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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Die Entstehung des Begriffs der Teilnahme. §. 35.
bemerkt (oben §. 20 III) diesen Satz durch eine hochwichtige
Ausnahme durchbrochen.

Liegt zwischen einer Bedingung und dem einge-
tretenen Erfolge eine freie
(d. h. nicht im Notstande
begangene) und vorsätzliche (d. h. von der Vorstellung ihrer
Kausalität begleitete) menschliche Handlung als Zwi-
schenursache in der Mitte, so betrachtet das positive
Recht nur diese letzte Handlung als Ursache des
Erfolges
. Das Setzen jener Bedingung kann daher nur
als Bedingung dieser Handlung, wenn überhaupt, in
Betracht gezogen werden; nicht aber als mittelbare Ursache
des letzteingetretenen, durch diese Handlung herbeigeführten
Erfolges. So entsteht der juristische Begriff der Teil-
nahme
: das Setzen einer Bedingung für den Eintritt des
durch weitere Zwischenursachen vermittelten Erfolges, aufge-
faßt nicht als Bedingung des Erfolges, sondern als Be-
dingung der Zwischenursache.2 Durch diesen Gegensatz ge-
winnt der Begriff der Thäterschaft prägnantere Gestalt und
engere Bedeutung.

Die beiden Formen der Teilnahme sind Anstiftung
und Beihülfe: erstere die Hervorrufung des Entschlusses
zur That, letztere die Unterstützung der Ausführung der
That.

II. Aus dem Gesagten ergiebt sich eine Reihe von Kon-
sequenzen.

1. Teilnahme (in den beiden Formen der Anstiftung und

2 [Spaltenumbruch] Diese von der gewöhnlichen
allerdings weit abliegende Auf-
fassung stützt sich auf das po-
sitive Recht, sie sucht aus diesem
den Begriff der Teilnahme zu[Spaltenumbruch] gewinnen, nicht aus einem
aprioristisch gefundenen Begriffe
heraus das positive Recht zu
interpretieren.

Die Entſtehung des Begriffs der Teilnahme. §. 35.
bemerkt (oben §. 20 III) dieſen Satz durch eine hochwichtige
Ausnahme durchbrochen.

Liegt zwiſchen einer Bedingung und dem einge-
tretenen Erfolge eine freie
(d. h. nicht im Notſtande
begangene) und vorſätzliche (d. h. von der Vorſtellung ihrer
Kauſalität begleitete) menſchliche Handlung als Zwi-
ſchenurſache in der Mitte, ſo betrachtet das poſitive
Recht nur dieſe letzte Handlung als Urſache des
Erfolges
. Das Setzen jener Bedingung kann daher nur
als Bedingung dieſer Handlung, wenn überhaupt, in
Betracht gezogen werden; nicht aber als mittelbare Urſache
des letzteingetretenen, durch dieſe Handlung herbeigeführten
Erfolges. So entſteht der juriſtiſche Begriff der Teil-
nahme
: das Setzen einer Bedingung für den Eintritt des
durch weitere Zwiſchenurſachen vermittelten Erfolges, aufge-
faßt nicht als Bedingung des Erfolges, ſondern als Be-
dingung der Zwiſchenurſache.2 Durch dieſen Gegenſatz ge-
winnt der Begriff der Thäterſchaft prägnantere Geſtalt und
engere Bedeutung.

Die beiden Formen der Teilnahme ſind Anſtiftung
und Beihülfe: erſtere die Hervorrufung des Entſchluſſes
zur That, letztere die Unterſtützung der Ausführung der
That.

II. Aus dem Geſagten ergiebt ſich eine Reihe von Kon-
ſequenzen.

1. Teilnahme (in den beiden Formen der Anſtiftung und

2 [Spaltenumbruch] Dieſe von der gewöhnlichen
allerdings weit abliegende Auf-
faſſung ſtützt ſich auf das po-
ſitive Recht, ſie ſucht aus dieſem
den Begriff der Teilnahme zu[Spaltenumbruch] gewinnen, nicht aus einem
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heraus das poſitive Recht zu
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[147/0173] Die Entſtehung des Begriffs der Teilnahme. §. 35. bemerkt (oben §. 20 III) dieſen Satz durch eine hochwichtige Ausnahme durchbrochen. Liegt zwiſchen einer Bedingung und dem einge- tretenen Erfolge eine freie (d. h. nicht im Notſtande begangene) und vorſätzliche (d. h. von der Vorſtellung ihrer Kauſalität begleitete) menſchliche Handlung als Zwi- ſchenurſache in der Mitte, ſo betrachtet das poſitive Recht nur dieſe letzte Handlung als Urſache des Erfolges. Das Setzen jener Bedingung kann daher nur als Bedingung dieſer Handlung, wenn überhaupt, in Betracht gezogen werden; nicht aber als mittelbare Urſache des letzteingetretenen, durch dieſe Handlung herbeigeführten Erfolges. So entſteht der juriſtiſche Begriff der Teil- nahme: das Setzen einer Bedingung für den Eintritt des durch weitere Zwiſchenurſachen vermittelten Erfolges, aufge- faßt nicht als Bedingung des Erfolges, ſondern als Be- dingung der Zwiſchenurſache. 2 Durch dieſen Gegenſatz ge- winnt der Begriff der Thäterſchaft prägnantere Geſtalt und engere Bedeutung. Die beiden Formen der Teilnahme ſind Anſtiftung und Beihülfe: erſtere die Hervorrufung des Entſchluſſes zur That, letztere die Unterſtützung der Ausführung der That. II. Aus dem Geſagten ergiebt ſich eine Reihe von Kon- ſequenzen. 1. Teilnahme (in den beiden Formen der Anſtiftung und 2 Dieſe von der gewöhnlichen allerdings weit abliegende Auf- faſſung ſtützt ſich auf das po- ſitive Recht, ſie ſucht aus dieſem den Begriff der Teilnahme zu gewinnen, nicht aus einem aprioriſtiſch gefundenen Begriffe heraus das poſitive Recht zu interpretieren.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/173>, abgerufen am 21.11.2024.