden. Wenn wir nicht irren, so besitzen Würtemberg und Baden große Torfmoore auf den Höhen des Schwarzwaldes und in den Niederungen des Rheins und der Donau u. s. w., die jetzt nur geringen oder gar keinen Nutzen gewähren. Wenn man annimmt, daß in den Niederungen dieser beiden Länder ungefähr 1 Million Menschen leben, und daß diese eine halbe Million Klaftern Holz consumiren, welches entweder 1) mit dem Verlust von 1/3 Heizkraft geflößt; oder 2) zu theuren Preisen auf der Axe zugeführt oder 3) auf einem Boden gepflanzt worden ist, welcher bei erleichterter Zufuhr von Holz, Torf und Steinkohle für nützlichere Culturen zu gewinnen wäre, und nehmen wir nur die volkswirthschaftliche Ersparniß per Klafter zu 3 Fl. an, so ergibt sich ein Nutzen von 1 1/2 Millionen Gulden, der allein einen Capital-Aufwand von 30 bis 40 Millionen Gulden rechtfertigt. Das Beispiel, welches Baiern durch Errichtung seines Main-Donau-Canals gibt, wird ohne Zweifel diese Ansichten rechtfertigen und Würtemberg und Baden zur Nacheiferung anspornen. Es ist nur zu bedauern, daß dieses Unternehmen als ein ganz isolirtes betrachtet und zu viel Gewicht auf die Eigenschaft dieses Canals, als einer Welthandelsstraße, gelegt wird. Was bei dem Canal du Midi die Erfahrung gelehrt hat, wird sich auch hier herausstellen, daß nämlich der Nutzen dieser Wasserstraße in Beziehung auf den Durchfuhrhandel nur unbedeutend sein wird, in Vergleichung mit den Vortheilen, die er der inneren Industrie gewährt. Jene irrige Ansicht ist dem Zustandekommen eines süddeutschen Canalsystems insofern äußerst hinderlich, als in Folge derselben die projectirten Canäle vom Neckar und vom Oberrhein nach der Donau im Lichte von Concurrenten des Main-Donau-Canals erscheinen, während, wenn man die Beförderung der innern Industrie, wie man sollte, vorzugsweise in’s Auge faßt und sich nicht blos die Verbindung der Donau mit dem Maine, sondern die Herstellung eines mit den würtembergischen, badischen und schweizerischen Canälen verbundenen baierischen Canalsystems zum Ziele steckt, nicht nur aller Grund zur Eifersucht schwindet, sondern auch die Nothwendigkeit klar hervortritt, die Unternehmungen der benachbarten Staaten zu unterstützen und mit denselben gemeinschaftlich zu operiren. Überhaupt ist es in Beziehung auf die Canäle sowohl, als hinsichtlich der Eisenbahnen eine sehr kleinliche Politik, wenn man sich durch Rücksichten auf die Vortheile des Durchfuhrhandels bestimmen läßt, die Nachbarstaaten mit ihren Unternehmungen hinzuhalten oder sie zu nöthigen, eine minder vorteilhafte Route zu wählen. Wie groß auch der Vortheil sei, den Baden aus seinem Durchfuhrhandel zieht, und wie viel auch in Folge seiner Unternehmungen Würtemberg davon zufallen möge, in keinem Falle wird dieser Verlust im Verhältnisse stehen mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0085" n="84"/> Brennholzflößen ist ein barbarischer Gebrauch, wirthschaftlicher Völker unwürdig, da ein bedeutender Theil der Heizkraft dadurch verloren geht. Der Gebrauch des Torfes aber kann nur in Folge des Canaltransports allgemein werden. Wenn wir nicht irren, so besitzen Würtemberg und Baden große Torfmoore auf den Höhen des Schwarzwaldes und in den Niederungen des Rheins und der Donau u. s. w., die jetzt nur geringen oder gar keinen Nutzen gewähren. Wenn man annimmt, daß in den Niederungen dieser beiden Länder ungefähr 1 Million Menschen leben, und daß diese eine halbe Million Klaftern Holz consumiren, welches entweder 1) mit dem Verlust von 1/3 Heizkraft geflößt; oder 2) zu theuren Preisen auf der Axe zugeführt oder 3) auf einem Boden gepflanzt worden ist, welcher bei erleichterter Zufuhr von Holz, Torf und Steinkohle für nützlichere Culturen zu gewinnen wäre, und nehmen wir nur die volkswirthschaftliche Ersparniß per Klafter zu 3 Fl. an, so ergibt sich ein Nutzen von 1 1/2 Millionen Gulden, der allein einen Capital-Aufwand von 30 bis 40 Millionen Gulden rechtfertigt.