Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

Uebersicht. §. 59.
Gruppe. Die Bethätigung der Gesammtheit als solcher re-
präsentiert uns der Gang der Staatsverwaltung, der ar-
beitende Gesammtorganismus. Voraussetzung dieser Be-
thätigung ist Bestand und Sicherheit des Staatsganzen.
Aber auch das Lebensprinzip des staatlichen Organismus', die
Kraft, welche das Ganze zusammenhält und die einzelnen Glieder
in Bewegung setzt: die Staatsgewalt als Abstraktum wie in
ihren Organen, bedarf des rechtlichen Schutzes. Damit gewinnen
wir folgende Einteilung der in die 2. Gruppe gehörenden Delikte
(wobei allerdings die Grenzlinien vielfach zweifelhafte sind):

1. gegen Bestand und Sicherheit des Staates;
2. gegen die Staatsgewalt und ihre Organe;
3. gegen den Gang der Staatsverwaltung.

IV. Aber nur scheinbar erschöpfen die bisher besprochenen
beiden Gruppen alle möglichen Fälle. Einer ganzen Reihe
von strafbaren Handlungen ist es eigentümlich, daß sie zwar
gegen jene Rechtsgüter gerichtet sind, die wir als rechtlich ge-
schützte Interessen des Einzelnen bezeichnet haben, aber nicht
gerichtet sind gegen einen einzelnen oder mehrere einzelne
Träger jener Rechtsgüter; daß sich vielmehr ihre Wirkungen
erstrecken auf einen weder ziffermäßig noch indi-
viduell geschlossenen Kreis von Einzelnen
. Es sind
die gemeingefährlichen Delikte im weiteren Sinne; ge-
richtet nicht gegen einzelne Staatsbürger und nicht gegen das
Staatsganze, sondern, wie wir kurz sagen können, gegen das
Publikum. Es gehören hieher:

1. die gemeingefährlichen Delikte im engeren Sinne;
2. die Verletzungen des Nahrungsmittelgesetzes;
3. die gegen den öffentlichen Frieden gerichteten strafbaren
Handlungen;
4. eine Reihe anderer Fälle von meist polizeilichem Charakter.

Ueberſicht. §. 59.
Gruppe. Die Bethätigung der Geſammtheit als ſolcher re-
präſentiert uns der Gang der Staatsverwaltung, der ar-
beitende Geſammtorganismus. Vorausſetzung dieſer Be-
thätigung iſt Beſtand und Sicherheit des Staatsganzen.
Aber auch das Lebensprinzip des ſtaatlichen Organismus’, die
Kraft, welche das Ganze zuſammenhält und die einzelnen Glieder
in Bewegung ſetzt: die Staatsgewalt als Abſtraktum wie in
ihren Organen, bedarf des rechtlichen Schutzes. Damit gewinnen
wir folgende Einteilung der in die 2. Gruppe gehörenden Delikte
(wobei allerdings die Grenzlinien vielfach zweifelhafte ſind):

1. gegen Beſtand und Sicherheit des Staates;
2. gegen die Staatsgewalt und ihre Organe;
3. gegen den Gang der Staatsverwaltung.

IV. Aber nur ſcheinbar erſchöpfen die bisher beſprochenen
beiden Gruppen alle möglichen Fälle. Einer ganzen Reihe
von ſtrafbaren Handlungen iſt es eigentümlich, daß ſie zwar
gegen jene Rechtsgüter gerichtet ſind, die wir als rechtlich ge-
ſchützte Intereſſen des Einzelnen bezeichnet haben, aber nicht
gerichtet ſind gegen einen einzelnen oder mehrere einzelne
Träger jener Rechtsgüter; daß ſich vielmehr ihre Wirkungen
erſtrecken auf einen weder ziffermäßig noch indi-
viduell geſchloſſenen Kreis von Einzelnen
. Es ſind
die gemeingefährlichen Delikte im weiteren Sinne; ge-
richtet nicht gegen einzelne Staatsbürger und nicht gegen das
Staatsganze, ſondern, wie wir kurz ſagen können, gegen das
Publikum. Es gehören hieher:

