Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.Erstes Buch. VI. Vollendung u. Versuch des Verbrechens. der Strafe an einen der Vollendung des Deliktes vorher-gehenden Zeitpunkt knüpfen. Er thut dies in zahlreichen Fällen: das Delikt der Münzfälschung wäre vollendet mit dem In-Verkehr-Bringen der falschen Münzen; das Ver- brechen der Münzfälschung ist nach §. 146 StGB. schon mit dem Fälschen der Münze vollendet. Andere Beispiele bieten StGB. §§. 131, 229, 234, 253, 258, 298 ff. Vgl. auch die unten §. 33 III 2 zusammengestellten Fälle. Um- gekehrt liegt scheinbar die Sache in allen Fällen, in welchen zur Normübertretung weitere Bedingungen hinzutreten müssen, um die Strafbarkeit herbeizuführen (vgl. oben §. 30). So beim Ehebruch die Scheidung der Ehe und der Antrag des verletzten Ehegatten. Allein hier fallen Vollendung des De- liktes und Vollendung des Verbrechens nur scheinbar aus- einander: denn bei Eintritt der Bedingung ist die Straf- barkeit ex tunc und nicht ex nunc begründet (oben §. 30 II). 3. Aus der verschiedenen Stellung der Norm und des II. Um zu dem Begriffe des Versuches zu gelangen, be- Erſtes Buch. VI. Vollendung u. Verſuch des Verbrechens. der Strafe an einen der Vollendung des Deliktes vorher-gehenden Zeitpunkt knüpfen. Er thut dies in zahlreichen Fällen: das Delikt der Münzfälſchung wäre vollendet mit dem In-Verkehr-Bringen der falſchen Münzen; das Ver- brechen der Münzfälſchung iſt nach §. 146 StGB. ſchon mit dem Fälſchen der Münze vollendet. Andere Beiſpiele bieten StGB. §§. 131, 229, 234, 253, 258, 298 ff. Vgl. auch die unten §. 33 III 2 zuſammengeſtellten Fälle. Um- gekehrt liegt ſcheinbar die Sache in allen Fällen, in welchen zur Normübertretung weitere Bedingungen hinzutreten müſſen, um die Strafbarkeit herbeizuführen (vgl. oben §. 30). So beim Ehebruch die Scheidung der Ehe und der Antrag des verletzten Ehegatten. Allein hier fallen Vollendung des De- liktes und Vollendung des Verbrechens nur ſcheinbar aus- einander: denn bei Eintritt der Bedingung iſt die Straf- barkeit ex tunc und nicht ex nunc begründet (oben §. 30 II). 3. Aus der verſchiedenen Stellung der Norm und des II. Um zu dem Begriffe des Verſuches zu gelangen, be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0158" n="132"/><fw place="top" type="header">Erſtes Buch. <hi rendition="#aq">VI.</hi> Vollendung u. Verſuch des Verbrechens.</fw><lb/> der Strafe an einen der Vollendung des Deliktes vorher-<lb/> gehenden Zeitpunkt knüpfen. Er thut dies in zahlreichen<lb/> Fällen: das Delikt der Münzfälſchung wäre vollendet mit<lb/> dem In-Verkehr-Bringen der falſchen Münzen; das Ver-<lb/> brechen der Münzfälſchung iſt nach §. 146 StGB. ſchon<lb/> mit dem Fälſchen der Münze vollendet. Andere Beiſpiele<lb/> bieten StGB. §§. 131, 229, 234, 253, 258, 298 ff. Vgl.<lb/> auch die unten §. 33 <hi rendition="#aq">III</hi> 2 zuſammengeſtellten Fälle. Um-<lb/> gekehrt liegt ſcheinbar die Sache in allen Fällen, in welchen<lb/> zur Normübertretung weitere Bedingungen hinzutreten müſſen,<lb/> um die Strafbarkeit herbeizuführen (vgl. oben §. 