</p> <p>Das Beispiel, welches Baiern durch Errichtung seines Main-Donau-Canals gibt, wird ohne Zweifel diese Ansichten rechtfertigen und Würtemberg und Baden zur Nacheiferung anspornen. Es ist nur zu bedauern, daß dieses Unternehmen als ein ganz isolirtes betrachtet und zu viel Gewicht auf die Eigenschaft dieses Canals, als einer Welthandelsstraße, gelegt wird. Was bei dem Canal du Midi die Erfahrung gelehrt hat, wird sich auch hier herausstellen, daß nämlich der Nutzen dieser Wasserstraße in Beziehung auf den Durchfuhrhandel nur unbedeutend sein wird, in Vergleichung mit den Vortheilen, die er der inneren Industrie gewährt. Jene irrige Ansicht ist dem Zustandekommen eines süddeutschen Canalsystems insofern äußerst hinderlich, als in Folge derselben die projectirten Canäle vom Neckar und vom Oberrhein nach der Donau im Lichte von Concurrenten des Main-Donau-Canals erscheinen, während, wenn man die Beförderung der innern Industrie, wie man sollte, vorzugsweise in’s Auge faßt und sich nicht blos die Verbindung der Donau mit dem Maine, sondern die Herstellung eines mit den würtembergischen, badischen und schweizerischen Canälen verbundenen baierischen Canalsystems zum Ziele steckt, nicht nur aller Grund zur Eifersucht schwindet, sondern auch die Nothwendigkeit klar hervortritt, die Unternehmungen der benachbarten Staaten zu unterstützen und mit denselben gemeinschaftlich zu operiren.</p> <p>Überhaupt ist es in Beziehung auf die Canäle sowohl, als hinsichtlich der Eisenbahnen eine sehr kleinliche Politik, wenn man sich durch Rücksichten auf die Vortheile des Durchfuhrhandels bestimmen läßt, die Nachbarstaaten mit ihren Unternehmungen hinzuhalten oder sie zu nöthigen, eine minder vorteilhafte Route zu wählen. 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Brennholzflößen ist ein barbarischer Gebrauch, wirthschaftlicher Völker unwürdig, da ein bedeutender Theil der Heizkraft dadurch verloren geht. Der Gebrauch des Torfes aber kann nur in Folge des Canaltransports allgemein werden. Wenn wir nicht irren, so besitzen Würtemberg und Baden große Torfmoore auf den Höhen des Schwarzwaldes und in den Niederungen des Rheins und der Donau u. s. w., die jetzt nur geringen oder gar keinen Nutzen gewähren. Wenn man annimmt, daß in den Niederungen dieser beiden Länder ungefähr 1 Million Menschen leben, und daß diese eine halbe Million Klaftern Holz consumiren, welches entweder 1) mit dem Verlust von 1/3 Heizkraft geflößt; oder 2) zu theuren Preisen auf der Axe zugeführt oder 3) auf einem Boden gepflanzt worden ist, welcher bei erleichterter Zufuhr von Holz, Torf und Steinkohle für nützlichere Culturen zu gewinnen wäre, und nehmen wir nur die volkswirthschaftliche Ersparniß per Klafter zu 3 Fl. an, so ergibt sich ein Nutzen von 1 1/2 Millionen Gulden, der allein einen Capital-Aufwand von 30 bis 40 Millionen Gulden rechtfertigt.
Das Beispiel, welches Baiern durch Errichtung seines Main-Donau-Canals gibt, wird ohne Zweifel diese Ansichten rechtfertigen und Würtemberg und Baden zur Nacheiferung anspornen. Es ist nur zu bedauern, daß dieses Unternehmen als ein ganz isolirtes betrachtet und zu viel Gewicht auf die Eigenschaft dieses Canals, als einer Welthandelsstraße, gelegt wird. Was bei dem Canal du Midi die Erfahrung gelehrt hat, wird sich auch hier herausstellen, daß nämlich der Nutzen dieser Wasserstraße in Beziehung auf den Durchfuhrhandel nur unbedeutend sein wird, in Vergleichung mit den Vortheilen, die er der inneren Industrie gewährt. Jene irrige Ansicht ist dem Zustandekommen eines süddeutschen Canalsystems insofern äußerst hinderlich, als in Folge derselben die projectirten Canäle vom Neckar und vom Oberrhein nach der Donau im Lichte von Concurrenten des Main-Donau-Canals erscheinen, während, wenn man die Beförderung der innern Industrie, wie man sollte, vorzugsweise in’s Auge faßt und sich nicht blos die Verbindung der Donau mit dem Maine, sondern die Herstellung eines mit den würtembergischen, badischen und schweizerischen Canälen verbundenen baierischen Canalsystems zum Ziele steckt, nicht nur aller Grund zur Eifersucht schwindet, sondern auch die Nothwendigkeit klar hervortritt, die Unternehmungen der benachbarten Staaten zu unterstützen und mit denselben gemeinschaftlich zu operiren.
Überhaupt ist es in Beziehung auf die Canäle sowohl, als hinsichtlich der Eisenbahnen eine sehr kleinliche Politik, wenn man sich durch Rücksichten auf die Vortheile des Durchfuhrhandels bestimmen läßt, die Nachbarstaaten mit ihren Unternehmungen hinzuhalten oder sie zu nöthigen, eine minder vorteilhafte Route zu wählen. Wie groß auch der Vortheil sei, den Baden aus seinem Durchfuhrhandel zieht, und wie viel auch in Folge seiner Unternehmungen Würtemberg davon zufallen möge, in keinem Falle wird dieser Verlust im Verhältnisse stehen mit
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