Effektivität entfällt; nicht also, wenn das blokierende Geschwader durch den Sturm zerstreut worden ist, wohl aber, wenn es auf der Flucht vor dem Feinde oder aus andern Gründen sich aufgelöst oder seine Stelle verlassen hat. In diesem Falle ist die Wirksamkeit der erneuten Blokade durch erneute Notifikation bedingt.
III.
Das feindliche Privateigentum im Seekrieg ist gute Prise; ge- nauer ausgedrückt: feindliches Gut unter feindlicher Flagge unterliegt der Wegnahme durch die Kriegsschiffe (beziehungsweise Kaper) des Gegners, während feindliches Gut unter neutraler Flagge und neutrales Gut unter feindlicher Flagge frei bleibt (über diesen letzteren Satz unten § 43 III).
1. Dieser Grundsatz, auf dessen Anwendung Preussen und die Vereinigten Staaten schon im Ausgange des 18. Jahrhunderts ver- zichtet hatten (Vertrag von 1785), ist im Gegensatz zu dem im Land- krieg dem feindlichen Eigentum gewährten Schutz durch die Pariser Seerechtsdeklaration, wenn auch nur indirekt, aufs neue sanktioniert worden. Das war der Grund, weshalb die Vereinigten Staaten und andre Mächte bis zum gegenwärtigen Augenblick sich geweigert haben, der Deklaration beizutreten. Zu Beginn des letzten deutsch-französi- schen Krieges hatte eine Verordnung des Norddeutschen Bundes vom 18. Juli 1870 bestimmt (R. G. Bl. 1870 S. 485): "Französische Handels- schiffe sollen der Aufbringung und Wegnahme durch die Fahrzeuge der Bundes-Kriegsmarine nicht unterliegen. Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf diejenigen Schiffe, welche der Aufbringung und Wegnahme auch dann unterliegen würden, wenn sie neutrale Schiffe wären." Da aber Frankreich sich weigerte, seinerseits auf die Wegnahme deutscher Schiffe zu verzichten, wurde die Bestim- mung durch Verordnung vom 19. Januar 1871 (R. G. Bl. 1871 S. 8) mit Wirkung vom 10. Februar ab wieder ausser Kraft gesetzt. That- sächlich wurden während des Krieges 75 deutsche Schiffe von den französischen Kreuzern aufgebracht.
Selbstverständlich kann die Anwendung des Prisenrechts durch Staatsverträge für immer oder für einen bestimmten Krieg, ebenso wie durch die nationale Gesetzgebung unbedingt oder unter
§ 42. Der Seekrieg insbesondere.
Effektivität entfällt; nicht also, wenn das blokierende Geschwader durch den Sturm zerstreut worden ist, wohl aber, wenn es auf der Flucht vor dem Feinde oder aus andern Gründen sich aufgelöst oder seine Stelle verlassen hat. In diesem Falle ist die Wirksamkeit der erneuten Blokade durch erneute Notifikation bedingt.
III.
Das feindliche Privateigentum im Seekrieg ist gute Prise; ge- nauer ausgedrückt: feindliches Gut unter feindlicher Flagge unterliegt der Wegnahme durch die Kriegsschiffe (beziehungsweise Kaper) des Gegners, während feindliches Gut unter neutraler Flagge und neutrales Gut unter feindlicher Flagge frei bleibt (über diesen letzteren Satz unten § 43 III).
