Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.Einleitung. ihn zurücklegte, scheint mehr geeignet, uns mit bescheidener De-muth, als mit Stolz, zu erfüllen, und uns, indem wir das Wenige, was uns nach so vieler Mühe von den großen Werken der Natur zu wissen gegönnt ist, dankbar hinnehmen, durch diesen unseren sogenannten Reichthum selbst an unsere Armuth und an das Gefühl der Ohnmacht zu erinnern, welches der gewöhnliche Begleiter des Menschen auf seiner Bahn zur Wahrheit ist. Wir werden sehen, daß der menschliche Geist in dieser Wissenschaft in der That weiter, als in allen anderen, vorgedrungen ist, daß aber auch zugleich in keiner anderen das Verhältniß des Bekannten zu dem Unbekannten so klein ist, als in eben dieser, und daß über- haupt die schönsten und wichtigsten Entdeckungen, deren wir uns rühmen, nur durch Zufall und auf Abwegen gemacht wurden, auf welchen man, ganz andere Schätze suchend, und nicht findend, Jahrhunderte lang ohne Rath und Steuer herumgeirrt ist. Beinahe die vollen vier ersten Jahrtausende unserer soge- Einleitung. ihn zurücklegte, ſcheint mehr geeignet, uns mit beſcheidener De-muth, als mit Stolz, zu erfüllen, und uns, indem wir das Wenige, was uns nach ſo vieler Mühe von den großen Werken der Natur zu wiſſen gegönnt iſt, dankbar hinnehmen, durch dieſen unſeren ſogenannten Reichthum ſelbſt an unſere Armuth und an das Gefühl der Ohnmacht zu erinnern, welches der gewöhnliche Begleiter des Menſchen auf ſeiner Bahn zur Wahrheit iſt. Wir werden ſehen, daß der menſchliche Geiſt in dieſer Wiſſenſchaft in der That weiter, als in allen anderen, vorgedrungen iſt, daß aber auch zugleich in keiner anderen das Verhältniß des Bekannten zu dem Unbekannten ſo klein iſt, als in eben dieſer, und daß über- haupt die ſchönſten und wichtigſten Entdeckungen, deren wir uns rühmen, nur durch Zufall und auf Abwegen gemacht wurden, auf welchen man, ganz andere Schätze ſuchend, und nicht findend, Jahrhunderte lang ohne Rath und Steuer herumgeirrt iſt. Beinahe die vollen vier erſten Jahrtauſende unſerer ſoge- <TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0022" n="10"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/> ihn zurücklegte, ſcheint mehr geeignet, uns mit beſcheidener De-<lb/> muth, als mit Stolz, zu erfüllen, und uns, indem wir das<lb/> Wenige, was uns nach ſo vieler Mühe von den großen Werken<lb/> der Natur zu wiſſen gegönnt iſt, dankbar hinnehmen, durch dieſen<lb/> unſeren ſogenannten Reichthum ſelbſt an unſere Armuth und an<lb/> das Gefühl der Ohnmacht zu erinnern, welches der gewöhnliche<lb/> Begleiter des Menſchen auf ſeiner Bahn zur Wahrheit iſt. Wir<lb/> werden ſehen, daß der menſchliche Geiſt in dieſer Wiſſenſchaft in der<lb/> That weiter, als in allen anderen, vorgedrungen iſt, daß aber<lb/> auch zugleich in keiner anderen das Verhältniß des Bekannten zu<lb/> dem Unbekannten ſo klein iſt, als in eben dieſer, und daß über-<lb/> haupt die ſchönſten und wichtigſten Entdeckungen, deren wir uns<lb/> rühmen, nur durch Zufall und auf Abwegen gemacht wurden,<lb/> auf welchen man, ganz andere Schätze ſuchend, und nicht findend,<lb/> Jahrhunderte lang ohne Rath und Steuer herumgeirrt iſt.