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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Jährliche Bewegung der Sonne.
Himmel die Sternbilder des Löwen und der Jungfrau, in den
ersten Sommernächten, zur Zeit der Mitte des Junius, das
Sternbild des Hercules und die zwei schönen Sterne Wega in
der Leyer und Atair im Adler, im Anfange des Herbstes den
Pegasus, die Kassiopeia und Andromada, und im Anfange des
Winters endlich, oder gegen das Ende des Jahres den Stier mit
den oben erwähnten Hyaden und Plejaden, ferner den Sirius, den
größten aller Fixsterne, und den Orion, das schönste aller Sternbilder.
Da nun alle diese, der Sonne in den verschiedenen Jahreszeiten
gegenüberstehenden Sterngruppen in der oben angeführten Ord-
nung von West gegen Ost um den Himmel liegen, so muß auch
die Sonne selbst in ihrer jährlichen Bewegung sich in derselben
Richtung, oder ebenfalls von West gen Ost, bewegen.

Uebrigens lassen sich diese Erscheinungen allerdings auch eben so
gut durch eine eigene Bewegung der Sonne gegen Ost, als durch
eine gemeinschaftliche Bewegung des gesammten Himmels mit
allen seinen zahllosen Fixsternen gegen West erklären. Wenn wir
aber nicht wieder, wie in dem großen Kapitel bei der Rotation
der Erde, in den Widerspruch fallen wollen, die ganze Welt um
einen einzigen Punkt zu bewegen, bloß weil wir diesen Punkt,
ohne allen weitern Grund, für unbeweglich gelten lassen wollen,
so werden wir sofort für die erste dieser Erklärungen, für eine
Bewegung der Sonne gen Ost, stimmen müssen, um so mehr, da
der Mond und alle übrigen oben erwähnten Planeten ebenfalls,
und zwar mit ganz andern Geschwindigkeiten, und nach ganz an-
dern Richtungen, ihren Ort unter den Sternen des Himmels
ändern.

Wir sind also, unsern Beobachtungen und den daraus gezo-
genen Schlüssen gemäß, gleichsam gezwungen, anzunehmen, daß
die Sonne eine eigene Bewegung von West gegen Ost habe,
und daß sie diesen ihren Weg um die Erde in einem Jahre vol-
lende, oder daß sie auf diesem ihrem Wege täglich etwas weniger
als einen Grad (genauer 0,986 eines Grades) gen Ost weiter
rücke. Dieß von der Zeit, oder, was dasselbe ist, von der Ge-
schwindigkeit, mit welcher die Sonne um uns geht. Welches ist
aber die Lage dieser Bahn der Sonne am Himmel? Ist sie mit

7 *

Jährliche Bewegung der Sonne.
Himmel die Sternbilder des Löwen und der Jungfrau, in den
erſten Sommernächten, zur Zeit der Mitte des Junius, das
Sternbild des Hercules und die zwei ſchönen Sterne Wega in
der Leyer und Atair im Adler, im Anfange des Herbſtes den
Pegaſus, die Kaſſiopeia und Andromada, und im Anfange des
Winters endlich, oder gegen das Ende des Jahres den Stier mit
den oben erwähnten Hyaden und Plejaden, ferner den Sirius, den
größten aller Fixſterne, und den Orion, das ſchönſte aller Sternbilder.
Da nun alle dieſe, der Sonne in den verſchiedenen Jahreszeiten
gegenüberſtehenden Sterngruppen in der oben angeführten Ord-
nung von Weſt gegen Oſt um den Himmel liegen, ſo muß auch
die Sonne ſelbſt in ihrer jährlichen Bewegung ſich in derſelben
Richtung, oder ebenfalls von Weſt gen Oſt, bewegen.

