Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.I. Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung. 3. Durch die Notwendigkeit, die eigenen Staatsinteressen 4. Dagegen kann nicht zugegeben werden, dass ein Ein- In allen diesen Fällen kann das Recht zum Einschreiten auch Aber auch allgemein liegt in der durch den Pariser Frieden I. Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung. 3. Durch die Notwendigkeit, die eigenen Staatsinteressen 4. Dagegen kann nicht zugegeben werden, daſs ein Ein- In allen diesen Fällen kann das Recht zum Einschreiten auch Aber auch allgemein liegt in der durch den Pariser Frieden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0060" n="38"/> <fw place="top" type="header">I. Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung.</fw><lb/> <p>3. Durch die Notwendigkeit, die eigenen Staatsinteressen<lb/> gegen drohende Gefahr oder die Interessen der Staatsangehörigen<lb/> gegen ein ihnen von dem fremden Staat zugefügtes oder drohendes<lb/> Unrecht zu schützen (unten § 11 III).</p><lb/> <p>4. Dagegen kann nicht zugegeben werden, daſs ein Ein-<lb/> mischungsrecht schon dann gegeben sei, wenn nach der, sei es<lb/> auch begründeten Ansicht eines Staates die allgemeinen Interessen<lb/> der Menschheit oder der Kultur einen Angriff notwendig machen<lb/> (die Vereinigten Staaten und Kuba 1898); denn damit würde der<lb/> Willkür Thür und Thor geöffnet. Und ebensowenig darf in der Be-<lb/> drückung von Stammesgenossen für dritte Staaten ein Grund für die<lb/> Intervention erblickt werden, denn das Schutzrecht eines jeden Staates<lb/> beschränkt sich, von besonderen Vereinbarungen abgesehen, auf seine<lb/> eigenen Staatsangehörigen (Griechenland gegenüber Kreta 1897).</p><lb/> <p>In allen diesen Fällen kann das Recht zum Einschreiten auch<lb/> einer Mehrzahl von Staaten gemeinschaftlich zustehen (sogenannte<lb/><hi rendition="#g">Kollektiv-Intervention</hi>). So hat der Berliner Vertrag 1878 das<lb/> Recht der Groſsmächte zur Einmischung in die innern Angelegen-<lb/> heiten der Türkei, das jene seit 1840 begehrt und seit 1856<lb/> (unter Zurückweisung des von Ruſsland seit 1774 beanspruchten<lb/> einseitigen Schutzrechts) thatsächlich wiederholt geübt hatten, be-<lb/> züglich der armenischen Provinzen ausdrücklich anerkannt. Vgl.<lb/> Berliner Vertrag Artikel 61: „Die Hohe Pforte verpflichtet sich,<lb/> ohne weiteren Zeitverlust die Verbesserungen und Reformen ins<lb/> Leben zu rufen, welche die örtlichen Verhältnisse in den, von den<lb/> Armeniern bewohnten Provinzen erfordern und für die Sicherheit<lb/> derselben gegen die Tscherkessen und Kurden einzustehen. Sie<lb/> wird in bestimmten Zeiträumen von den zu diesem Zweck ge-<lb/> troffenen Maſsregeln den Mächten, welche die Ausführung derselben<lb/> überwachen werden, Kenntnis geben.“ Auf diesem Artikel beruhte<lb/> das Einschreiten der Mächte zu Gunsten der Armenier im Jahre 1895.</p><lb/> <p>Aber auch allgemein liegt in der durch den Pariser Frieden<lb/> von 1856 ausgesprochenen Kollektivgarantie des ottomanischen Ge-<lb/> bietes durch die Groſsmächte die Begründung eines Internationalrechtes<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [38/0060]
I. Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung.
3. Durch die Notwendigkeit, die eigenen Staatsinteressen
gegen drohende Gefahr oder die Interessen der Staatsangehörigen
gegen ein ihnen von dem fremden Staat zugefügtes oder drohendes
Unrecht zu schützen (unten § 11 III).
4. Dagegen kann nicht zugegeben werden, daſs ein Ein-
mischungsrecht schon dann gegeben sei, wenn nach der, sei es
auch begründeten Ansicht eines Staates die allgemeinen Interessen
der Menschheit oder der Kultur einen Angriff notwendig machen
(die Vereinigten Staaten und Kuba 1898); denn damit würde der
Willkür Thür und Thor geöffnet. Und ebensowenig darf in der Be-
drückung von Stammesgenossen für dritte Staaten ein Grund für die
Intervention erblickt werden, denn das Schutzrecht eines jeden Staates
beschränkt sich, von besonderen Vereinbarungen abgesehen, auf seine
eigenen Staatsangehörigen (Griechenland gegenüber Kreta 1897).
In allen diesen Fällen kann das Recht zum Einschreiten auch
einer Mehrzahl von Staaten gemeinschaftlich zustehen (sogenannte
Kollektiv-Intervention). So hat der Berliner Vertrag 1878 das
Recht der Groſsmächte zur Einmischung in die innern Angelegen-
heiten der Türkei, das jene seit 1840 begehrt und seit 1856
(unter Zurückweisung des von Ruſsland seit 1774 beanspruchten
einseitigen Schutzrechts) thatsächlich wiederholt geübt hatten, be-
züglich der armenischen Provinzen ausdrücklich anerkannt. Vgl.
Berliner Vertrag Artikel 61: „Die Hohe Pforte verpflichtet sich,
ohne weiteren Zeitverlust die Verbesserungen und Reformen ins
Leben zu rufen, welche die örtlichen Verhältnisse in den, von den
Armeniern bewohnten Provinzen erfordern und für die Sicherheit
derselben gegen die Tscherkessen und Kurden einzustehen. Sie
wird in bestimmten Zeiträumen von den zu diesem Zweck ge-
troffenen Maſsregeln den Mächten, welche die Ausführung derselben
überwachen werden, Kenntnis geben.“ Auf diesem Artikel beruhte
das Einschreiten der Mächte zu Gunsten der Armenier im Jahre 1895.
Aber auch allgemein liegt in der durch den Pariser Frieden
von 1856 ausgesprochenen Kollektivgarantie des ottomanischen Ge-
bietes durch die Groſsmächte die Begründung eines Internationalrechtes
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