</p><lb/> <p>Beinahe die vollen vier erſten Jahrtauſende unſerer ſoge-<lb/> nannten Weltgeſchichte verblieb die Aſtronomie in ihrer erſten,<lb/> hilfloſen Kindheit. Erſt zwei Jahrhunderte vor dem Anfange der<lb/> chriſtlichen Zeitrechnung unternahm ſie, in der Alexandriniſchen<lb/> Schule, unter dem Schutze der die Wiſſenſchaften liebenden Pto-<lb/> lemäer, die erſten furchtſamen Schritte. Aber die darauf folgende<lb/> Uebermacht der Römer, welche dieſe Wiſſenſchaft nie cultivirten,<lb/> und der gewaltſame Sturz ihres Reiches, der die ganze damals<lb/> bekannte Welt erſchütterte, begrub auch ſie unter den Trümmern,<lb/> die ſo lange Zeit nach jener Trauerepoche Kunſt und Wiſſenſchaft<lb/> und Bildung jeder Art bedeckten. Gleichſam zum Erſatze, oder<lb/> als eines jener ſonderbaren Spiele der Natur, erhob ſich, im<lb/> ſiebenten Jahrhundert, ein Nomadenvolk der Wüſte, ein Volk von<lb/> Eroberern, die Araber, berühmt durch das kurze, aber weithin<lb/> ſchimmernde Glück ihrer Waffen, und nicht minder groß durch<lb/> den Schutz, deſſen ſich unter ihrer Aegide die Wiſſenſchaften, und<lb/> vorzüglich die Königin derſelben, die Aſtronomie, erfreute. Aber<lb/> wieder lagerte ſich, mit dem Untergange dieſes Heldenvolkes, eine<lb/> tiefe Nacht der Barbarei über den Erdball. Unwiſſenheit und<lb/> Aberglaube wurden das Loſungswort der verwilderten Nationen.<lb/> Allgemeine Entartung der Sitten, abentheuerliche und unmenſch-<lb/> liche Kriege, und ihr gewöhnliches Gefolge, ſtumpfe Ermattung,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [10/0022]
Einleitung.
ihn zurücklegte, ſcheint mehr geeignet, uns mit beſcheidener De-
muth, als mit Stolz, zu erfüllen, und uns, indem wir das
Wenige, was uns nach ſo vieler Mühe von den großen Werken
der Natur zu wiſſen gegönnt iſt, dankbar hinnehmen, durch dieſen
unſeren ſogenannten Reichthum ſelbſt an unſere Armuth und an
das Gefühl der Ohnmacht zu erinnern, welches der gewöhnliche
Begleiter des Menſchen auf ſeiner Bahn zur Wahrheit iſt. Wir
werden ſehen, daß der menſchliche Geiſt in dieſer Wiſſenſchaft in der
That weiter, als in allen anderen, vorgedrungen iſt, daß aber
auch zugleich in keiner anderen das Verhältniß des Bekannten zu
dem Unbekannten ſo klein iſt, als in eben dieſer, und daß über-
haupt die ſchönſten und wichtigſten Entdeckungen, deren wir uns
rühmen, nur durch Zufall und auf Abwegen gemacht wurden,
auf welchen man, ganz andere Schätze ſuchend, und nicht findend,
Jahrhunderte lang ohne Rath und Steuer herumgeirrt iſt.
Beinahe die vollen vier erſten Jahrtauſende unſerer ſoge-
nannten Weltgeſchichte verblieb die Aſtronomie in ihrer erſten,
hilfloſen Kindheit. Erſt zwei Jahrhunderte vor dem Anfange der
chriſtlichen Zeitrechnung unternahm ſie, in der Alexandriniſchen
Schule, unter dem Schutze der die Wiſſenſchaften liebenden Pto-
lemäer, die erſten furchtſamen Schritte. Aber die darauf folgende
Uebermacht der Römer, welche dieſe Wiſſenſchaft nie cultivirten,
und der gewaltſame Sturz ihres Reiches, der die ganze damals
bekannte Welt erſchütterte, begrub auch ſie unter den Trümmern,
die ſo lange Zeit nach jener Trauerepoche Kunſt und Wiſſenſchaft
und Bildung jeder Art bedeckten. Gleichſam zum Erſatze, oder
als eines jener ſonderbaren Spiele der Natur, erhob ſich, im
ſiebenten Jahrhundert, ein Nomadenvolk der Wüſte, ein Volk von
Eroberern, die Araber, berühmt durch das kurze, aber weithin
ſchimmernde Glück ihrer Waffen, und nicht minder groß durch
den Schutz, deſſen ſich unter ihrer Aegide die Wiſſenſchaften, und
vorzüglich die Königin derſelben, die Aſtronomie, erfreute. Aber
wieder lagerte ſich, mit dem Untergange dieſes Heldenvolkes, eine
tiefe Nacht der Barbarei über den Erdball. Unwiſſenheit und
Aberglaube wurden das Loſungswort der verwilderten Nationen.
Allgemeine Entartung der Sitten, abentheuerliche und unmenſch-
liche Kriege, und ihr gewöhnliches Gefolge, ſtumpfe Ermattung,
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