Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Einleitung.
gehen. Da aber diese Planeten selbst auch eine, wenn gleich viel
geringere Masse, als die Sonne haben, so werden auch diese, nach
demselben allgemeinen Prinzip, nicht nur gegen die Sonne, sondern
auch gegen einander gravitiren, oder jeder Planet wird, nicht bloß
von der Sonne, sondern auch von allen übrigen Planeten zugleich
angezogen werden, und die erwähnte einfache elliptische Bahn
eines jeden wird jetzt, durch die gemeinsame Einwirkung aller
Planeten unter einander, eine äußerst zusammengesetzte und ver-
wickelte krumme Linie werden, deren genaue Bestimmung wenig-
stens jetzt, und wahrscheinlich immer, die menschlichen Kräfte weit
übersteigt.

Während z. B. Jupiter durch die bloße Einwirkung der
Sonne in einer Ellipse von mehr als 650 Millionen d. Meilen
um dieselbe geführt wird, suchen ihn alle andern ihn umgebenden
Planeten immerwährend aus dieser seiner Bahn herauszuziehen.
Nach den verschiedenen Lagen dieser Planeten zieht ihn der eine
näher zur Sonne, während ihn der andere davon entfernt; dieser
reißt ihn auf seinem Wege vorwärts, jener zurück; dieser erhebt
ihn über, jener stößt ihn unter seine ursprüngliche Bahn, und es
ist leicht abzusehen, daß alle diese immerfort wirkenden Störungen
nicht nur den Ort des Planeten in seiner Bahn, sondern am Ende
auch diese Bahn selbst verändern, daß sie ihren Einfluß auch auf
die Größe, Gestalt und Lage dieser Bahn haben werden, und daß
daher der Planet, allen diesen, ihn und einander selbst immer stö-
renden Kräften Preis gegeben, eigentlich in jedem Augenblicke
eine andere, eine ganz neue krumme Linie um die Sonne be-
schreiben werde. Diese Verwirrung wird noch größer, wenn wir
bedenken, daß alle astronomischen Bestimmungen der Orte, welche
die Planeten am Himmel einnehmen, sich auf die Ebene der Bahn,
welche die Erde um die Sonne beschreibt, oder auf die Ebene der
Ecliptik beziehen, und daß diese letzte Ebene selbst wieder, durch
ähnliche Wirkungen aller übrigen Planeten auf die Erde, in ihrer
Lage auf gar mannigfaltige Weise verändert wird. Durch Jupi-
ters Einwirkung z. B. wird die Ebene der Erdbahn verrückt,
und dieß hat die nothwendige Folge, daß auch die Neigun-
gen der übrigen Planetenbahnen und ihrer Durchschnittslinien
mit der Ecliptik sich ändern, selbst von jener Planetenbahn an sich

Einleitung.
gehen. Da aber dieſe Planeten ſelbſt auch eine, wenn gleich viel
geringere Maſſe, als die Sonne haben, ſo werden auch dieſe, nach
demſelben allgemeinen Prinzip, nicht nur gegen die Sonne, ſondern
auch gegen einander gravitiren, oder jeder Planet wird, nicht bloß
von der Sonne, ſondern auch von allen übrigen Planeten zugleich
angezogen werden, und die erwähnte einfache elliptiſche Bahn
eines jeden wird jetzt, durch die gemeinſame Einwirkung aller
Planeten unter einander, eine äußerſt zuſammengeſetzte und ver-
wickelte krumme Linie werden, deren genaue Beſtimmung wenig-
ſtens jetzt, und wahrſcheinlich immer, die menſchlichen Kräfte weit
überſteigt.

Während z. B. Jupiter durch die bloße Einwirkung der
Sonne in einer Ellipſe von mehr als 650 Millionen d. Meilen
um dieſelbe geführt wird, ſuchen ihn alle andern ihn umgebenden
Planeten immerwährend aus dieſer ſeiner Bahn herauszuziehen.
