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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen.
besonderer Vereinbarungen, sei es nach allgemeinen Grund-
sätzen zu bestimmen verbunden sind (oben § 8 I und unten
§ 32) sind völkerrechtlicher Natur, sie berechtigen und ver-
pflichten daher nur den Staat selbst, nicht seine Staats-
angehörigen. Erst wenn die Vereinbarung die Gestalt eines
nationalen Gesetzes annimmt, entsteht aus diesem für den
Staatsbürger seinem Staat und nur diesem gegenüber Recht
und Pflicht.
b) Auch die Rechtsverhältnisse zwischen dem Angehörigen
eines Staates und einem fremden Staat, sind nicht völkerrecht-
licher Natur. Die Verpflichtung des Staatsfremden, der sich
innerhalb unseres Staatsgebietes aufhält, zur Beobachtung
unserer Gesetze folgt unmittelbar aus dem Begriff der Staats-
gewalt, die wir innerhalb unseres Gebietes ausüben. Die Ge-
währung des Rechtsschutzes dagegen auch den Staatsfremden
gegenüber ist völkerrechtliche Pflicht des Aufenthaltsstaates;
aber sie ist eine Rechtspflicht, die der Staat nicht dem staats-
fremden Einzelnen, sondern dem Staate schuldet, dem dieser
angehört. Wird dem Staatsfremden dieser Schutz durch den
Aufenthaltsstaat versagt (bei Justizverweigerung u. s. w.), so
hat daher der Staat, dem jener angehört, das Recht, das
verletzte oder gefährdete Interesse seines Staatsangehörigen
dem Aufenthaltsstaat gegenüber zu vertreten (oben § 11 III).

2. Aber auch Rechtsverhältnisse, als deren Träger auf Seiten
des Berechtigten wie des Verpflichteten ein Staat erscheint, sind nicht
notwendig völkerrechtliche Rechtsverhältnisse. Sie sind dieses viel-
mehr nur dann, wenn den Inhalt dieser Berechtigungen und Ver-
pflichtungen die Ausübung von Hoheitsrechten ausmacht, also von
solchen Rechten, die Ausfluss der Staatsgewalt sind. Nur soweit die
Staatsgewalt selbst als die Herrschaft über Menschen und über Gegen-
stände gebunden oder berechtigt wird, kann von einem völkerrecht-
lichen Verhältnis die Rede sein.

Bestritten; abweichend z. B. Stoerk.

Wenn mithin Frankreich gegen Bezahlung einer bestimmten
Summe Geldes von dem Deutschen Reich ein Grundstück zu Eigen-

II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen.
besonderer Vereinbarungen, sei es nach allgemeinen Grund-
sätzen zu bestimmen verbunden sind (oben § 8 I und unten
§ 32) sind völkerrechtlicher Natur, sie berechtigen und ver-
pflichten daher nur den Staat selbst, nicht seine Staats-
angehörigen. Erst wenn die Vereinbarung die Gestalt eines
nationalen Gesetzes annimmt, entsteht aus diesem für den
Staatsbürger seinem Staat und nur diesem gegenüber Recht
und Pflicht.
b) Auch die Rechtsverhältnisse zwischen dem Angehörigen
eines Staates und einem fremden Staat, sind nicht völkerrecht-
licher Natur. Die Verpflichtung des Staatsfremden, der sich
innerhalb unseres Staatsgebietes aufhält, zur Beobachtung
unserer Gesetze folgt unmittelbar aus dem Begriff der Staats-
gewalt, die wir innerhalb unseres Gebietes ausüben. Die Ge-
währung des Rechtsschutzes dagegen auch den Staatsfremden
gegenüber ist völkerrechtliche Pflicht des Aufenthaltsstaates;
aber sie ist eine Rechtspflicht, die der Staat nicht dem staats-
fremden Einzelnen, sondern dem Staate schuldet, dem dieser
angehört. Wird dem Staatsfremden dieser Schutz durch den
Aufenthaltsstaat versagt (bei Justizverweigerung u. s. w.), so
hat daher der Staat, dem jener angehört, das Recht, das
verletzte oder gefährdete Interesse seines Staatsangehörigen
dem Aufenthaltsstaat gegenüber zu vertreten (oben § 11 III).

