verdorren; die weiter von ihm entfernten Länder würden unter ewigem Eise begraben bleiben; ein verhältnißmäßig nur sehr klei- ner Theil der sogenannten temperirten Zone würde für uns noch bewohnbar seyn, und auch hier würden die meisten selbst unserer weniger edlen Früchte nicht mehr zur Reife gelangen.
§. 85. (Schiefe Stellung der Erdaxe gegen die Ecliptik.) Und welches ist die Bedingung, an die wir jene tägliche Rotation der Erde knüpfen müssen, wenn wir all' dem erzählten Ungemach entfliehen und uns des so wünschenswerthen Wechsels der Jah- reszeiten auf unserer Erde in der That erfreuen wollen?
Die Natur hat diesen Zweck durch eine, wie es scheint, sehr ge- ringfügige Einrichtung zu erreichen gewußt, indem sie nämlich der Axe, um welche sich die Erde dreht, und die wir, in unserer letz- ten Hypothese senkrecht auf die Ebene der Erdbahn gestellt haben, eine etwas schiefe Neigung gegen diese Ebene gab. Diese schiefe Stellung der Erdaxe gegen die Erdbahn ist die eigentliche Ursache der Jahreszeiten und die Quelle aller der reichen Seg- nungen, welche dadurch über uns und über unsere Erde ausgegos- sen werden. Wir wollen diesen wichtigen Umstand, wie er es verdient, sogleich etwas näher betrachten.
Man denke sich durch den Mittelpunkt S (Fig. 18) der Sonne eine fixe Linie SR, die auf die Ebene der Erdbahn oder der Eclip- tik senkrecht steht und eine andere SP, welche mit jener den Win- kel PSR gleich 231/2 Grad, also denselben Winkel macht, unter welchem der Aequator gegen die Ecliptik geneigt ist. Die Erde bewege sich jährlich in dem Kreise ABCD der Ecliptik um die Sonne und drehe sich zugleich täglich um ihre Axe pq, welche letzte in allen Punkten der Erdbahn mit der zweiten der erwähn- ten fixen Linien, d. h. mit SP parallel bleiben soll, so daß also p den Nord- und q den Südpol der Erde vorstellt.
Dieß vorausgesetzt, gibt es vorzüglich vier Lagen der Erde gegen die Sonne, die wir hier näher betrachten wollen, nämlich die Lage A, B, C und D, wo die Erde zur Zeit des Anfangs des Frühlings, des Sommers, des Herbstes und des Winters in unserer nördlichen Hemisphäre ist. In allen diesen Lagen wird immer nahe die Hälfte der Oberfläche der Erde von der Sonne
Jahreszeiten.
verdorren; die weiter von ihm entfernten Länder würden unter ewigem Eiſe begraben bleiben; ein verhältnißmäßig nur ſehr klei- ner Theil der ſogenannten temperirten Zone würde für uns noch bewohnbar ſeyn, und auch hier würden die meiſten ſelbſt unſerer weniger edlen Früchte nicht mehr zur Reife gelangen.
§. 85. (Schiefe Stellung der Erdaxe gegen die Ecliptik.) Und welches iſt die Bedingung, an die wir jene tägliche Rotation der Erde knüpfen müſſen, wenn wir all’ dem erzählten Ungemach entfliehen und uns des ſo wünſchenswerthen Wechſels der Jah- reszeiten auf unſerer Erde in der That erfreuen wollen?
Die Natur hat dieſen Zweck durch eine, wie es ſcheint, ſehr ge- ringfügige Einrichtung zu erreichen gewußt, indem ſie nämlich der Axe, um welche ſich die Erde dreht, und die wir, in unſerer letz- ten Hypotheſe ſenkrecht auf die Ebene der Erdbahn geſtellt haben, eine etwas ſchiefe Neigung gegen dieſe Ebene gab. Dieſe ſchiefe Stellung der Erdaxe gegen die Erdbahn iſt die eigentliche Urſache der Jahreszeiten und die Quelle aller der reichen Seg- nungen, welche dadurch über uns und über unſere Erde ausgegoſ- ſen werden. Wir wollen dieſen wichtigen Umſtand, wie er es verdient, ſogleich etwas näher betrachten.