1. die gemeingefährlichen Delikte im engeren Sinne;
2. die Verletzungen des Nahrungsmittelgeſetzes;
3. die gegen den öffentlichen Frieden gerichteten ſtrafbaren
Handlungen;
4. eine Reihe anderer Fälle von meiſt polizeilichem Charakter.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0257" n="231"/><fw place="top" type="header">Ueber&#x017F;icht. §. 59.</fw><lb/>
Gruppe. Die <hi rendition="#g">Bethätigung</hi> der Ge&#x017F;ammtheit als &#x017F;olcher re-<lb/>
prä&#x017F;entiert uns der <hi rendition="#g">Gang der Staatsverwaltung</hi>, der ar-<lb/>
beitende Ge&#x017F;ammtorganismus. <hi rendition="#g">Voraus&#x017F;etzung</hi> die&#x017F;er Be-<lb/>
thätigung i&#x017F;t <hi rendition="#g">Be&#x017F;tand und Sicherheit des Staatsganzen</hi>.<lb/>
Aber auch das Lebensprinzip des &#x017F;taatlichen Organismus&#x2019;, die<lb/>
Kraft, welche das Ganze zu&#x017F;ammenhält und die einzelnen Glieder<lb/>
in Bewegung &#x017F;etzt: die <hi rendition="#g">Staatsgewalt</hi> als Ab&#x017F;traktum wie in<lb/>
ihren Organen, bedarf des rechtlichen Schutzes. Damit gewinnen<lb/>
wir folgende Einteilung der in die 2. Gruppe gehörenden Delikte<lb/>
(wobei allerdings die Grenzlinien vielfach zweifelhafte &#x017F;ind):</p><lb/>
          <list>
            <item>1. gegen Be&#x017F;tand und Sicherheit des Staates;</item><lb/>
            <item>2. gegen die Staatsgewalt und ihre Organe;</item><lb/>
            <item>3. gegen den Gang der Staatsverwaltung.</item>
          </list><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">IV.</hi> Aber nur &#x017F;cheinbar er&#x017F;chöpfen die bisher be&#x017F;prochenen<lb/>
beiden Gruppen alle möglichen Fälle. Einer ganzen Reihe<lb/>
von &#x017F;trafbaren Handlungen i&#x017F;t es eigentümlich, daß &#x017F;ie zwar<lb/>
gegen jene Rechtsgüter gerichtet &#x017F;ind, die wir als rechtlich ge-<lb/>
&#x017F;chützte Intere&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#g">des Einzelnen</hi> bezeichnet haben, aber nicht<lb/>
gerichtet &#x017F;ind gegen einen <hi rendition="#g">einzelnen</hi> oder mehrere <hi rendition="#g">einzelne</hi><lb/>
Träger jener Rechtsgüter; daß &#x017F;ich vielmehr ihre Wirkungen<lb/>
er&#x017F;trecken <hi rendition="#g">auf einen weder ziffermäßig noch indi-<lb/>
viduell ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Kreis von Einzelnen</hi>. Es &#x017F;ind<lb/>
die <hi rendition="#g">gemeingefährlichen Delikte</hi> im weiteren Sinne; ge-<lb/>
richtet nicht gegen einzelne Staatsbürger und nicht gegen das<lb/>
Staatsganze, &#x017F;ondern, wie wir kurz &#x017F;agen können, gegen das<lb/><hi rendition="#g">Publikum</hi>. Es gehören hieher:</p><lb/>
          <list>
            <item>1. die gemeingefährlichen Delikte im engeren Sinne;</item><lb/>
            <item>2. die Verletzungen des Nahrungsmittelge&#x017F;etzes;</item><lb/>
            <item>3. die gegen den öffentlichen Frieden gerichteten &#x017F;trafbaren<lb/>
Handlungen;</item><lb/>
            <item>4. eine Reihe anderer Fälle von mei&#x017F;t polizeilichem Charakter.</item>
          </list><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0257] Ueberſicht. §. 59. Gruppe. Die Bethätigung der Geſammtheit als ſolcher re- präſentiert uns der Gang der Staatsverwaltung, der ar- beitende Geſammtorganismus. Vorausſetzung dieſer Be- thätigung iſt Beſtand und Sicherheit des Staatsganzen. Aber auch das Lebensprinzip des ſtaatlichen Organismus’, die Kraft, welche das Ganze zuſammenhält und die einzelnen Glieder in Bewegung ſetzt: die Staatsgewalt als Abſtraktum wie in ihren Organen, bedarf des rechtlichen Schutzes. Damit gewinnen wir folgende Einteilung der in die 2. Gruppe gehörenden Delikte (wobei allerdings die Grenzlinien vielfach zweifelhafte ſind): 1. gegen Beſtand und Sicherheit des Staates; 2. gegen die Staatsgewalt und ihre Organe; 3. gegen den Gang der Staatsverwaltung. IV. Aber nur ſcheinbar erſchöpfen die bisher beſprochenen beiden Gruppen alle möglichen Fälle. Einer ganzen Reihe von ſtrafbaren Handlungen iſt es eigentümlich, daß ſie zwar gegen jene Rechtsgüter gerichtet ſind, die wir als rechtlich ge- ſchützte Intereſſen des Einzelnen bezeichnet haben, aber nicht gerichtet ſind gegen einen einzelnen oder mehrere einzelne Träger jener Rechtsgüter; daß ſich vielmehr ihre Wirkungen erſtrecken auf einen weder ziffermäßig noch indi- viduell geſchloſſenen Kreis von Einzelnen. Es ſind die gemeingefährlichen Delikte im weiteren Sinne; ge- richtet nicht gegen einzelne Staatsbürger und nicht gegen das Staatsganze, ſondern, wie wir kurz ſagen können, gegen das Publikum. Es gehören hieher: 1. die gemeingefährlichen Delikte im engeren Sinne; 2. die Verletzungen des Nahrungsmittelgeſetzes; 3. die gegen den öffentlichen Frieden gerichteten ſtrafbaren Handlungen; 4. eine Reihe anderer Fälle von meiſt polizeilichem Charakter.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/257
Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/257>, abgerufen am 24.11.2024.