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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Einleitung.
liche oder mündliche Mittheilung über diesen Gegenstand besondere
Rücksicht zu nehmen hat.

Aber dazu gehören vor allem diejenigen mathematischen Kennt-
nisse, auf welche jene astronomischen Betrachtungen gebaut sind
und ohne welche sich die meisten derselben nicht einmal, wenigstens
nicht mit der Präcision und Ueberzeugung, vortragen lassen, die
einen großen Theil ihres inneren Werthes constituiren. Wie viele
von den schönsten astronomischen Entdeckungen sind der Art, daß
sie ohne mathematische Vorkenntnisse nicht einmal gehörig ver-
standen werden können, und wie viele andere sind so wunderbar
und auffallend, so allen Erfahrungen des gewöhnlichen Lebens
widersprechend, daß sie von einem wohl organisirten Kopfe un-
möglich auf Treu' und Glauben angenommen werden können. Wie
soll man z. B. den Astronomen auf ihr bloßes Wort hin glauben,
daß die Sonne, die doch jeder von uns mit seinen eigenen Augen
täglich als eine Kugel von nur mäßigem Umfange sieht, andert-
halb Millionenmale größer als unsere Erde und über zwanzig
Millionen Meilen von uns entfernt ist; daß der nächste Fixstern
wenigstens zweimalhundert Tausendmale weiter, als diese Sonne,
von uns absteht; daß das Licht mit einer Geschwindigkeit begabt
ist, mit welcher es, während wir mit unsern Augenliedern nicken,
schon die Reise um die Welt zurücklegt, und daß selbst diese un-
glaubliche Geschwindigkeit noch gegen jene ganz verschwindet, mit
welcher die Kraft der Sonne, durch die sie die Planeten um sich
treibt, in einem untheilbaren Momente bis an die fernsten Grän-
zen unseres Planetensystems eilt. Wer hat diese Größe der Sonne,
diese Entfernung der Fixsterne, diese Geschwindigkeiten des Lichts
und jene magische Kraft gemessen, und wie war es nur möglich,
zu Kenntnissen dieser Art zu gelangen? -- Die Geometrie allein
kann diese Fragen beantworten, und ohne ihre Hilfe werden sie
immer ungelöst bleiben.

Man muß es ohne Zweifel beklagen, daß die mathematischen
Wissenschaften noch immer keinen wesentlicheren Theil unserer Erzie-
hung und selbst unserer späteren Ausbildung machen. Während wir
oft sehr geringfügige, uns und Anderen meistens ganz nutzlose Dinge
nicht zu wissen, für einen Mangel, ja für eine Schande halten,
werden jene Kenntnisse als eine Nebensache oder doch nur als eine

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Einleitung.
liche oder mündliche Mittheilung über dieſen Gegenſtand beſondere
Rückſicht zu nehmen hat.

Aber dazu gehören vor allem diejenigen mathematiſchen Kennt-
niſſe, auf welche jene aſtronomiſchen Betrachtungen gebaut ſind
und ohne welche ſich die meiſten derſelben nicht einmal, wenigſtens
nicht mit der Präciſion und Ueberzeugung, vortragen laſſen, die
einen großen Theil ihres inneren Werthes conſtituiren. Wie viele
von den ſchönſten aſtronomiſchen Entdeckungen ſind der Art, daß
ſie ohne mathematiſche Vorkenntniſſe nicht einmal gehörig ver-
ſtanden werden können, und wie viele andere ſind ſo wunderbar
und auffallend, ſo allen Erfahrungen des gewöhnlichen Lebens
widerſprechend, daß ſie von einem wohl organiſirten Kopfe un-
möglich auf Treu’ und Glauben angenommen werden können. Wie
ſoll man z. B. den Aſtronomen auf ihr bloßes Wort hin glauben,
daß die Sonne, die doch jeder von uns mit ſeinen eigenen Augen
täglich als eine Kugel von nur mäßigem Umfange ſieht, andert-
halb Millionenmale größer als unſere Erde und über zwanzig
Millionen Meilen von uns entfernt iſt; daß der nächſte Fixſtern
wenigſtens zweimalhundert Tauſendmale weiter, als dieſe Sonne,
von uns abſteht; daß das Licht mit einer Geſchwindigkeit begabt
iſt, mit welcher es, während wir mit unſern Augenliedern nicken,
ſchon die Reiſe um die Welt zurücklegt, und daß ſelbſt dieſe un-
glaubliche Geſchwindigkeit noch gegen jene ganz verſchwindet, mit
welcher die Kraft der Sonne, durch die ſie die Planeten um ſich
treibt, in einem untheilbaren Momente bis an die fernſten Grän-
zen unſeres Planetenſyſtems eilt. Wer hat dieſe Größe der Sonne,
dieſe Entfernung der Fixſterne, dieſe Geſchwindigkeiten des Lichts
und jene magiſche Kraft gemeſſen, und wie war es nur möglich,
zu Kenntniſſen dieſer Art zu gelangen? — Die Geometrie allein
kann dieſe Fragen beantworten, und ohne ihre Hilfe werden ſie
immer ungelöst bleiben.

