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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Erst. Buch. IV. Das Verbr. als schuldh. rechtswidr. Handl.
Menschen usw.). Dabei handelt es sich durchaus nicht um
einen auf dem Wege der Rechtsanalogie gewonnenen neuen
Rechtssatz, sondern um eine Konsequenz aus dem von uns
aus den gesetzlichen Bestimmungen abgeleiteten allgemeinen
Begriff der Zurechnungsfähigkeit.

II. Bei fehlender geistiger Gesundheit.4

Die geistigen Funktionen des in den Vollbesitz der geisti-
gen Reife gelangten Individuums können kürzere oder längere
Zeit gehemmt, gestört oder allmähliger Vernichtung
entgegengeführt werden. Sowie aber nicht jede Störung
der vollen körperlichen Gesundheit als Krankheit bezeichnet
werden kann, so wird auch nicht durch jede Störung in dem
Spiele der geistigen Funktionen die Zurechnungsfähigkeit aus-
geschlossen; das Minimalmaß, mit dem sich das Recht über-
haupt begnügen muß, bildet auch hier die untere Grenze.
Darum verlangt StGB. §. 51, auch hier lediglich eine Seite
in dem Inhalte der Zurechnungsfähigkeit besonders (aber
durchaus nicht ausschließlich) betonend, einen solchen Zustand,
durch welchen "die freie Willensbestimmung des
Thäters ausgeschlossen" war. Eine erschöpfende Aufzählung
und entsprechende Bezeichnung dieser verschiedenen Hemmungs-,
Störungs- und Degenerationszustände konnte bei dem heu-
tigen Stande der Wissenschaft nicht, wollte auch von dem
Gesetze nicht gegeben werden. Die Ausdrücke des §. 51:
"Bewußtlosigkeit" einerseits, "krankhafte Störung der Geistes-
thätigkeit" andererseits, die überhaupt keinen erschöpfenden
Gegensatz enthalten, sind daher nicht zu betonen. Zu jener
werden wir neben Fieberdelirium, Betäubungen, Trunkenheit,
Ohnmachten, epileptischen Anfällen usw. auch Schlaf, Schlaf-

4 Lit. bei Binding Grundriß S. 58 u. 60.

Erſt. Buch. IV. Das Verbr. als ſchuldh. rechtswidr. Handl.
Menſchen uſw.). Dabei handelt es ſich durchaus nicht um
einen auf dem Wege der Rechtsanalogie gewonnenen neuen
Rechtsſatz, ſondern um eine Konſequenz aus dem von uns
aus den geſetzlichen Beſtimmungen abgeleiteten allgemeinen
Begriff der Zurechnungsfähigkeit.

II. Bei fehlender geiſtiger Geſundheit.4

Die geiſtigen Funktionen des in den Vollbeſitz der geiſti-
gen Reife gelangten Individuums können kürzere oder längere
Zeit gehemmt, geſtört oder allmähliger Vernichtung
entgegengeführt werden. Sowie aber nicht jede Störung
der vollen körperlichen Geſundheit als Krankheit bezeichnet
werden kann, ſo wird auch nicht durch jede Störung in dem
Spiele der geiſtigen Funktionen die Zurechnungsfähigkeit aus-
geſchloſſen; das Minimalmaß, mit dem ſich das Recht über-
haupt begnügen muß, bildet auch hier die untere Grenze.
Darum verlangt StGB. §. 51, auch hier lediglich eine Seite
in dem Inhalte der Zurechnungsfähigkeit beſonders (aber
durchaus nicht ausſchließlich) betonend, einen ſolchen Zuſtand,
durch welchen „die freie Willensbeſtimmung des
Thäters ausgeſchloſſen“ war. Eine erſchöpfende Aufzählung
und entſprechende Bezeichnung dieſer verſchiedenen Hemmungs-,
Störungs- und Degenerationszuſtände konnte bei dem heu-
tigen Stande der Wiſſenſchaft nicht, wollte auch von dem
Geſetze nicht gegeben werden. Die Ausdrücke des §. 51:
„Bewußtloſigkeit“ einerſeits, „krankhafte Störung der Geiſtes-
thätigkeit“ andererſeits, die überhaupt keinen erſchöpfenden
Gegenſatz enthalten, ſind daher nicht zu betonen. Zu jener
werden wir neben Fieberdelirium, Betäubungen, Trunkenheit,
Ohnmachten, epileptiſchen Anfällen uſw. auch Schlaf, Schlaf-

4 Lit. bei Binding Grundriß S. 58 u. 60.
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[104/0130] Erſt. Buch. IV. Das Verbr. als ſchuldh. rechtswidr. Handl. Menſchen uſw.). Dabei handelt es ſich durchaus nicht um einen auf dem Wege der Rechtsanalogie gewonnenen neuen Rechtsſatz, ſondern um eine Konſequenz aus dem von uns aus den geſetzlichen Beſtimmungen abgeleiteten allgemeinen Begriff der Zurechnungsfähigkeit. II. Bei fehlender geiſtiger Geſundheit. 4 Die geiſtigen Funktionen des in den Vollbeſitz der geiſti- gen Reife gelangten Individuums können kürzere oder längere Zeit gehemmt, geſtört oder allmähliger Vernichtung entgegengeführt werden. Sowie aber nicht jede Störung der vollen körperlichen Geſundheit als Krankheit bezeichnet werden kann, ſo wird auch nicht durch jede Störung in dem Spiele der geiſtigen Funktionen die Zurechnungsfähigkeit aus- geſchloſſen; das Minimalmaß, mit dem ſich das Recht über- haupt begnügen muß, bildet auch hier die untere Grenze. Darum verlangt StGB. §. 51, auch hier lediglich eine Seite in dem Inhalte der Zurechnungsfähigkeit beſonders (aber durchaus nicht ausſchließlich) betonend, einen ſolchen Zuſtand, durch welchen „die freie Willensbeſtimmung des Thäters ausgeſchloſſen“ war. Eine erſchöpfende Aufzählung und entſprechende Bezeichnung dieſer verſchiedenen Hemmungs-, Störungs- und Degenerationszuſtände konnte bei dem heu- tigen Stande der Wiſſenſchaft nicht, wollte auch von dem Geſetze nicht gegeben werden. Die Ausdrücke des §. 51: „Bewußtloſigkeit“ einerſeits, „krankhafte Störung der Geiſtes- thätigkeit“ andererſeits, die überhaupt keinen erſchöpfenden Gegenſatz enthalten, ſind daher nicht zu betonen. Zu jener werden wir neben Fieberdelirium, Betäubungen, Trunkenheit, Ohnmachten, epileptiſchen Anfällen uſw. auch Schlaf, Schlaf- 4 Lit. bei Binding Grundriß S. 58 u. 60.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/130>, abgerufen am 21.11.2024.