2. Aber auch Rechtsverhältnisse, als deren Träger auf Seiten
des Berechtigten wie des Verpflichteten ein Staat erscheint, sind nicht
notwendig völkerrechtliche Rechtsverhältnisse. Sie sind dieses viel-
mehr nur dann, wenn den Inhalt dieser Berechtigungen und Ver-
pflichtungen die Ausübung von Hoheitsrechten ausmacht, also von
solchen Rechten, die Ausfluſs der Staatsgewalt sind. Nur soweit die
Staatsgewalt selbst als die Herrschaft über Menschen und über Gegen-
stände gebunden oder berechtigt wird, kann von einem völkerrecht-
lichen Verhältnis die Rede sein.

Bestritten; abweichend z. B. Stoerk.

Wenn mithin Frankreich gegen Bezahlung einer bestimmten
Summe Geldes von dem Deutschen Reich ein Grundstück zu Eigen-

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[104/0126] II. Buch. Der völkerrechtl. Verkehr der Staaten im allgemeinen. besonderer Vereinbarungen, sei es nach allgemeinen Grund- sätzen zu bestimmen verbunden sind (oben § 8 I und unten § 32) sind völkerrechtlicher Natur, sie berechtigen und ver- pflichten daher nur den Staat selbst, nicht seine Staats- angehörigen. Erst wenn die Vereinbarung die Gestalt eines nationalen Gesetzes annimmt, entsteht aus diesem für den Staatsbürger seinem Staat und nur diesem gegenüber Recht und Pflicht. b) Auch die Rechtsverhältnisse zwischen dem Angehörigen eines Staates und einem fremden Staat, sind nicht völkerrecht- licher Natur. Die Verpflichtung des Staatsfremden, der sich innerhalb unseres Staatsgebietes aufhält, zur Beobachtung unserer Gesetze folgt unmittelbar aus dem Begriff der Staats- gewalt, die wir innerhalb unseres Gebietes ausüben. Die Ge- währung des Rechtsschutzes dagegen auch den Staatsfremden gegenüber ist völkerrechtliche Pflicht des Aufenthaltsstaates; aber sie ist eine Rechtspflicht, die der Staat nicht dem staats- fremden Einzelnen, sondern dem Staate schuldet, dem dieser angehört. Wird dem Staatsfremden dieser Schutz durch den Aufenthaltsstaat versagt (bei Justizverweigerung u. s. w.), so hat daher der Staat, dem jener angehört, das Recht, das verletzte oder gefährdete Interesse seines Staatsangehörigen dem Aufenthaltsstaat gegenüber zu vertreten (oben § 11 III). 2. Aber auch Rechtsverhältnisse, als deren Träger auf Seiten des Berechtigten wie des Verpflichteten ein Staat erscheint, sind nicht notwendig völkerrechtliche Rechtsverhältnisse. Sie sind dieses viel- mehr nur dann, wenn den Inhalt dieser Berechtigungen und Ver- pflichtungen die Ausübung von Hoheitsrechten ausmacht, also von solchen Rechten, die Ausfluſs der Staatsgewalt sind. Nur soweit die Staatsgewalt selbst als die Herrschaft über Menschen und über Gegen- stände gebunden oder berechtigt wird, kann von einem völkerrecht- lichen Verhältnis die Rede sein. Bestritten; abweichend z. B. Stoerk. Wenn mithin Frankreich gegen Bezahlung einer bestimmten Summe Geldes von dem Deutschen Reich ein Grundstück zu Eigen-

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/126>, abgerufen am 24.11.2024.