1. Dieser Grundsatz, auf dessen Anwendung Preuſsen und die Vereinigten Staaten schon im Ausgange des 18. Jahrhunderts ver- zichtet hatten (Vertrag von 1785), ist im Gegensatz zu dem im Land- krieg dem feindlichen Eigentum gewährten Schutz durch die Pariser Seerechtsdeklaration, wenn auch nur indirekt, aufs neue sanktioniert worden. Das war der Grund, weshalb die Vereinigten Staaten und andre Mächte bis zum gegenwärtigen Augenblick sich geweigert haben, der Deklaration beizutreten. Zu Beginn des letzten deutsch-französi- schen Krieges hatte eine Verordnung des Norddeutschen Bundes vom 18. Juli 1870 bestimmt (R. G. Bl. 1870 S. 485): „Französische Handels- schiffe sollen der Aufbringung und Wegnahme durch die Fahrzeuge der Bundes-Kriegsmarine nicht unterliegen. Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf diejenigen Schiffe, welche der Aufbringung und Wegnahme auch dann unterliegen würden, wenn sie neutrale Schiffe wären.“ Da aber Frankreich sich weigerte, seinerseits auf die Wegnahme deutscher Schiffe zu verzichten, wurde die Bestim- mung durch Verordnung vom 19. Januar 1871 (R. G. Bl. 1871 S. 8) mit Wirkung vom 10. Februar ab wieder auſser Kraft gesetzt. That- sächlich wurden während des Krieges 75 deutsche Schiffe von den französischen Kreuzern aufgebracht.
Selbstverständlich kann die Anwendung des Prisenrechts durch Staatsverträge für immer oder für einen bestimmten Krieg, ebenso wie durch die nationale Gesetzgebung unbedingt oder unter
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§ 42. Der Seekrieg insbesondere.
Effektivität entfällt; nicht also, wenn das blokierende Geschwader
durch den Sturm zerstreut worden ist, wohl aber, wenn es auf der
Flucht vor dem Feinde oder aus andern Gründen sich aufgelöst oder
seine Stelle verlassen hat. In diesem Falle ist die Wirksamkeit
der erneuten Blokade durch erneute Notifikation bedingt.
III. Das feindliche Privateigentum im Seekrieg ist gute Prise; ge-
nauer ausgedrückt: feindliches Gut unter feindlicher Flagge unterliegt
der Wegnahme durch die Kriegsschiffe (beziehungsweise Kaper) des
Gegners, während feindliches Gut unter neutraler Flagge und neutrales
Gut unter feindlicher Flagge frei bleibt (über diesen letzteren Satz
unten § 43 III).
1. Dieser Grundsatz, auf dessen Anwendung Preuſsen und
die Vereinigten Staaten schon im Ausgange des 18. Jahrhunderts ver-
zichtet hatten (Vertrag von 1785), ist im Gegensatz zu dem im Land-
krieg dem feindlichen Eigentum gewährten Schutz durch die Pariser
Seerechtsdeklaration, wenn auch nur indirekt, aufs neue sanktioniert
worden. Das war der Grund, weshalb die Vereinigten Staaten und
andre Mächte bis zum gegenwärtigen Augenblick sich geweigert haben,
der Deklaration beizutreten. Zu Beginn des letzten deutsch-französi-
schen Krieges hatte eine Verordnung des Norddeutschen Bundes vom
18. Juli 1870 bestimmt (R. G. Bl. 1870 S. 485): „Französische Handels-
schiffe sollen der Aufbringung und Wegnahme durch die Fahrzeuge
der Bundes-Kriegsmarine nicht unterliegen. Diese Bestimmung findet
keine Anwendung auf diejenigen Schiffe, welche der Aufbringung
und Wegnahme auch dann unterliegen würden, wenn sie neutrale
Schiffe wären.“ Da aber Frankreich sich weigerte, seinerseits auf
die Wegnahme deutscher Schiffe zu verzichten, wurde die Bestim-
mung durch Verordnung vom 19. Januar 1871 (R. G. Bl. 1871 S. 8)
mit Wirkung vom 10. Februar ab wieder auſser Kraft gesetzt. That-
sächlich wurden während des Krieges 75 deutsche Schiffe von den
französischen Kreuzern aufgebracht.
Selbstverständlich kann die Anwendung des Prisenrechts
durch Staatsverträge für immer oder für einen bestimmten Krieg,
ebenso wie durch die nationale Gesetzgebung unbedingt oder unter
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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/257>, abgerufen am 16.07.2024.
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