Nach den verſchiedenen Lagen dieſer Planeten zieht ihn der eine
näher zur Sonne, während ihn der andere davon entfernt; dieſer
reißt ihn auf ſeinem Wege vorwärts, jener zurück; dieſer erhebt
ihn über, jener ſtößt ihn unter ſeine urſprüngliche Bahn, und es
iſt leicht abzuſehen, daß alle dieſe immerfort wirkenden Störungen
nicht nur den Ort des Planeten in ſeiner Bahn, ſondern am Ende
auch dieſe Bahn ſelbſt verändern, daß ſie ihren Einfluß auch auf
die Größe, Geſtalt und Lage dieſer Bahn haben werden, und daß
daher der Planet, allen dieſen, ihn und einander ſelbſt immer ſtö-
renden Kräften Preis gegeben, eigentlich in jedem Augenblicke
eine andere, eine ganz neue krumme Linie um die Sonne be-
ſchreiben werde. Dieſe Verwirrung wird noch größer, wenn wir
bedenken, daß alle aſtronomiſchen Beſtimmungen der Orte, welche
die Planeten am Himmel einnehmen, ſich auf die Ebene der Bahn,
welche die Erde um die Sonne beſchreibt, oder auf die Ebene der
Ecliptik beziehen, und daß dieſe letzte Ebene ſelbſt wieder, durch
ähnliche Wirkungen aller übrigen Planeten auf die Erde, in ihrer
Lage auf gar mannigfaltige Weiſe verändert wird. Durch Jupi-
ters Einwirkung z. B. wird die Ebene der Erdbahn verrückt,
und dieß hat die nothwendige Folge, daß auch die Neigun-
gen der übrigen Planetenbahnen und ihrer Durchſchnittslinien
mit der Ecliptik ſich ändern, ſelbſt von jener Planetenbahn an ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0028" n="16"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/>
gehen. Da aber die&#x017F;e Planeten &#x017F;elb&#x017F;t auch eine, wenn gleich viel<lb/>
geringere Ma&#x017F;&#x017F;e, als die Sonne haben, &#x017F;o werden auch die&#x017F;e, nach<lb/>
dem&#x017F;elben allgemeinen Prinzip, nicht nur gegen die Sonne, &#x017F;ondern<lb/>
auch gegen einander gravitiren, oder jeder Planet wird, nicht bloß<lb/>
von der Sonne, &#x017F;ondern auch von allen übrigen Planeten zugleich<lb/>
angezogen werden, und die erwähnte einfache ellipti&#x017F;che Bahn<lb/>
eines jeden wird jetzt, durch die gemein&#x017F;ame Einwirkung aller<lb/>
Planeten unter einander, eine äußer&#x017F;t zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzte und ver-<lb/>
wickelte krumme Linie werden, deren genaue Be&#x017F;timmung wenig-<lb/>
&#x017F;tens jetzt, und wahr&#x017F;cheinlich immer, die men&#x017F;chlichen Kräfte weit<lb/>
über&#x017F;teigt.</p><lb/>
        <p>Während z. B. Jupiter durch die bloße Einwirkung der<lb/>
Sonne in einer Ellip&#x017F;e von mehr als 650 Millionen d. Meilen<lb/>
um die&#x017F;elbe geführt wird, &#x017F;uchen ihn alle andern ihn umgebenden<lb/>
Planeten immerwährend aus die&#x017F;er &#x017F;einer Bahn herauszuziehen.<lb/>
Nach den ver&#x017F;chiedenen Lagen die&#x017F;er Planeten zieht ihn der eine<lb/>
näher zur Sonne, während ihn der andere davon entfernt; die&#x017F;er<lb/>
reißt ihn auf &#x017F;einem Wege vorwärts, jener zurück; die&#x017F;er erhebt<lb/>
ihn über, jener &#x017F;tößt ihn unter &#x017F;eine ur&#x017F;prüngliche Bahn, und es<lb/>
i&#x017F;t leicht abzu&#x017F;ehen, daß alle die&#x017F;e immerfort wirkenden Störungen<lb/>
nicht nur den Ort des Planeten in &#x017F;einer Bahn, &#x017F;ondern am Ende<lb/>
auch die&#x017F;e Bahn &#x017F;elb&#x017F;t verändern, daß &#x017F;ie ihren Einfluß auch auf<lb/>
die Größe, Ge&#x017F;talt und Lage die&#x017F;er Bahn haben werden, und daß<lb/>
daher der Planet, allen die&#x017F;en, ihn und einander &#x017F;elb&#x017F;t immer &#x017F;tö-<lb/>
