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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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Einleitung.
gelegten Forderungen des siegreichen Russland, die einstweilige
Regelung der orientalischen Frage. Neben Montenegro, das seine
Selbständigkeit längst und teilweise mit Erfolg behauptet hatte,
wurden Serbien und Rumänien als unabhängige Staaten anerkannt;
Bulgarien wurde zum türkischen Vasallenstaat, Ostrumelien zur
autonomen Provinz gemacht (1885 Vereinigung mit Bulgarien);
Österreich erhielt das Mandat zur Besetzung und Verwaltung von
Bosnien und der Herzegowina (unten § 10 IV); England teilte den
bis dahin geheim gehaltenen Bündnisvertrag mit der Türkei (vom
4. Juni 1878) mit, durch den es das Recht zur Besetzung von
Cypern erhalten hatte (unten § 10 IV). Ausserdem befasste sich
der Kongress mit der Freiheit der Donauschiffahrt (unten § 27 III).

Vgl. Choubler, La question d'Orient depuis le traite de Berlin. 1898.

Bluntschli, R. J. XI 1, 411; XII 276, 410; XIII 571.

2. Die äussern Beziehungen der Staaten zueinander wurden
nach 1878 beherrscht durch die Friedenspolitik des ersten deutschen
Reichskanzlers: deutsch-österreichisches Bündnis vom 7. Oktober
1879; durch den Beitritt Italiens nach der französischen Be-
setzung von Tunis (1881) zum Dreibund erweitert (förmlicher Ab-
schluss des Bündnisses 1887; zugleich italienisch-englische Ab-
machungen; unten § 37 III); und geheimer deutsch-russischer
Vertrag von 1884, 1890 nicht wieder erneuert. Seither Annähe-
rung und höchst wahrscheinlich festes Bündnis zwischen Frankreich
und Russland (1891 die französische Flotte in Kronstadt; 1897 der
Präsident der französischen Republik in Petersburg).

3. Der europäische Frieden ermöglichte den Mächten die kräf-
tige Wahrnehmung ihrer überseeischen Interessen. Zunächst voll-
zieht sich die Aufteilung Afrikas unter die Kulturstaaten Europas:
Frankreich begründet seine Schutzherrschaft über Tunis (1881) und
befestigt damit seine Herrschaft in Nordafrika, während es gleich-
zeitig Madagaskar immer enger an sich schliesst; England besetzt
1882 Egypten und strebt seither nach der Herstellung einer Ver-
bindung zwischen seinen nord- und südafrikanischen Besitzungen;
Italien fasst Fuss am Roten Meer (Massaua) und sucht, allerdings

Einleitung.
gelegten Forderungen des siegreichen Ruſsland, die einstweilige
Regelung der orientalischen Frage. Neben Montenegro, das seine
Selbständigkeit längst und teilweise mit Erfolg behauptet hatte,
wurden Serbien und Rumänien als unabhängige Staaten anerkannt;
Bulgarien wurde zum türkischen Vasallenstaat, Ostrumelien zur
autonomen Provinz gemacht (1885 Vereinigung mit Bulgarien);
Österreich erhielt das Mandat zur Besetzung und Verwaltung von
Bosnien und der Herzegowina (unten § 10 IV); England teilte den
bis dahin geheim gehaltenen Bündnisvertrag mit der Türkei (vom
4. Juni 1878) mit, durch den es das Recht zur Besetzung von
Cypern erhalten hatte (unten § 10 IV). Auſserdem befaſste sich
der Kongreſs mit der Freiheit der Donauschiffahrt (unten § 27 III).

Vgl. Choubler, La question d’Orient depuis le traité de Berlin. 1898.

Bluntschli, R. J. XI 1, 411; XII 276, 410; XIII 571.