Man denke ſich durch den Mittelpunkt S (Fig. 18) der Sonne eine fixe Linie SR, die auf die Ebene der Erdbahn oder der Eclip- tik ſenkrecht ſteht und eine andere SP, welche mit jener den Win- kel PSR gleich 23½ Grad, alſo denſelben Winkel macht, unter welchem der Aequator gegen die Ecliptik geneigt iſt. Die Erde bewege ſich jährlich in dem Kreiſe ABCD der Ecliptik um die Sonne und drehe ſich zugleich täglich um ihre Axe pq, welche letzte in allen Punkten der Erdbahn mit der zweiten der erwähn- ten fixen Linien, d. h. mit SP parallel bleiben ſoll, ſo daß alſo p den Nord- und q den Südpol der Erde vorſtellt.
Dieß vorausgeſetzt, gibt es vorzüglich vier Lagen der Erde gegen die Sonne, die wir hier näher betrachten wollen, nämlich die Lage A, B, C und D, wo die Erde zur Zeit des Anfangs des Frühlings, des Sommers, des Herbſtes und des Winters in unſerer nördlichen Hemiſphäre iſt. In allen dieſen Lagen wird immer nahe die Hälfte der Oberfläche der Erde von der Sonne
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[197/0209]
Jahreszeiten.
verdorren; die weiter von ihm entfernten Länder würden unter
ewigem Eiſe begraben bleiben; ein verhältnißmäßig nur ſehr klei-
ner Theil der ſogenannten temperirten Zone würde für uns noch
bewohnbar ſeyn, und auch hier würden die meiſten ſelbſt unſerer
weniger edlen Früchte nicht mehr zur Reife gelangen.
§. 85. (Schiefe Stellung der Erdaxe gegen die Ecliptik.) Und
welches iſt die Bedingung, an die wir jene tägliche Rotation der
Erde knüpfen müſſen, wenn wir all’ dem erzählten Ungemach
entfliehen und uns des ſo wünſchenswerthen Wechſels der Jah-
reszeiten auf unſerer Erde in der That erfreuen wollen?
Die Natur hat dieſen Zweck durch eine, wie es ſcheint, ſehr ge-
ringfügige Einrichtung zu erreichen gewußt, indem ſie nämlich der
Axe, um welche ſich die Erde dreht, und die wir, in unſerer letz-
ten Hypotheſe ſenkrecht auf die Ebene der Erdbahn geſtellt haben,
eine etwas ſchiefe Neigung gegen dieſe Ebene gab. Dieſe
ſchiefe Stellung der Erdaxe gegen die Erdbahn iſt die eigentliche
Urſache der Jahreszeiten und die Quelle aller der reichen Seg-
nungen, welche dadurch über uns und über unſere Erde ausgegoſ-
ſen werden. Wir wollen dieſen wichtigen Umſtand, wie er es
verdient, ſogleich etwas näher betrachten.
Man denke ſich durch den Mittelpunkt S (Fig. 18) der Sonne
eine fixe Linie SR, die auf die Ebene der Erdbahn oder der Eclip-
tik ſenkrecht ſteht und eine andere SP, welche mit jener den Win-
kel PSR gleich 23½ Grad, alſo denſelben Winkel macht, unter
welchem der Aequator gegen die Ecliptik geneigt iſt. Die Erde
bewege ſich jährlich in dem Kreiſe ABCD der Ecliptik um die
Sonne und drehe ſich zugleich täglich um ihre Axe pq, welche
letzte in allen Punkten der Erdbahn mit der zweiten der erwähn-
ten fixen Linien, d. h. mit SP parallel bleiben ſoll, ſo daß alſo p
den Nord- und q den Südpol der Erde vorſtellt.
Dieß vorausgeſetzt, gibt es vorzüglich vier Lagen der Erde
gegen die Sonne, die wir hier näher betrachten wollen, nämlich
die Lage A, B, C und D, wo die Erde zur Zeit des Anfangs
des Frühlings, des Sommers, des Herbſtes und des Winters in
unſerer nördlichen Hemiſphäre iſt. In allen dieſen Lagen wird
immer nahe die Hälfte der Oberfläche der Erde von der Sonne
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/209>, abgerufen am 16.07.2024.
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