renden Kräften Preis gegeben, eigentlich in jedem Augenblicke<lb/>
eine andere, eine ganz neue krumme Linie um die Sonne be-<lb/>
&#x017F;chreiben werde. Die&#x017F;e Verwirrung wird noch größer, wenn wir<lb/>
bedenken, daß alle a&#x017F;tronomi&#x017F;chen Be&#x017F;timmungen der Orte, welche<lb/>
die Planeten am Himmel einnehmen, &#x017F;ich auf die Ebene der Bahn,<lb/>
welche die Erde um die Sonne be&#x017F;chreibt, oder auf die Ebene der<lb/>
Ecliptik beziehen, und daß die&#x017F;e letzte Ebene &#x017F;elb&#x017F;t wieder, durch<lb/>
ähnliche Wirkungen aller übrigen Planeten auf die Erde, in ihrer<lb/>
Lage auf gar mannigfaltige Wei&#x017F;e verändert wird. Durch Jupi-<lb/>
ters Einwirkung z. B. wird die Ebene der Erdbahn verrückt,<lb/>
und dieß hat die nothwendige Folge, daß auch die Neigun-<lb/>
gen der übrigen Planetenbahnen und ihrer Durch&#x017F;chnittslinien<lb/>
mit der Ecliptik &#x017F;ich ändern, &#x017F;elb&#x017F;t von jener Planetenbahn an &#x017F;ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0028] Einleitung. gehen. Da aber dieſe Planeten ſelbſt auch eine, wenn gleich viel geringere Maſſe, als die Sonne haben, ſo werden auch dieſe, nach demſelben allgemeinen Prinzip, nicht nur gegen die Sonne, ſondern auch gegen einander gravitiren, oder jeder Planet wird, nicht bloß von der Sonne, ſondern auch von allen übrigen Planeten zugleich angezogen werden, und die erwähnte einfache elliptiſche Bahn eines jeden wird jetzt, durch die gemeinſame Einwirkung aller Planeten unter einander, eine äußerſt zuſammengeſetzte und ver- wickelte krumme Linie werden, deren genaue Beſtimmung wenig- ſtens jetzt, und wahrſcheinlich immer, die menſchlichen Kräfte weit überſteigt. Während z. B. Jupiter durch die bloße Einwirkung der Sonne in einer Ellipſe von mehr als 650 Millionen d. Meilen um dieſelbe geführt wird, ſuchen ihn alle andern ihn umgebenden Planeten immerwährend aus dieſer ſeiner Bahn herauszuziehen. Nach den verſchiedenen Lagen dieſer Planeten zieht ihn der eine näher zur Sonne, während ihn der andere davon entfernt; dieſer reißt ihn auf ſeinem Wege vorwärts, jener zurück; dieſer erhebt ihn über, jener ſtößt ihn unter ſeine urſprüngliche Bahn, und es iſt leicht abzuſehen, daß alle dieſe immerfort wirkenden Störungen nicht nur den Ort des Planeten in ſeiner Bahn, ſondern am Ende auch dieſe Bahn ſelbſt verändern, daß ſie ihren Einfluß auch auf die Größe, Geſtalt und Lage dieſer Bahn haben werden, und daß daher der Planet, allen dieſen, ihn und einander ſelbſt immer ſtö- renden Kräften Preis gegeben, eigentlich in jedem Augenblicke eine andere, eine ganz neue krumme Linie um die Sonne be- ſchreiben werde. Dieſe Verwirrung wird noch größer, wenn wir bedenken, daß alle aſtronomiſchen Beſtimmungen der Orte, welche die Planeten am Himmel einnehmen, ſich auf die Ebene der Bahn, welche die Erde um die Sonne beſchreibt, oder auf die Ebene der Ecliptik beziehen, und daß dieſe letzte Ebene ſelbſt wieder, durch ähnliche Wirkungen aller übrigen Planeten auf die Erde, in ihrer Lage auf gar mannigfaltige Weiſe verändert wird. Durch Jupi- ters Einwirkung z. B. wird die Ebene der Erdbahn verrückt, und dieß hat die nothwendige Folge, daß auch die Neigun- gen der übrigen Planetenbahnen und ihrer Durchſchnittslinien mit der Ecliptik ſich ändern, ſelbſt von jener Planetenbahn an ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/28
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/28>, abgerufen am 21.11.2024.