Man muß es ohne Zweifel beklagen, daß die mathematiſchen
Wiſſenſchaften noch immer keinen weſentlicheren Theil unſerer Erzie-
hung und ſelbſt unſerer ſpäteren Ausbildung machen. Während wir
oft ſehr geringfügige, uns und Anderen meiſtens ganz nutzloſe Dinge
nicht zu wiſſen, für einen Mangel, ja für eine Schande halten,
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[19/0031] Einleitung. liche oder mündliche Mittheilung über dieſen Gegenſtand beſondere Rückſicht zu nehmen hat. Aber dazu gehören vor allem diejenigen mathematiſchen Kennt- niſſe, auf welche jene aſtronomiſchen Betrachtungen gebaut ſind und ohne welche ſich die meiſten derſelben nicht einmal, wenigſtens nicht mit der Präciſion und Ueberzeugung, vortragen laſſen, die einen großen Theil ihres inneren Werthes conſtituiren. Wie viele von den ſchönſten aſtronomiſchen Entdeckungen ſind der Art, daß ſie ohne mathematiſche Vorkenntniſſe nicht einmal gehörig ver- ſtanden werden können, und wie viele andere ſind ſo wunderbar und auffallend, ſo allen Erfahrungen des gewöhnlichen Lebens widerſprechend, daß ſie von einem wohl organiſirten Kopfe un- möglich auf Treu’ und Glauben angenommen werden können. Wie ſoll man z. B. den Aſtronomen auf ihr bloßes Wort hin glauben, daß die Sonne, die doch jeder von uns mit ſeinen eigenen Augen täglich als eine Kugel von nur mäßigem Umfange ſieht, andert- halb Millionenmale größer als unſere Erde und über zwanzig Millionen Meilen von uns entfernt iſt; daß der nächſte Fixſtern wenigſtens zweimalhundert Tauſendmale weiter, als dieſe Sonne, von uns abſteht; daß das Licht mit einer Geſchwindigkeit begabt iſt, mit welcher es, während wir mit unſern Augenliedern nicken, ſchon die Reiſe um die Welt zurücklegt, und daß ſelbſt dieſe un- glaubliche Geſchwindigkeit noch gegen jene ganz verſchwindet, mit welcher die Kraft der Sonne, durch die ſie die Planeten um ſich treibt, in einem untheilbaren Momente bis an die fernſten Grän- zen unſeres Planetenſyſtems eilt. Wer hat dieſe Größe der Sonne, dieſe Entfernung der Fixſterne, dieſe Geſchwindigkeiten des Lichts und jene magiſche Kraft gemeſſen, und wie war es nur möglich, zu Kenntniſſen dieſer Art zu gelangen? — Die Geometrie allein kann dieſe Fragen beantworten, und ohne ihre Hilfe werden ſie immer ungelöst bleiben. Man muß es ohne Zweifel beklagen, daß die mathematiſchen Wiſſenſchaften noch immer keinen weſentlicheren Theil unſerer Erzie- hung und ſelbſt unſerer ſpäteren Ausbildung machen. Während wir oft ſehr geringfügige, uns und Anderen meiſtens ganz nutzloſe Dinge nicht zu wiſſen, für einen Mangel, ja für eine Schande halten, werden jene Kenntniſſe als eine Nebenſache oder doch nur als eine 2 *

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/31>, abgerufen am 21.11.2024.