Uebrigens laſſen ſich dieſe Erſcheinungen allerdings auch eben ſo
gut durch eine eigene Bewegung der Sonne gegen Oſt, als durch
eine gemeinſchaftliche Bewegung des geſammten Himmels mit
allen ſeinen zahlloſen Fixſternen gegen Weſt erklären. Wenn wir
aber nicht wieder, wie in dem großen Kapitel bei der Rotation
der Erde, in den Widerſpruch fallen wollen, die ganze Welt um
einen einzigen Punkt zu bewegen, bloß weil wir dieſen Punkt,
ohne allen weitern Grund, für unbeweglich gelten laſſen wollen,
ſo werden wir ſofort für die erſte dieſer Erklärungen, für eine
Bewegung der Sonne gen Oſt, ſtimmen müſſen, um ſo mehr, da
der Mond und alle übrigen oben erwähnten Planeten ebenfalls,
und zwar mit ganz andern Geſchwindigkeiten, und nach ganz an-
dern Richtungen, ihren Ort unter den Sternen des Himmels
ändern.

Wir ſind alſo, unſern Beobachtungen und den daraus gezo-
genen Schlüſſen gemäß, gleichſam gezwungen, anzunehmen, daß
die Sonne eine eigene Bewegung von Weſt gegen Oſt habe,
und daß ſie dieſen ihren Weg um die Erde in einem Jahre vol-
lende, oder daß ſie auf dieſem ihrem Wege täglich etwas weniger
als einen Grad (genauer 0,986 eines Grades) gen Oſt weiter
rücke. Dieß von der Zeit, oder, was daſſelbe iſt, von der Ge-
ſchwindigkeit, mit welcher die Sonne um uns geht. Welches iſt
aber die Lage dieſer Bahn der Sonne am Himmel? Iſt ſie mit

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[99/0111] Jährliche Bewegung der Sonne. Himmel die Sternbilder des Löwen und der Jungfrau, in den erſten Sommernächten, zur Zeit der Mitte des Junius, das Sternbild des Hercules und die zwei ſchönen Sterne Wega in der Leyer und Atair im Adler, im Anfange des Herbſtes den Pegaſus, die Kaſſiopeia und Andromada, und im Anfange des Winters endlich, oder gegen das Ende des Jahres den Stier mit den oben erwähnten Hyaden und Plejaden, ferner den Sirius, den größten aller Fixſterne, und den Orion, das ſchönſte aller Sternbilder. Da nun alle dieſe, der Sonne in den verſchiedenen Jahreszeiten gegenüberſtehenden Sterngruppen in der oben angeführten Ord- nung von Weſt gegen Oſt um den Himmel liegen, ſo muß auch die Sonne ſelbſt in ihrer jährlichen Bewegung ſich in derſelben Richtung, oder ebenfalls von Weſt gen Oſt, bewegen. Uebrigens laſſen ſich dieſe Erſcheinungen allerdings auch eben ſo gut durch eine eigene Bewegung der Sonne gegen Oſt, als durch eine gemeinſchaftliche Bewegung des geſammten Himmels mit allen ſeinen zahlloſen Fixſternen gegen Weſt erklären. Wenn wir aber nicht wieder, wie in dem großen Kapitel bei der Rotation der Erde, in den Widerſpruch fallen wollen, die ganze Welt um einen einzigen Punkt zu bewegen, bloß weil wir dieſen Punkt, ohne allen weitern Grund, für unbeweglich gelten laſſen wollen, ſo werden wir ſofort für die erſte dieſer Erklärungen, für eine Bewegung der Sonne gen Oſt, ſtimmen müſſen, um ſo mehr, da der Mond und alle übrigen oben erwähnten Planeten ebenfalls, und zwar mit ganz andern Geſchwindigkeiten, und nach ganz an- dern Richtungen, ihren Ort unter den Sternen des Himmels ändern. Wir ſind alſo, unſern Beobachtungen und den daraus gezo- genen Schlüſſen gemäß, gleichſam gezwungen, anzunehmen, daß die Sonne eine eigene Bewegung von Weſt gegen Oſt habe, und daß ſie dieſen ihren Weg um die Erde in einem Jahre vol- lende, oder daß ſie auf dieſem ihrem Wege täglich etwas weniger als einen Grad (genauer 0,986 eines Grades) gen Oſt weiter rücke. Dieß von der Zeit, oder, was daſſelbe iſt, von der Ge- ſchwindigkeit, mit welcher die Sonne um uns geht. Welches iſt aber die Lage dieſer Bahn der Sonne am Himmel? Iſt ſie mit 7 *

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/111>, abgerufen am 24.11.2024.