30). So<lb/> beim Ehebruch die Scheidung der Ehe und der Antrag des<lb/> verletzten Ehegatten. Allein hier fallen Vollendung des De-<lb/> liktes und Vollendung des Verbrechens nur ſcheinbar aus-<lb/> einander: denn bei Eintritt der Bedingung iſt die Straf-<lb/> barkeit <hi rendition="#aq">ex tunc</hi> und nicht <hi rendition="#aq">ex nunc</hi> begründet (oben §. 30 <hi rendition="#aq">II</hi>).</p><lb/> <p>3. Aus der verſchiedenen Stellung der Norm und des<lb/> aus ihr gebildeten Verbrechen-Thatbeſtandes zu dem zu<lb/> ſchützenden Rechtsgute (oben §. 3 <hi rendition="#aq">II</hi>) folgt, daß Vollendung<lb/> der <hi rendition="#g">Rechtsgüterverletzung</hi> weder mit der Vollendung<lb/> des Deliktes noch mit jener des Verbrechens zuſammenzu-<lb/> fallen braucht. Es genügt, auf dieſen vielfach überſehenen<lb/> Gegenſatz aufmerkſam zu machen. Wir werden, wenn das<lb/> Gegenteil nicht ausdrücklich bemerkt iſt, im folgenden nur<lb/> das Verbrechen in ſeiner Vollendung oder Nicht-Vollendung<lb/> ins Auge faſſen.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">II.</hi> Um zu dem Begriffe des Verſuches zu gelangen, be-<lb/> trachten wir, im Anſchluſſe an das oben §. 19 <hi rendition="#aq">II</hi> Geſagte,<lb/> die einzelnen Stadien der erweiterten Handlungsreihe und<lb/> die ſich dabei ergebenden Komplikationen.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [132/0158]
Erſtes Buch. VI. Vollendung u. Verſuch des Verbrechens.
der Strafe an einen der Vollendung des Deliktes vorher-
gehenden Zeitpunkt knüpfen. Er thut dies in zahlreichen
Fällen: das Delikt der Münzfälſchung wäre vollendet mit
dem In-Verkehr-Bringen der falſchen Münzen; das Ver-
brechen der Münzfälſchung iſt nach §. 146 StGB. ſchon
mit dem Fälſchen der Münze vollendet. Andere Beiſpiele
bieten StGB. §§. 131, 229, 234, 253, 258, 298 ff. Vgl.
auch die unten §. 33 III 2 zuſammengeſtellten Fälle. Um-
gekehrt liegt ſcheinbar die Sache in allen Fällen, in welchen
zur Normübertretung weitere Bedingungen hinzutreten müſſen,
um die Strafbarkeit herbeizuführen (vgl. oben §. 30). So
beim Ehebruch die Scheidung der Ehe und der Antrag des
verletzten Ehegatten. Allein hier fallen Vollendung des De-
liktes und Vollendung des Verbrechens nur ſcheinbar aus-
einander: denn bei Eintritt der Bedingung iſt die Straf-
barkeit ex tunc und nicht ex nunc begründet (oben §. 30 II).
3. Aus der verſchiedenen Stellung der Norm und des
aus ihr gebildeten Verbrechen-Thatbeſtandes zu dem zu
ſchützenden Rechtsgute (oben §. 3 II) folgt, daß Vollendung
der Rechtsgüterverletzung weder mit der Vollendung
des Deliktes noch mit jener des Verbrechens zuſammenzu-
fallen braucht. Es genügt, auf dieſen vielfach überſehenen
Gegenſatz aufmerkſam zu machen. Wir werden, wenn das
Gegenteil nicht ausdrücklich bemerkt iſt, im folgenden nur
das Verbrechen in ſeiner Vollendung oder Nicht-Vollendung
ins Auge faſſen.
II. Um zu dem Begriffe des Verſuches zu gelangen, be-
trachten wir, im Anſchluſſe an das oben §. 19 II Geſagte,
die einzelnen Stadien der erweiterten Handlungsreihe und
die ſich dabei ergebenden Komplikationen.
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