2. Die äuſsern Beziehungen der Staaten zueinander wurden
nach 1878 beherrscht durch die Friedenspolitik des ersten deutschen
Reichskanzlers: deutsch-österreichisches Bündnis vom 7. Oktober
1879; durch den Beitritt Italiens nach der französischen Be-
setzung von Tunis (1881) zum Dreibund erweitert (förmlicher Ab-
schluſs des Bündnisses 1887; zugleich italienisch-englische Ab-
machungen; unten § 37 III); und geheimer deutsch-russischer
Vertrag von 1884, 1890 nicht wieder erneuert. Seither Annähe-
rung und höchst wahrscheinlich festes Bündnis zwischen Frankreich
und Ruſsland (1891 die französische Flotte in Kronstadt; 1897 der
Präsident der französischen Republik in Petersburg).

3. Der europäische Frieden ermöglichte den Mächten die kräf-
tige Wahrnehmung ihrer überseeischen Interessen. Zunächst voll-
zieht sich die Aufteilung Afrikas unter die Kulturstaaten Europas:
Frankreich begründet seine Schutzherrschaft über Tunis (1881) und
befestigt damit seine Herrschaft in Nordafrika, während es gleich-
zeitig Madagaskar immer enger an sich schlieſst; England besetzt
1882 Egypten und strebt seither nach der Herstellung einer Ver-
bindung zwischen seinen nord- und südafrikanischen Besitzungen;
Italien faſst Fuſs am Roten Meer (Massaua) und sucht, allerdings

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[16/0038] Einleitung. gelegten Forderungen des siegreichen Ruſsland, die einstweilige Regelung der orientalischen Frage. Neben Montenegro, das seine Selbständigkeit längst und teilweise mit Erfolg behauptet hatte, wurden Serbien und Rumänien als unabhängige Staaten anerkannt; Bulgarien wurde zum türkischen Vasallenstaat, Ostrumelien zur autonomen Provinz gemacht (1885 Vereinigung mit Bulgarien); Österreich erhielt das Mandat zur Besetzung und Verwaltung von Bosnien und der Herzegowina (unten § 10 IV); England teilte den bis dahin geheim gehaltenen Bündnisvertrag mit der Türkei (vom 4. Juni 1878) mit, durch den es das Recht zur Besetzung von Cypern erhalten hatte (unten § 10 IV). Auſserdem befaſste sich der Kongreſs mit der Freiheit der Donauschiffahrt (unten § 27 III). Vgl. Choubler, La question d’Orient depuis le traité de Berlin. 1898. Bluntschli, R. J. XI 1, 411; XII 276, 410; XIII 571. 2. Die äuſsern Beziehungen der Staaten zueinander wurden nach 1878 beherrscht durch die Friedenspolitik des ersten deutschen Reichskanzlers: deutsch-österreichisches Bündnis vom 7. Oktober 1879; durch den Beitritt Italiens nach der französischen Be- setzung von Tunis (1881) zum Dreibund erweitert (förmlicher Ab- schluſs des Bündnisses 1887; zugleich italienisch-englische Ab- machungen; unten § 37 III); und geheimer deutsch-russischer Vertrag von 1884, 1890 nicht wieder erneuert. Seither Annähe- rung und höchst wahrscheinlich festes Bündnis zwischen Frankreich und Ruſsland (1891 die französische Flotte in Kronstadt; 1897 der Präsident der französischen Republik in Petersburg). 3. Der europäische Frieden ermöglichte den Mächten die kräf- tige Wahrnehmung ihrer überseeischen Interessen. Zunächst voll- zieht sich die Aufteilung Afrikas unter die Kulturstaaten Europas: Frankreich begründet seine Schutzherrschaft über Tunis (1881) und befestigt damit seine Herrschaft in Nordafrika, während es gleich- zeitig Madagaskar immer enger an sich schlieſst; England besetzt 1882 Egypten und strebt seither nach der Herstellung einer Ver- bindung zwischen seinen nord- und südafrikanischen Besitzungen; Italien faſst Fuſs am Roten Meer (Massaua) und sucht, allerdings

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/38>, abgerufen am 21.11.2024.